Es ist so ein schönes Beispiel dafür, wie verklemmt der deutsche ÖPNV organisiert ist. Und wie dringend es ein bundesweit einheitliches Ticket nach dem Vorbild des 9-Euro-Tickets braucht, das ja nun wahrscheinlich mit dem 49-Euro-Ticket einen Nachfolger findet. Die Linksfraktion im Leipziger Stadtrat hatte im September beantragt, in Leipzig mal ein richtiges Kombiticket für den Zoo auf die Beine zu stellen. Das aber wäre zu teuer, stellt die Stadt fest.
Es wäre eine Lösung aus dem alten Denken heraus. Altes Denken in dem Sinn: Für jede zusätzliche Leistung wird erst mal ein Preis ausgerechnet. Bevor der nicht bezahlt ist, gibt’s keine zusätzliche Leistung. Also blankes neoliberales Denken, wie es in Deutschland seit 32 Jahren den Ton angibt.
Aber eben auch dafür sorgt, dass ÖPNV „sich nicht rechnet“, Nutzer der Angebote am Tarifwirrwarr verzweifeln und das Angebot aus nicht nachvollziehbaren Gründen überall an provinziellen Tarifgrenzen endet.
Beantragt hatte die Linksfraktion: „Der Oberbürgermeister weist den Zoo Leipzig per Gesellschafterbeschluss an, mit der LVB über die Integration eines LVB-Tickets in die Eintrittskarte zu verhandeln. Ziel ist es, dass (analog zu Gewandhaus und Oper) die Fahrkarte für die Zone 110 für die An- und Abfahrt vom/zum Zoo bereits in der Eintrittskarte integriert ist. Über das Verhandlungsergebnis wird im Verwaltungsausschuss bis spätestens zum 31.03.2023 berichtet.“
Nur am LVB-Automaten
Eigentlich gibt es schon ein solches Kombiticket. Aber irgendwie nur für Touristen hatte die Linksfraktion festgestellt: „Seit nunmehr 11 Jahren gibt es das Zoo-LVB-Komibticket. Trotz dessen langen Bestehens ist das Ticket fast unbekannt.
Auch, weil es vom Zoo Leipzig nicht beworben wird. Auf der Webseite des Leipziger Zoos gibt es keinerlei Hinweise auf das angebotene Kombiticket. Ausschließlich am LVB-Fahrkartenautomaten und auf der LVB-Webseite findet sich ein Hinweis zu diesem Ticket.“
Stimmt. Aber: Auch auf der Homepage der LVB muss man danach erst suchen.
Beworben mit diesen saftigen Worten:
„Leipzig hat viele Attraktionen. Ein echtes Highlight ist der Leipziger Zoo. Den solltest du bei deinem nächsten Leipzig-Besuch in jedem Fall fest einplanen. Du wirst dabei eine kleine Weltreise machen: Du wirst hunderte Tierarten von allen Kontinenten bestaunen und spürst das tropische Gondwanaland mit allen Sinnen. Damit du es besonders bequem und einfach hast, kannst du an unseren stationären LVB-Automaten kombinierte Eintritts- und Fahrkarten erwerben.“
Aber nur für Leipzig-Besucher? Die Linksfraktion hat da so ihre Bedenken:
„Auch hier wird allerdings nur unter Touristentickets auf das Ticket aufmerksam gemacht. Viele der Besucherinnen und Besucher kommen jedoch auch aus Leipzig. Daher wäre eine generelle Integration des LVB-Tickets in die Zoo-Eintrittskarte sehr wünschenswert. Bei anderen städtischen Einrichtungen wie der Oper und dem Gewandhaus wird dies seit Jahren praktiziert.
Wir plädieren für eine komplette Überarbeitung des derzeitig angebotenen Tickets, da dies bisher wenig attraktiv erscheint. Während man für den Parkplatz im Parkhaus am Zoo einen Tagespreis von 6,- € bezahlt, wird schon für einen Erwachsenen beim Kombiticket ein Preis von 4,50 € für die Hin- und Rückfahrt verlangt. Ein Angebot für Familienkarten gibt es derzeit überhaupt nicht.“
Da staunt der Autofahrer genauso wie der ÖPNV-Nutzer: Umweltfreundliches Straßenbahnfahren erweist sich mal wieder als teurer. Irgendetwas stimmt da nicht.
