Selbstverständlich geht es heute um Menschen, die sich in der unserer Gattung eigenen Form fortbewegen, also umgangssprachlich Fußgänger. Ich möchte hier aber gleich die Barrierefreiheit mit abhandeln, denn ob mit Gehhilfen, mit Rollator oder im Rollstuhl bei körperlichen Einschränkungen, oder auch bei sensorischen oder geistigen Einschränkungen, Barrierefreiheit tut niemandem, der im Vollbesitz aller Kräfte und Sinne ist, weh.

Im Falle von Menschen, die mit Kinderwagen oder schwerem Gepäck unterwegs sind, kommt die Barrierefreiheit diesen sogar zugute.

Ein klein wenig Historie

In früheren Zeiten waren die städtischen Straßen für alle da, was mit sich brachte, dass Menschen, die zu Fuß unterwegs waren, durch Matsch, Fäkalien und anderen Unrat laufen mussten.

Irgendwann legten, oder ließen legen, Menschen aus den besseren Kreisen Holzbohlen am Rande der Bebauung aus, damit sie nicht ständig ihr Schuhwerk ruinierten. Wahrscheinlich kommt daher der Begriff Bürgersteig, in Armenvierteln gab es das schließlich nicht.

Später wurden dann Fahrweg und Gehweg räumlich getrennt, der Gehweg wurde erhöht und am fahrwegseitigen Rand der Erhöhung wurde das Schnittgerinne eingerichtet. Dieses diente zum Abfluss von Regenwasser und Unrat.

In Leipzig wurden die Gehwege gern mit dem sogenannten Mosaikpflaster, das sind Granitwürfel mit ca. 6–8 cm Kantenlänge, gepflastert. Ich erinnere mich, dass Anfang der 1960er Jahre bei uns in der Straße stets im Frühjahr ein Mann mit Fahrrad und mit sandgefülltem Anhänger kam.

Hatte sich im Pflaster eine Senke gebildet, nahm er die Steine heraus, füllte Sand auf und setzte die Steine wieder ein. Damit war spätestens Mitte der 1960er Schluss, das sieht man den Gehwegen heute oft an.

Die vergessene Verkehrsart

Warum nenne ich den Fußverkehr so? Ab den 1970er Jahren wurde sich, abgesehen von Neubaugebieten, auf den Straßenbau konzentriert. Das geht bis heute so, nur sind, zugegeben zu wenige, Radverkehrsanlagen dazugekommen. Besonders merkt man das oft bei Sanierungsmaßnahmen.

Ein aktuelles Beispiel ist die Permoserstraße zwischen Torgauer Straße und Elisabeth-Schumacher-Straße. Diese wurde im Sommer 2022 aufwendig saniert, also der Fahrweg. Der Gehweg, stadtauswärts linksseitig, war im Zuge der Baumaßnahme teilweise gesperrt, wurde aber nicht angefasst. Der Radweg übrigens auch nicht, soweit ich sehen konnte.

Fußweg in der Permoserstraße. Foto: Thomas Köhler
Fußweg in der Permoserstraße. Foto: Thomas Köhler

Ein anderes Beispiel findet sich in Leipzig-Grünau. Auf der Ratzelstraße, in der theoretischen Verlängerung der Karlsruher Straße, befindet sich eine Bedarfsampel für zu Fuß Gehende. Im Zuge der Baumaßnahmen war und ist momentan noch die Ratzelstraße einseitig gesperrt, die Bedarfsampel wurde abgebaut und es scheint, dass mit Freigabe der Straße eine neue aufgebaut wird, die Masten stehen schon.

Der Überweg ist vorbildlich barrierefrei, mit abgesenktem Bordstein. Dieser führt bei Regen aber leider in ganzer Breite in eine große Pfütze auf der Fahrbahn. Das Bild wurde nach Ablaufen des Wassers gemacht, die dunkle Stelle kennzeichnet die Pfütze. Hätte, bei ordentlicher Planung, das nicht in der Zeit der Sperrung repariert werden können?

Fußweg in der Ratzelstraße. Foto: Thomas Köhler
Fußweg in der Ratzelstraße. Foto: Thomas Köhler

Aber scheinbar geht es ja nur um zu Fuß gehende Menschen, mit oder ohne Behinderungen.

Leipzig und der Fußverkehr

Die gute Nachricht ist, im Rahmen der Mobilitätsstrategie 2030 gibt es auch eine Fußverkehrsstrategie. Nach dieser soll ein Fußverkehrsentwicklungsplan noch 2022 beschlossen werden. Es fand dazu auch eine Bürgerbeteiligung statt und es wurde ein externes Gutachten „Stadtraumkonzept erweiterte Innenstadt“ in Auftrag gegeben.

Die schlechte Nachricht ist, auch auf der Tagesordnung der letzten Ratsversammlung findet man diesen Plan nicht. Hoffen wir auf 2023.

Es lässt sich aber vermuten, dass die Fußverkehrsstrategie wieder mit Promenaden, Magistralen und anderen, selbstverständlich wirklich wichtigen Schwerpunkten beginnt. Beispielhaft sei hier die Sanierung der Petersstraße benannt, die nun nach 2006 erneut im Jahre 2023 ein neues Pflaster bekommt. Die Gründe dafür möchte ich hier nicht benennen.

Keine Priorität

Die Gehwege in den Wohngebieten, auf denen Menschen zu Fuß zu den oft barrierefrei ausgebauten Haltestellen des ÖPNV oder zum Einkaufen im Viertel gehen, fallen wahrscheinlich wieder hinten runter.

Diese wären aber sehr wichtig für die Mobilitätswende. Zum Ersten kommt es dort oft zu Parkverstößen, wie Gehwegparken oder Zustellen von abgesenkten Bordsteinen, was die zu Fuß Gehenden behindert.

Zum Zweiten lädt der Zustand, gerade Menschen mit Behinderungen, Menschen mit Kinderwagen oder auch mit schwerem Gepäck, nicht zum zu Fuß gehen ein, eher davon aus. Es gibt auch Menschen, die sagen: Bevor ich mir auf dem Weg zur Straßenbahn die Beine breche, nehme ich lieber das Auto.

Bei Regen oder Schnee wird das noch schlimmer, man muss geradezu geländetauglich sein, um einige Gehwege zu benutzen.

Fazit

Wir brauchen dringend eine Fußverkehrs-Ausbau-Strategie, die stadtweit die Gehwege erfasst, analysiert und Prioritäten zuordnet. Diese muss dann schnellstmöglich umgesetzt werden. Des Weiteren muss dazu ein Instandhaltungskonzept erarbeitet werden, es hilft nichts, einmal zu sanieren und dann Jahre später zu staunen, dass wieder Schäden da sind.

Klar ist, das geht nicht von heute auf morgen – es dauert Jahre. Es ist aber an der Zeit, nicht nur zu reden, sondern anzufangen.

Nicht vergessen: Barrierefreiheit im Verkehr fängt beim Gehweg an.

Der Beitrag entstand im Rahmen der Workshopreihe „Bürgerjournalismus als Sächsische Beteiligungsoption‘ – gefördert durch die FRL Bürgerbeteiligung des Freistaates Sachsen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Nur vielleicht noch eine sehr kleine Ergänzung: “Lebe gerecht, schätze jeden.” Dieser Sinnspruch passt wie ich finde auch hier genau. (yogi mhd sept)

Schreiben Sie einen Kommentar