Jahrelang wurde der ÖPNV in Leipzig auf Kante gespart, gab es – nach den Streckenausdünnungen der Jahre 2000 ff. – praktisch keine Pläne für den Ausbau des Streckennetzes. Ein Thema, das Jens Herrmann-Kambach schon als Stadtrat der Linken beschäftigte und aufregte. Am 19. April soll die Ratsversammlung nun über eine dringend notwendigen 20-Millionen-Euro-Zuschuss für die LVB entscheiden. Da haben dann Jens Herrmann-Kambach und Beate Heinze doch ein paar Fragen.

Denn eigentlich hat die Leipziger Ratsversammlung das nachhaltige Mobilitätskonzept für die Stadt beschlossen, mit deutlich höheren Investitionen in den ÖPNV. Doch ein Blick in die Planungen der LVB zeigt, dass sich die Erweiterungspläne zeitlich immer mehr strecken und verzögern. Von einem wirklich entschlossenen Ausbau des Gleisnetzes der Straßenbahn ist nichts zu sehen.

Stattdessen rumort es im konservativen Teil des Stadtrates und versuchen einige Stadträte selbst, die ersten zaghaften Ansätze eines Umbaus des Verkehrsnetzes auszubremsen.

„Die Anforderungen an den öffentlichen Personennahverkehr in der Stadt Leipzig sind u. a. aufgrund des Klimanotstandes, der angedachten Verkehrswende, des Arbeitsmarktes sowie der Anforderungen auf Bundes- und Landesebene enorm“, stellen Beate Heinze und Jens Herrmann-Kambach in ihrer Einwohneranfrage fest.

„Jedoch ist die Finanzierung dieser aus unserer Sicht nicht ausreichend. Deshalb hat die Betriebsversammlung des 3er Betriebsrates LeoBus, LSVB, LVB am 09. November 2022 eine Petition an den Stadtrat Leipzig, an den Sächsischen Landtag sowie an den Deutschen Bundestag verabschiedet. Der Konzernbetriebsrat der LVB hat sich dieser Petition am 11.11.2022 angeschlossen.“

Die Petition vom November 2022

In der Petition wurde gefordert:

– ein abgestimmtes Vorgehen von Bund, Land und Kommune bei der Umsetzung der Klima- und Verkehrswende
– die Schaffung der finanziellen Voraussetzung für nachhaltige Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeuge sowie in die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten der ÖPNV-Branche
– die kurzfristige Einberufung eines ÖPNV-Gipfels auf Bundesebene mit Vertretern der Länder, Kommune, der Unternehmen, der Gewerkschaften und der Betriebs- und Personalräte der ÖPNV-Betriebe.

„In der Zwischenzeit sind mehrere Monate vergangen. In dieser Zeit wurde u. a. die Einführung des 49,- € Tickets zum 01. Mai 2023 auf Bundesebene beschlossen. Es gab aber auch massive Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaften im ÖPNV, welche auch auf die nicht zufriedenstellende Attraktivität der Arbeitsplätze im ÖPNV aufmerksam machten“, stellen Heinze und Herrmann-Kambach fest.

„Umso mehr freute es uns, dass der Stadtrat Leipzig auf Vorschlag des Oberbürgermeisters am 19.04.2023 einen weiteren finanziellen Zuschuss in Millionenhöhe an die Leipziger Verkehrsbetriebe für die Jahre 2023 und 2024 beraten und ggf. beschließen wird. Gerade für Letzteres sind wir der Stadt Leipzig dankbar.“

Wäre da nicht das gewichtige Aber: „Dies ist jedoch trotz der Höhe keine nachhaltige Lösung des finanziellen und personellen Defizits des ÖPNV in Leipzig, in Sachsen, in Deutschland. Daher halten wir an unseren Forderungen in unserer Petition vom 09.11. bzw. 11.11.2022 fest und sind entsetzt, dass bisher auf unsere Petition außer Eingangsbestätigungen keine Reaktion erfolgte.“

Was eben auch bedeutet: Es wurde noch kein Verwaltungsstandpunkt dazu erarbeitet. Und der Petitionsausschuss hat sich auch noch nicht damit beschäftigt.

Fragen für die Mai-Ratsversammlung

Dass sie schon am 19. April umfassende Antworten bekommen könnten, erwarten Heinze und Herrmann-Kambach gar nicht. Sie wünschen sich in der Mai-Ratsversammlung aussagekräftige Antworten auf die Fragen, die sie jetzt gebündelt haben:

1. Warum wurde die Petition des 3er-Betriebsrates LSVB, LeoBus, LVB bzw. des Konzernbetriebsrates der LVB-Gruppe bis heute nicht auf die Tagesordnung der Ratsversammlung gesetzt?
2. Steht die Stadt Leipzig hinter den Forderungen unserer Petition?
3. Inwieweit wurden die Forderungen aus unserer Petition schon durch Vertreter der Stadt Leipzig gegenüber Bund und Land vorgetragen und welche Reaktionen erhielt sie daraufhin?
4. Ist die Stadt Leipzig bereit zeitnah, ggf. gemeinsam mit anderen Kommunen, zu einem ÖPNV-Gipfel, wenn der Bund weiterhin nicht handelt, einzuladen?

Denn die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen nun einmal auch, dass die Kommunen allein den Ausbau des ÖPNV nicht finanzieren können. Da sind zwingend Bund und Land mit in der Pflicht. Erst recht vor dem Hintergrund des 49-Euro-Tickets, das für viele Menschen ja erst nutzbar wird, wenn ihr Wohnort auch einen attraktiven ÖPNV-Zugang besitzt. Und das geht nun einmal auch schon in vielen Leipziger Ortsteilen in Stadtrandlage los – alles heftig diskutiert bei der Verabschiedung des Nahverkehrsplans im Jahr 2019.

Auch das eine Jahreszahl, die zeigt, wie zeitverschlingend die Prozesse beim Ausbau des ÖPNV in Leipzig sind.

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