Wasserstoff, das chemische Element „H“, ist ein tolles Element. Im gasförmigen Zustand reagiert es mit Sauerstoff zu Knallgas, das gibt tolle Effekte und es können damit sogar Raketen angetrieben werden. In der Verbindung von einem Sauerstoffmolekül (O₂) mit zwei Wasserstoffmolekülen (H₂) entstehen zwei Wassermoleküle (2 H₂O), also eine unserer Lebensgrundlagen und auch sonst ist Wasserstoff chemisch sehr reaktionsfreudig.

Jetzt hat der Wasserstoff eine neue Aufgabe – er soll dazu beitragen, das Klima und damit die Welt zu retten.
Da kann man schon mal träumen, wie unser Verkehrsminister.

Minister Wissing und der Wasserstoff

Am Mittwoch, dem 26. Juli, beschloss das Bundeskabinett die Fortschreibung der nationalen Wasserstoffstrategie und der Bundesminister für Digitales und Verkehr, Volker Wissing, sendete auf Twitter sofort die Nachricht, diese „wird einen enormen Beitrag leisten zur Erfüllung der Bedürfnisse im Güter- und Individualverkehr“.

Das stimmt nicht ganz. Im Dokument, auf Seite 21ff., ist betreffs Verkehr, die Rede vom „Luft- und Schiffsverkehr und für Spezialanwendungen, wie sie etwa im militärischen Bereich anzutreffen sind“, vom Individualverkehr und selbst vom Straßen- und Schienengüterverkehr ist dort nichts zu lesen.
Irgendwie ist der Minister da ins Sommerloch gefallen.

Kurze Einblendung – Farbenlehre

Wasserstoff ist ein farbloses Gas, trotzdem gibt es eine Farbenlehre. Was steckt dahinter?

Es ist, kurz gesagt, eine Frage der Produktion des Wasserstoffs:

Grüner Wasserstoff: Elektrolyse von Wasser mittels erneuerbarer Energien, es entsteht Wasserstoff und Sauerstoff, CO₂-freie Produktion.

Türkiser Wasserstoff: thermische Spaltung von Methan im Hochtemperaturreaktor, es entsteht Wasserstoff und fester Kohlenstoff, CO₂-frei, wenn mit erneuerbaren Energien betrieben und Kohlenstoff dauerhaft gebunden bleibt.

Grauer Wasserstoff: wird aus fossilen Brennstoffen, z. B. Erdgas, gewonnen, es entstehen pro Tonne H2 etwa 10 Tonnen CO₂, die in die Atmosphäre geleitet werden.

Blauer Wasserstoff: wie grauer Wasserstoff, das CO₂ wird aber gespeichert (CSS), wird bilanziell als CO₂-neutral betrachtet, ist aber eine Mogelpackung.

Zurück zum Verkehr – Brennstoffzelle & Co.

Der Einsatz von Wasserstoff in PKW und LKW ist auf zwei Arten möglich. Wasserstoff kann direkt im Verbrennungsmotor als Kraftstoff eingesetzt werden, allerdings in einem modifizierten Verbrennungsmotor. Das zu erklären, würde den Umfang des Artikels sprengen. Wenn von wasserstoffbetriebenen Fahrzeugen die Rede ist, ist meist die Brennstoffzelle gemeint. Korrekt müsste man hier von der Wasserstoff-Sauerstoff-Brennstoffzelle reden.

Nehmen wir also einen PKW mit Brennstoffzellenantrieb, dann ist dieser ein Elektroauto, welches den Strom zum Betrieb des Motors aus gespeichertem Wasserstoff und dem Luftsauerstoff in der Brennstoffzelle erzeugt.

Der Wirkungsgrad der Brennstoffzelle klingt mit ca. 60 % erst mal gut, wenn aber eingerechnet wird, dass der Wirkungsgrad für die Elektrolyse von grünem Wasserstoff zwischen 60 und 70 % liegt, relativiert sich das Ergebnis.

Grob gerechnet, benötigt man für die Produktion von 1 kg (komprimierten) Wasserstoff, mit einem Energiegehalt von 33 kWh, etwa 60 kWh Strom (Mittelwert). Wird dieser dann mittels Brennstoffzelle in Strom umgewandelt, ergibt das etwa 19,8 kWh.

Hier liegt also die Batteriespeicherung vorn.

Kurzfristig ist das Wasserstoffauto wohl keine Alternative zum batterieelektrisch betriebenen, zumal die Kosten für die flächendeckende Wasserstoff-Infrastruktur für den Verkehr enorm wären. Ganz abschreiben sollte man es dennoch nicht.

Wasserstoff bleibt knapp

Wenn wir die Energiewende, also weg von fossilen Energieträgern, ernsthaft vorantreiben wollen, dann benötigen wir einen hohen Zuwachs an Strom aus erneuerbaren Energien. Mit einem Teil desselben, besonders dem zeitweilig überschüssigen, wird grüner Wasserstoff hergestellt, der für die Industrie, für Fernwärmeerzeugung und auch, wie oben beschrieben, im Verkehrssektor verwendet wird. In der Nationalen Wasserstoffstrategie wird dazu ausgeführt:

„Bis 2030 werden Wasserstoff und seine Derivate insbesondere bei Anwendungen in der Industrie, bei schweren Nutzfahrzeugen sowie zunehmend im Luft- und Schiffsverkehr eingesetzt. Im Stromsektor trägt Wasserstoff zur Energieversorgungssicherheit bei; durch auf klimaneutrale Gase umrüstbare Gaskraftwerke (H2-ready) und durch systemdienliche Elektrolyseure, insbesondere als variable und systemdienliche Stabilisatoren bzw. flexible Lasten.“

Für den Individualverkehr bleibt da (fast) nichts übrig – der Wasserstoff bleibt dort „Der Stoff, aus dem die Träume sind“.

