Eine durchaus berechtigte Frage stellte uns ein Leser zum Artikel „Fahrpreiserhöhung im MDV ab 1. August: Linke kritisiert die fehlende Unterstützung für den ÖPNV“. Eigentlich ein ganzes Fragenpaket. Aber im Kern ging es um die Frage: „Wie groß ist der Anteil der Ticketeinnahmen am Umsatz der LVB? Wie viel davon lassen sich dem Deutschlandticket zuordnen?“ Wobei die zweite Frage noch nicht beantwortet werden kann. Das wird erst der Jahresabschluss 2023 können.

Die erste Frage haben wir an dieser Stelle schon mehrfach behandelt. Und sie lässt sich auch beantworten – zumindest bis zum Jahr 2022. Denn dafür haben auch die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ihren Jahresabschluss vorgelegt. Mit der unten zu sehenden Abbildung, die sehr anschaulich zeigt, wie heftig der Einbruch der Fahrgastzahlen mit dem Corona-Jahr auch die Fahrgasteinnahmen der LVB getroffen hat.

Die Entwicklung der Fahrgastzahlen und der Linienerlöse bei den LVB. Grafik: L-Gruppe
Entwicklung der Fahrgastzahlen und der Linienerlöse bei den LVB. Grafik: L-Gruppe

Man sieht den steten Anstieg der Fahrgasteinnahmen bis 2019 auf über 100 Millionen Euro – und dann die Corona-Jahre, in denen vor allem die Einnahmen aus Einzelticketkäufen wegbrachen. Die Abo-Kunden blieben den LVB sogar weitestgehend treu, haben das Unternehmen also auch gestützt, weil sie weiter ihr Abonnement bezahlten, auch wenn sie seltener fuhren.

2022 gab es einen zusätzlichen Einbruch von 84,9 auf 81,9 Millionen Euro, der auch nach Einschätzung des Jahresabschlusses direkt mit dem 9-Euro-Ticket zu tun hat, das im Sommer 2022 für drei Monate galt. Der Bericht stellt eindeutig fest, dass die dafür an die LVB geflossenen Ausgleichszahlungen nicht gereicht haben, um die Finanzierungslücke zu schließen. Das Ticket wurde zwar sehr gut angenommen, senkte aber auch die Abo-Einnahmen, denn auch bei den Abo-Kunden wurden in diesen drei Monaten nur jeweils 9 Euro abgebucht.

Wie sehr das 9-Euro-Ticket die Kalkulationen für 2022 über den Haufen geworfen hat, zeigt der Blick auf die eigentlich erwarteten Verkehrserlöse: Statt 120 Millionen waren es nur knapp über 100 Millionen Euro.

Man kann das auch so interpretieren: Verkehrsunternehmen mit hohen Abonnentenzahlen haben draufgezahlt. Der vom Bund gezahlte Ausgleich hat diese Ausfälle nicht kompensiert. Immerhin haben die LVB knapp 435.000 9-Euro-Tickets verkauft – die Aufmerksamkeit durch das 9-Euro-Ticket aber auch genutzt, um eine besondere Werbeaktion um neue Abo-Kunden zu fahren. Sie nannten das „3 für 2 Aktion“ und konnten damit ihre Stammkundenzahl um 8,5 % auf 175.215 erhöhen. Das ist schon eine Nummer, mit der man arbeiten kann – auch in einer Stadt, in der die Bewohner nur 17,5 Prozent ihrer Wege mit dem ÖPNV zurücklegen.

Ein Wert, der natürlich nur dadurch zu steigern ist, dass der Fahrplan ausgebaut und verdichtet wird und das Netz erweitert wird.

Ohne Zuschüsse funktioniert ÖPNV nicht

Natürlich sind die Fahrgasteinnahmen nicht alles, womit die LVB wirtschaften können. Das würde nicht funktionieren. Die Fahrgasteinnahmen würden nicht einmal ausreichen, um die jährlichen Investitionen zu bezahlen – Reparaturen im Netz, Gleisneubau, neue Fahrzeuge usw. Allein 2022 gaben die LVB dafür 103 Millionen Euro aus.