Parken im Parkhaus billiger als Straßenbahnfahren
„Die Integration des LVB-Tickets sollte dazu führen, dass sich die Kosten pro Person reduzieren“, meint die Linksfraktion.
„Außerdem wäre sie ein Beitrag für die Verkehrswende, da eine Anfahrt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln preiswerter wird. Ein weiteres Ziel ist, den Parkplatzsuchverkehr im Viertel zu reduzieren. Zudem ist das Parkhaus im Sommer oft überfüllt und sorgt so für langen Rückstau auf der Pfaffendorfer Straße. Dieser könnte, wenn sich viele für die Anreise mit dem Auto entscheiden, vermieden werden.“
Und wie sieht das die Stadt?
Stellung genommen hat jetzt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau, weil, die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) irgendwie in dessen Ressort fallen.
Die Stellungnahme der Stadt zum Zoo-Kombiticket.
In der Antwort aber wird deutlich, wie schizophren die bisherige ÖPNV-Politik in Deutschland war – und eben noch ist. Denn zuerst müssen die nun einmal lokal Verantwortlichen darüber reden, wer für die mutmaßlichen Mehrkosten aufkommt.
Denn man verhandelt tatsächlich schon:
„Die LVB und der Zoo befinden sich derzeit in Gesprächen mit dem Ziel einer nachhaltigen Integration eines Kombitickets, insbesondere für Sonderveranstaltungen des Zoo Leipzig. Hierbei verfolgen die LVB gemeinsam mit dem Zoo Leipzig das Engagement, die Nutzungsintensität des öffentlichen Nahverkehrs von Zoo-Besuchern zu erhöhen. Denn es gibt zwar bereits seit mehr als zehn Jahren das ‚ZOO Leipzig ÖPNV Ticket‘’ – welches den Zutritt zum Zoo innerhalb der Tarifzone 110 (Leipzig) oder nach Bedarf auch des gesamten Gebietes der Mitteldeutschen Verkehrsverbundes mit der ÖPNV-Nutzung verbindet – jedoch bewegt sich das Absatzvolumen (da aus technischen Gründen auf stationäre Fahrausweisautomaten begrenzt) auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau.“
Das kostet extra
Aber während Autofahren in Deutschland keine Grenzen kennt, ist der ÖPNV zur kleinteiligen Angebotsverknappung gezwungen. Lokale Verkehrsverbünde sitzen dann jedes Jahr da und rechnen durch, was ihnen der Betrieb kostet und wo sie die Fehlbeträge herbekommen. Da entstehen die unüberwindbaren Tarifgrenzen von ganz allein. Auch im Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV).
„Prinzipiell unterliegen die Preisgestaltung und der Geltungsbereich von Kombitickets den Grundsätzen des MDV-Tarifs und werden zwischen den Verkehrsunternehmen und dem jeweiligen Vertragspartner geregelt“, beschreibt das Verkehrsdezernat das bürokratische Dilemma, wenn man dann Kombitickets mit Veranstaltern und Nahverkehr hinbekommen möchte.
„Die finanziellen und datenschutzrelevanten Rahmenbedingungen für eine Implementierung der Fahrtberechtigung auf den Tickets der Sonderveranstaltungen unterliegen einer noch zu erfolgenden Analyse. Dies schließt die Prüfung technischer, organisatorischer und rechtlicher Voraussetzungen sowie eine entsprechende Vorlaufzeit auf beiden Seiten mit ein (z. B. Systemkonnektivität, Schnittstellen- und Folge-/Wartungskosten, Preise und Gültigkeiten/Geltungsbereich).“
Und irgendwie entsteht dann ja eine Differenz, wenn man mit Festivalticket auch die Tram benutzen darf.
