Auf der Ministerpräsidentenkonferenz zwischen Bund und Ländern wurde am Montag, dem 6. November, über die Fortsetzung des Deutschlandtickets im Jahr 2024 gesprochen, nachdem nun wochenlang in den Medien darüber spekuliert wurde, dass es 2024 keine Fortsetzung finden könnte, weil die Finanzierung nicht geklärt wäre. Und dann gab’s doch noch einen dieser schwer errungenen Kompromisse, mit denen am Ende keiner wirklich zufrieden ist. Aber es geht weiter.

„Es ist gut, dass es nun Klarheit über das Deutschlandticket gibt. Als Bündnisgrüne freuen wir uns darüber, dass dieses erfolgreiche Modell fortgesetzt wird. Es ist uns schon immer ein Herzensanliegen, nachhaltige Mobilität zu unterstützen. Und die Menschen merken es im Alltag: Kein Tarifdschungel mehr, einfach deutschlandweit in Städten und Gemeinden in Bus, Zug oder Straßenbahn einsteigen und unkompliziert fahren“, betonte am Dienstag Gerhard Liebscher, verkehrspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag, die positiven Wirkungen des 49-Euro-Tickets.

„Das Deutschlandticket hat sich innerhalb eines Jahres gut etabliert und wird gut angenommen. Denn es macht öffentliche Verkehrsmittel für viele Menschen attraktiver und bezahlbar. Dieser Weg sollte fortgesetzt werden. Wenn wir Menschen langfristig vom Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel überzeugen wollen, ist Verlässlichkeit das A und O.“

Offen ist noch die Frage, wie lange der Preis so gehalten werden kann oder ob die Nutzer künftig wieder durch steigende Preise für das D-Ticket abgeschreckt werden.

„Ich freue mich, dass der Preis von 49 Euro bis Mai 2024 gesichert werden konnte“, erklärte Liebscher. „In den kommenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern sollte im Fokus stehen, dass der Preis des Tickets im kommenden Jahr stabil bleibt.“

Marco Böhme: Deutschlandticket endlich dauerhaft sichern

In ihrer Verhandlungsrunde haben Bund und Länder vereinbart, ein Konzept für den Erhalt des Deutschlandtickets 2024 zu entwickeln und für die Finanzierung Rücklagen aus diesem Jahr zu nutzen. Ob das Ticket 2025 bestehen bleibt und zu welchem Preis es dann vertrieben wird, ist allerdings unklar, betont der mobilitätspolitische Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Marco Böhme.

„Das Gezerre um das Deutschlandticket muss ein Ende haben“, fordert Böhme. „Es wäre niemandem zu vermitteln, wenn dieses fortschrittliche Ticket wieder entfallen würde. Also müssen alle Beteiligten seine dauerhafte Finanzierung sichern! Das Ticket wäre heute auch schon viel erfolgreicher, wenn es günstiger wäre – dann könnten auch mehr Umsteigeeffekte vom Auto auf die Bahn verzeichnet werden.

Es zeigt die katastrophale Unvernunft der regierenden Verkehrspolitiker, dass jetzt ernsthaft darüber diskutiert wird, das Ticket in den kommenden Jahren deutlich teurer zu machen.“

Ähnlich wie bei den Zusagen für die Regionalisierungsmittel fordert er eine Dynamisierung der Zuschüsse für das Deutschlandticket bis zum Jahr 2030.

„Das Geld ist da, zumal die Zuschüsse für das Deutschlandticket nur einen Bruchteil des deutschen Verkehrsetats ausmachen. Das Ticket hat dennoch eine enorme Wirkung und entlastet viele Menschen. Wenn es endlich gesichert wäre, könnten sich die Verkehrsverbünde auf die wahren Probleme im Nahverkehr konzentrieren: die Angebotsverbesserung und den damit einhergehenden Ausbau der Bus- und Bahnverbindungen“, sagt Böhme.

„Wir haben dazu konkrete Pläne per Gesetzentwurf vorgelegt (Drucksache 7/9942), auch zur preislichen Verbesserung des Deutschlandtickets, wenigstens für Menschen mit schmalem Budget. Nicht einmal das bekommt Sachsen hin – obwohl andere Bundesländer schon lange viel weiter sind!“

Wenn die Länder beim ÖPNV knausern

Mit den Regionalisierungsmitteln finanziert der Bund zwar den auf die Länder übertragenen Schienennahverkehr (SPNV). Aber die betrachten sich – wie Sachsen – oft nur als Zwischenstation für das Geld, ohne ihrerseits noch etwas draufzupacken. Was dann dazu führt, dass am Ende die Kommunen die Hauptlast des ÖPNV tragen müssen.

„Die gestern gefundene Einigung zum Deutschlandticket straft alle Lügen, die in den letzten Wochen der Bevölkerung Angst und Panik eingejagt haben“, sagte am Dienstag Dr. Paula Piechotta, Leipziger Bundestagsabgeordnete der Grünen und Berichterstatterin für den Verkehrshaushalt zum MPK-Beschluss für das Deutschlandticket.

„Das Deutschlandticket mit 11 Millionen Kunden schafft man nicht mal eben ab. Gerade die Bundesländer, die besonders wenig eigenes Geld für den Nahverkehr einsetzen und den Großteil der Kosten bei Bund und Kommune abwälzen, sollten sich endlich wieder darauf konzentrieren, ihre eigenen Hausaufgaben für einen besseren und zuverlässigeren Nahverkehr zu erledigen, statt immer nur auf den Bund zu zeigen.“

Die Finanzierung des Nahverkehrs ist eine originäre Aufgabe der Länder.

