Haben sich die sozial denkenden Fraktionen im Leipziger Stadtrat am 14. Dezember nun benommen wie der barmherzige Samariter? Oder einfach nur im Sinne der Menschen gehandelt, denen in Leipzig auch das 49 Euro teure Deutschlandticket zu teuer ist? Wer einen Leipzig-Pass hat, konnte bislang die vergünstigte Leipzig-Pass-Mobilcard der LVB erwerben, war damit aber auf das Stadtgebiet beschränkt. Eine echte Benachteiligung gegenüber den D-Ticket-Inhabern, für die es keine Tarifgrenzen mehr gibt.

Schon im April hatte die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat die „Erweiterung zum Deutschlandticket“ beantragt.

Wohl wissend, dass die Spanne zwischen den 49 Euro und den vergünstigten 29 Euro von der Stadt zu tragen wäre. Aber das wurde sie vorher auch schon, als es die Spanne zwischen der Leipzig-Pass-Mobilcard und den regulären Abo-Preisen der LVB gab. Ein Teil der benötigten Summe – wen nicht gar die ganze – ist im Haushalt der Stadt sowieso bereitgestellt.

Im September informierte das Sozialdezernat über das Verhandlungsergebnis mit den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB).

Danach meldete das Verkehrsunternehmen erst einmal keinen zusätzlichen Finanzbedarf an, was eigentlich schon die ganze Samariter-Rede von CDU-Stadtrat Michael Weickert am 14. Dezember widerlegte.

„Die im Haushaltsplan der Stadt Leipzig zur Erfüllung des Vertrages zur Leipzig-Pass-Mobilcard eingestellten Mittel in Höhe von 4,6 Mio. Euro p.a. wurden in den letzten Jahren nicht ausgeschöpft. Für das aktuelle Jahr wird erwartet, dass sich aus der Spitzabrechnung zu den Verkaufszahlen der Leipzig-Pass-Mobilcard eine Rückerstattung an die Stadt Leipzig ergibt.

Dieser Erstattungsbetrag soll für übertragbar erklärt und zweckgebunden zur ergänzenden Finanzierung des Deutschlandticket-Sozial in den Jahren 2024 und 2025 eingesetzt werden“, konnte man da lesen.

Sind Sozialausgaben rausgeschmissenes Geld?

Weickert hat die Diskussion über die Vorlage der Stadt zum Sozialticket genutzt, gleich mal wieder ein bisschen CDU-Wahlkampf zu betreiben und den Fraktionen auf der linken Seite des Stadtrates gedankenloses Geldausgeben unterstellt und ein bisschen Ampel-Bashing betrieben. Einen eigenen Antrag zum Thema hatte die CDU-Fraktion nicht vorgelegt.

Aber Weickerts Rede hatte ganz offensichtlich nichts mit der vom Sozialdezernat vorgelegten Vorlage zum „Vertrag zum Deutschlandticket für Leipzig-Pass-Inhaber/-innen“ zu tun.

Denn natürlich muss das vertraglich verankert werden.

„Mit dem Deutschlandticket für Leipzig-Pass-Inhaber/-innen sollen Inhaber/-innen des Leipzig-Passes die Möglichkeit erhalten, deutschlandweit vergünstigt den ÖPNV zu nutzen. Voraussetzung ist die Weiterführung des Deutschlandtickets auf Bundesebene. Sollte das Deutschlandticket nicht fortgeführt werden, endet das Angebot des Deutschlandtickets für Leipzig-Pass-Inhaber/-innen zum gleichen Zeitpunkt“, heißt es in der Vorlage.

Wie das vergünstigte Abo für Leipzig-Pass-Inhaber funktioniert

Das Sozialdezernat erläutert: „Das Angebot ergänzt die bisherigen Produkte der LPMC. Der bestehende Vertrag zur LPMC wird unverändert fortgeführt. Für Leipzig-Pass-Inhaber/-innen wird es somit weiterhin möglich sein, sich für den Erwerb einer Einzel-Monatskarte LPMC (ohne Abo und ohne deutschlandweite Gültigkeit) zu entscheiden.

Damit bleibt die Flexibilität für diejenigen erhalten, die sich monatsweise für den Erwerb einer LPMC entscheiden wollen oder kein Abo abschließen können (z.B. da sie über kein eigenes Bankkonto verfügen).