Oder, wie Professor Quaschning sagt: „Wasserstoff ist der Champagner der Industriewende. Champagner hat auch eine Berechtigung auf dem Speiseplan, aber nicht als Grundnahrungsmittel.“

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption“ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

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Es gibt 4 Kommentare

Read my lips: Auch wenn man Dinge auf Englisch schreibt, werden sie nicht stichfester. Natürlich gibt es ganz verschiedene Wege, je nach Marktsituation und Rahmenbedingungen.

Ich hätte gar nicht gedacht, dass hier so eine Kritik an der aktuell heiligen Kuh kommen würde. Ich selbst möchte kein Wasserstoff-Fahrzeug fahren, noch kann ich mir ob der geringen Energiedichte und der schwierigen Handhabbarkeit dieses Energieträgers (nötiger Druck der Systeme, winzige Molekülgröße und damit einhergehende Verluste während Lagerung und Transport,…) vorstellen, dass die Kuh halten wird, was sie verspricht. Oder besser: Was zur Zeit in sie hineininterpretiert wird.

Pumpspeicherkraftwerke wären natürlich eine denkbare und größtenteils vorhandene Alternative. Dabei aber bitte auch nicht vergessen, dass sie topographisch natürlich nicht überall Sinn machen, ihre Leistungsfähigkeit oft nicht besonders hoch ist (Beispiel Niederwartha: 120 MW, aktuell 40 MW) und sie auch nicht lange ihre Leistung abgeben können. Ich habe da drei Stunden im Kopf, muss aber nicht stimmen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Pumpspeicherkraftwerken#Deutschland
Wenn, dann sind Pumpspeicherwerke etwas für die Ebene des europäischen Energienetzverbundes, Stichwort Norwegen oder Österreich.

Solange mit großen Fördergeldmengen und großen “wir lassen euch nicht fallen!” Versprechen große Kompetenzzentren in der Lausitz und anderswo errichtet werden, wird es auch genug Fürsprecher für den “grünen Wasserstoff” und seine Farb-derivate geben. Wirkungsgrad und Sinn spielen aktuell eine untergeordnete Rolle. Es werden zur Zeit auch auf sehr vielen Dächern und Balkonen Solarpaneele aufgebaut, die im Laufe ihrer Lebenszeit die in ihnen steckende graue Energie (hab ich die richtige Farbe?) nicht mehr reinholen werden. Einfach, weil sie ungünstig stehen, verschattet werden oder das Dach keine optimale Ausrichtung hat. Es gab Zeiten, da wurden solche “was lohnt sich?” Rechnungen gemacht und das ein oder andere Vorhaben auch negativ bescheinigt, auch im Sinne der finanziellen Amortisation, aber da sind wir heute zum Glück schon wesentlich weiter…

H2 werden in Mobilität und Wärme nicht kommen. Wer ds behauptet verteidigt die Infrastruktur zur Nutzung von fossilen Stoffen…mehr nicht. Es geht hier nicht um technische Nutzbarkeit, sondern um gigantische Investionen, die notwenig wären, die aber die Volkswirtschaft nicht aufbringen kann. Ganz abgesehen von dem Irrsin, dass grüner Strom ca 30% Energie verliert bei der Trasnformation in H2…und dann bei der Verbrennugn von H2 nochmals ca30% Abwärme entsteht (die evtl. in Fernwärme genutzt werden könnte – davon habe ich aber noch nirgends was gelesen). Strom direkt in eAutos und Wärmepumpen (1KW rein > 4-5 KW raus) zu nutzen is the only way !!!!

@Sebastian
Wasserstoff ist tot. Es wird aus Kostengründen niemals zu einem nennenswerten Einsatz kommen. Der Grund steht auch im Text: Man benötigt zur Herstellung von Wasserstoff sehr viel Strom. Selbst wenn Strom mal zu viel sein sollte, ist es kostengünstiger in Akkus und Pumpspeicherkraftwerken zu speichern. Wenn es anders wäre, hätten wir schon jetzt in Massen grünen Wasserstoff zur Verfügung. Grüner Wasserstoff ist allerdings eine Rarität. Je nach Quelle macht der grüne Wasserstoff an der Gesamtproduktion zwischen 1 und 5% aus.

Danke für die Erklärung, was es so an Bezeichnungen für den unterschiedlich produzierten Wasserstoff gibt. Wieder was gelernt. –
Abseits der theoretischen Überlegungen mit Formeln und Vergleichen denke ich, dass es für Autos Wasserstoff geben wird, wenn das gekauft wird / so verkauft werden kann. Ob ein mobiles Physiklabor, bestehend aus Elektromotor(en), Getriebe, Wechselrichter, Pufferakku, Brennstoffzelle, Dosiersystem und Wasserstofftank soviel sinnvoller ist als ein herkömmlicher Verbrenner, betrieben mit synthetischem Treibstoff, wird sich zeigen. Aus der Fragestellung “was macht Sinn?” heraus gibt es da sicher die ein oder andere kontroverse Betrachtung. Gerade, wo die aktuellen Verbrenner ja auch schon fahrende Chemielabore sind, wenn ich da an die Abgasnachbehandlung denke.

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