Doch die Länder beteiligen sich sehr unterschiedlich an der Finanzierung des ÖPNV. Die Bandbreite bei den eingesetzten Landesmitteln für den SPNV, der in den Zweckverbünden organisiert wird, reichte bezogen auf die letzten Zahlen (2021) von 6,5 % bis 63,4 %. Manche Länder lassen den Bund also weit über 90 Prozent ihrer SPNV-Kosten tragen. Während der Löwenanteil der ÖPNV-Kosten bei den Kommunen verbleibt.

Auch Nahverkehr wird teurer

Immerhin die gute Botschaft: In den letzten Jahren gab es einen massiven Aufwuchs der Bundesausgaben zur Unterstützung des SPNV. Beim Regionalisierungsgesetz gab es mehrere Änderungen in kurzer Abfolge und ein starkes Wachstum der Regionalisierungsmittel aus dem Bundesetat für die Länder: 2015: 7,4 Mrd. Euro; 2020: 11,5 Mrd. Euro; 2021: 10,3 Mrd. Euro; 2022: 14,2 Mrd. Euro (inkl. Mittel für 9-Euro-Ticket und Covid-19-Ausgleich).

Durch das 8. Änderungsgesetz (Aufwuchs Regionalisierungsmittel plus Anhebung der jährlichen Dynamisierung von 1,8 % auf 3 %) gibt der Bund 17,3 Milliarden Euro mehr ins System.

Doch das reicht gerade aus, um die steigenden Kosten in den Zweckverbänden aufzufangen, sagte Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig schon im Februar: „Die Aufgabenträger des sächsischen ÖPNV stehen angesichts der gestiegenen Energiepreise unter enormen Kostendruck. Die ÖPNV-Zweckverbände sowie die kommunalen Spitzenverbände haben für die Jahre 2022 und 2023 erhebliche Mehrbedarfe gemeldet.

Der Anstieg der Kosten für Energie stellt dabei weit mehr als die Hälfte der gestiegenen Kosten dar. Auch wenn die jetzt vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel unter dem von den Ländern geforderten Betrag liegen, haben wir mit den zusätzlichen Regionalisierungsmitteln für 2022 und 2023 die Chance, die Kostensteigerungen und Mehrbedarfe abzufangen, um zumindest das bestehende Angebot zu gewährleisten.

Der Freistaat Sachsen wird die zusätzlichen Regionalisierungsmittel für 2022 und 2023 in diesem Jahr somit vollständig an die kommunalen Aufgabenträger weiterreichen.“

Was schon mal ein Zugeständnis ist. Denn in der Vergangenheit hat der Freistaat einen Teil der Regionalisierungsmittel auch für seine ÖPNV-Finanzierung verwendet. Was in den Kommunen trotzdem keine zusätzlichen Spielräume für den Ausbau des Angebots ergab, der eigentlich überfällig ist, wenn irgendjemand die Mobilitätswende ernst nimmt.

Die kommunalen Mobilitätsanbieter – wie die LVB – sind dringend darauf angewiesen, dass sie mögliche Mehrkosten durch das Deutschlandticket von Bund und/oder Land erstattet bekommen. Und das einfach nur, damit sie mit dem Angebot keine Verluste einfahren.

Bis Mai 2024 ist die Sache jetzt zumindest geregelt. Dann wird das Gefeilsche wohl wieder von Neuem anheben.

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Es gibt 2 Kommentare

Die Verarmungspolitik, lieber User “Tobias”, die verschiedene Bundesregierungen seit Jahrzehnten für passend hielten, hat dazu geführt, daß sich ein gehöriger Teil der Menschen nach den sog. Schnäppchen richtet.

In der CH hat mehr als ein Drittel der Leute ein sog. Halbtax-Abo, das ist ungefähr eine BC50, mehr als ein Zehntel hat ein Abo eines Verkehrsverbundes, und fast ein Zehntel hat ein sog. GA, das ist ungefähr eine BC100. Den Leuten ist schlicht das Geld für die Bilette geblieben (nicht allen, es gibt auch Bettelarme in der CH). Hier in der BRD blieb des Lohnniveau politisch gewollt beträchtlich hinter der Produktivität zurück. Und politisch gewollt ist seit Menschengedenken zudem, daß man die Eisenbahn weithin zusammenstrich und verlottern ließ, woran auch keine mehr oder weniger neuen ICE-Strecken hinwegtäuschen können. Daß man nun mit dem 49€-Ticket, und vor einiger Zeit mit dem 9€-Ticket, letzteres entsprang meines Dafürhaltens einem Notfallplan, den man zur Bei-Laune-Haltung der Menschen aus der Schublade zog, nun auch bei Armen das Verreisen mit dem Nahverkehr erschwinglich machte und macht, bei vielen anderen, etwa Pendlern eigentlich nur Mitnahmeeffekte erzeugt, sind zwei Seiten derselben Medaille.

Ich empfehle, dieses DLF-Interview von letzter Woche nachzuhören: https://www.deutschlandfunk.de/6-monate-deutschlandticket-was-bringt-es-interview-christian-boettger-dlf-f9e887f0-100.html Der HTW-Berlin-Professor Christian Böttger äußert sich rundweg ablehnend zum 49€-Ticket, und ich habe kaum Gegenargumente.

Die Bevölkerungsgruppe unterhalb der oberen Mittelschicht soll halt nicht mobil sein, das ist im Grundgesetz der Auto-kratie Deutschland so festgelegt. Einfache Mobilität ist nur mit mindestens einem PKW zugestanden. Alle anderen müssen kurzgehalten werden und Reisen (die nicht zwischen Schlafstätte und Ausbeutungsplatz stattfinden) maximal unattraktiv gemacht werden.

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