Der Ausgabepreis für die Berechtigten wird gegenüber dem regulären Preis des Deutschlandtickets um monatlich 20,00 Euro reduziert. Nach derzeitigem Kenntnisstand liegt der Preis zum Start bei 29,00 Euro monatlich. Im Falle einer bundesweiten Preisanpassung des Deutschlandtickets wird der Preis für Leipzig-Pass-Inhaber/-innen ebenfalls angepasst. Die städtische Bezuschussung pro Ticket bleibt konstant bei 20,00 Euro.“

Das heißt: Die Leipzig-Pass-Mobilcard verschwindet nicht.

Das vergünstigte D-Ticket für Leipzig-Pass-Inhaber aber gibt es nur im Abonnement.

„Das Deutschlandticket für Leipzig-Pass-Inhaber ist nur im Abo erhältlich“, so das Sozialdezernat. „Zum Abschluss eines Vertrages ist ein eigenes Bankkonto notwendig. Das Abo wird maximal für den Gültigkeitszeitraum des Leipzig-Passes der berechtigten Person befristet. Eine Verlängerung ist nach Vorlage des entsprechenden Berechtigungsnachweises (Leipzig-Pass) möglich.

Das Deutschlandticket für Leipzig-Pass-Inhaber/-innen ist an die Person gebunden, für die der Leipzig-Pass ausgestellt wurde. Es ist nicht an Dritte übertragbar.

Alle Nutzer/-innen der Leipzig-Pass-Mobilcard im Abo erhalten die Möglichkeit, zum 01.01.2024 in das Deutschlandticket für Leipzig-Pass-Inhaber/-innen zu wechseln.

Zusätzlich erfolgt eine Überführung derjenigen Abo-Verträge, die Leipzig-Pass-Inhaber/-innen selbständig bereits vor dem 01.01.2024 zum Erwerb eines Deutschlandtickets abgeschlossen haben.“

Die Sicht durch die Windschutzscheibe

Das kann man Samaritertum nennen. Oder einfach ein Ringen um sozialen Ausgleich. Dass Michael Weickert hier wieder den armen Steuerzahler herbeizitierte, der das alles bezahlen müsse, spricht im Grunde für die Finanzmentalität der CDU, die die Welt – um SPD-Stadtrat Christopher Zenker zu zitieren – nur durch die Windschutzscheibe betrachtet.

So betrachtet war Weickerts Rede auch wieder Teil der Leipziger CDU-Strategie, mit allen Mitteln die Verkehrswende in Leipzig auszubremsen. Dass im Bund die Gemengelage noch längst eine andere ist, hatte Linke-Stadträtin Franziska Riekewald angesprochen.

Denn auch wenn sich die Ampel-Regierung schwergetan hat, das Deutschlandticket zu finanzieren, wie FDP-Stadtrat Sascha Matzke feststellte, gilt im FDP-geführten Bundesverkehrsministerium nach wie vor das Primat des motorisierten Individualverkehrs und des milliardenschweren Ausbaus der Autobahnen.

Was eben auch die notwendigen Milliarden bindet, die jetzt eigentlich in den Ausbau des ÖPNV investiert werden müssten. Mitglieder des Fachausschusses Soziales, Gesundheit und Vielfalt hatten dann noch eine Änderung beantragt, die absichert, dass das von der Stadt zur Verfügung gestellte Geld dann auchn wieder für die Leipzig-Pass-Mobilcard zur Verfügung steht, falls das D-Ticket doch wieder enden sollte.

Die Befürchtung stand mitten im Raum. Denn ganz offensichtlich geht es genau hier um die Bezahlbarkeit der Verkehrswende und die Frage, ob die alte Auto-Denkweise den zaghaften Beginn wieder zunichtemacht.

„Die Beschlussfassung zum vorliegenden Vertrag muss spätestens im Dezember 2023 erfolgen, um eine Regelung ab 01.01.2024 abschließen zu können“, stand gleich in der Vorlage. Die Sitzung am 14. Dezember war also der letztmögliche Zeitpunkt, dem Vertrag mit den LVB zuzustimmen.

Und genau das passierte. Sogar wie erwartbar: 35 Ratsmitglieder stimmten zu, sieben stimmten dagegen, fünf enthielten sich. Und die sieben waren die Mitglieder der CDU-Fraktion, die gern so tut, als wache sie aufmerksam über das Geld der Steuerzahler, wenn sie soziale Vergünstigungen für Menschen mit niedrigen Einkommen für Geldverschwendung erklären.

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Es gibt 2 Kommentare

Warum wird darüber eigentlich jetzt erst berichtet? Selbst auf der Seite der Stadt findet man nichts dazu, außer einen Artikel von Oktober, dass es geplant wäre aber noch im Dezember beschlossen werden müsste.

Als ob die Betroffenen möglichst nichts von dem Angebot erfahren sollen, damit es ja keiner nutzt.

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