Wer bezahlt das?
„Aus finanzieller Sicht wäre insbesondere zu klären, wer die Kosten trägt bzw. ob und in welcher Höhe möglicherweise städtische Zuschüsse notwendig wären. Eine interne Finanzierung ohne Umlage auf das Eintrittsticket des Zoos ist betriebswirtschaftlich für den Zoo Leipzig nicht darstellbar“, stellt das Verkehrsdezernat fest und benennt dann auch gleich eine Summe: „Dies würde eine Zuschusserhöhung der Stadt Leipzig in einer Größenordnung von ca. 2 bis 3 Millionen Euro bedeuten.“
Was wir an dieser Stelle einfach mal bezweifeln, denn egal, ob es Zoo-Sonderveranstaltungen gibt oder normalen Zoo-Betrieb: Es fahren dafür keine Extra-Bahnen. Die Zoo-Besucher kommen mit dem ganz normalen LVB-Fahrplanangebot hin. Das heißt: Ein ÖPNV-Aufschlag im Zoo-Sonderticket würde die Einnahmen der LVB sogar erhöhen.
Die Sache mit dem Online-Kauf
Zumindest dann, wenn man die Zoo-Besucher dazu animiert, ihr Kombiticket schon vorher zu kaufen und nicht erst, wenn sie mit dem Auto bis ins Zoo-Parkhaus gefahren sind.
Aber irgendwie klemmt es da in den Entscheider-Etagen, diesen Gedanken einfach auch umzusetzen. Das Verkehrsdezernat:
„Im Vergleich zur Nutzung von Gewandhaus und Oper (wo bei naturgemäß begrenzter Platzkapazität Tickets i.d.R. im Voraus erworben werden) ist beim Zoo zudem ein anderes Ticketkaufverhalten (Tickets werden stärker erst vor Ort beim Eintritt erworben) gegeben. Die Integration einer LVB-Fahrkarte in die Zoo-Eintrittskarte ist demzufolge nur mit erheblicher Vorlaufzeit umsetzbar.“
Da lohnt sich dann der Blick auf die Homepage des Zoos, wo sich natürlich auch die meisten Zoo-Besucher von außerhalb informieren. Und da sieht man einen der Gründe dafür, warum die Leute ihre Tickets dann meist erst am Zoo-Eingang kaufen: Das Kombiticket wird selbst als Online-Ticket beim Zoo nicht mal angeboten.
Hier geht es also eher nicht um „Vorlaufzeit“, sondern um Aufwachzeit für einige Verantwortliche, die sich immerzu darüber wundern, warum ausgerechnet Zoo-Besucher erst bis zum Zoo fahren, um dort Schlange für ihr Ticket zu stehen.
„Die Verwaltung unterstützt die laufenden Gespräche zwischen LVB und Zoo und berichtet dem Stadtrat über das Ergebnis, ob und wie bzw. unter welchen Bedingungen die Weiterentwicklung des Tarifsystems im Sinne eines Kombitickets, insbesondere für Sonderveranstaltungen des Zoo Leipzig, erfolgen kann“, betont das Verkehrsdezernat noch.
Aber selbst das ist sogar noch im alten Stil gedacht.
Darauf weist das Verkehrsdezernat in seiner Stellungnahme auch hin: „Darüber hinaus wird empfohlen, die aktuell politisch diskutierte Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket abzuwarten, da bspw. mit einem möglichen 49-Euro-Ticket ohnehin eine deutliche Absenkung der ÖPNV-Tarife gegeben wäre.“
Keine Kommentare bisher
Dass die LVB Geld bekommt für alle verkauften Kombi-Tickets ist ja logisch.
Aber, wie auch im Artikel angesprochen, entstehen keine Kosten bei der LVB, wenn ein Kombi-Ticket verkauft wird. Wie soll das auch gehen?
Schlimm, diese Denkweise. Genauso war die Argumentation beim 9 € Ticket – weil es billiger wurde, entstehen dadurch Kosten. Hä?
Ich kann das echt nicht nachvollziehen.