Was natürlich bedeutet: Der ÖPNV braucht richtige Zuschüsse. Der dickste Posten dabei sind freilich die Erträge aus dem Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrag, der regelt, wie viel Geld die Muttergesellschaft LVV an LVB zahlt – Geld, das aus den Mehrerträgen der Stadtwerke und der Wasserwerke Leipzig stammt. 2022 waren das immerhin 66,3 Millionen Euro, ein deutlich höherer Betrag als in vergangenen Jahren, als dieser Zuschuss aus Konsolidierungsgründen lange auf 45 Millionen Euro gedeckelt war.

Die Zuschüsse aus dem ÖPNV-Rettungsschirm, die oben schon erwähnt wurden, summierten sich 2022 auf 22,7 Millionen Euro. Zu den Verkehrserlösen zählen aber auch noch die Zuschüsse, welche die LVB bekommen, weil sie zum Beispiel Schwerbehinderte, Schüler und Schülerinnen zu geringeren Fahrpreisen transportieren. Das summierte sich 2022 auch schon auf 19,4 Millionen Euro.

245 Millionen Euro ausgegeben

Insgesamt gaben die LVB im vergangenen Jahr 245 Millionen Euro aus. Da stecken auch die Investitionen von über 100 Millionen Euro mit drin, die nur deshalb möglich waren, weil die LVB dafür auch eine Förderung -im Wesentlichen vom Land – von über 60 Millionen Euro bekamen. Ohne das wäre zum Beispiel auch die Beschaffung der neuen Straßenbahnen und E-Busse nicht möglich gewesen.

Für Personalkosten wandten die LVB übrigens 48 Millionen Euro auf. Ein Wert, der noch höher hätte ausfallen müssen, wenn das Unternehmen genug Fahrerinnen und Fahrer hätte finden können.

Tatsächlich aber sank die Zahl der Mitarbeiter/-innen im Fahrdienst von 361 auf 330. Das Problem wird die LVB noch die kommenden Jahre begleiten.

Ansonsten haben die LVB im Jahr 2022 wieder mehr Fahrgäste zurückgewinnen können als geplant. Mit der Lockerung der Corona-Bedingungen hatten sie mit einer Steigerung von 103 Millionen auf 127 Millionen Fahrgäste gerechnet. Aber auch da hat das 9-Euro-Ticket wohl geholfen – am Ende waren es knapp 135 Millionen Fahrgäste. Für 2023 rechnen die LVB nun mit 142 Millionen Fahrgästen.

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Es gibt 5 Kommentare

Guter Punkt, TLpz. Das klingt plausibel. Die städtischen Jobticketnutzer von außerhalb sind wahrscheinlich wirklich echt viele. An die habe ich gar nicht gedacht.

@Leser
Sie vergessen Mitarbeiter von Leipziger Firmen und Behörden, die z. Bsp. auf ein Jobticket zurückgreifen können. Diese sind Kunden der LVB, wohnen aber auch mal in Markkleeberg, Wurzen, Oschatz, Delitzsch oder Borna.

fra: Die Theorie lautet also: 75.000 mutmaßliche Umlandleipziger, die vermutlich eher seltener als Großstädter auf den ÖPNV zurückgreifen, sind LVB-Abonnent statt Kunde beim MDV. Sicher? Oder verstehe die Statistik oder die Theorie falsch?

Interessante Zahlen und ein toller Service, meine Fragen direkt in einem Artikel zu beantworten. Vielen Dank Herr Julke!
Ich denke, in dieser Klarheit wird schnell ersichtlich, wie “sinnvoll” die Fahrpreiserhöhung https://l-iz.de/?p=547797 ist.
Eine Angabe kommt mir merkwürdig vor: Wenn nur 16 % der Leipziger ihre Wege mit dem ÖPNV zurücklegen, wo kommen dann die 175.215 “Stammkunden” der LVB her? Das entspräche immerhin 28 % der Leipziger.

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