Da kommt mit dem Jahresbeginn 2023 was auf die Fahrgäste der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) zu. Schon jetzt zeugen davon diverse Aufkleber an verschiedenen Straßenbahnen: „Ab Januar 2023 gilt: Bitte rechtzeitig den Haltewunschtaster drücken.“ Das ist das Knöpfchen, mit dem man das Öffnen der Türen an den Haltestellen auslöst. Aber eben auch den Fahrer informiert, dass er an der Haltestelle stehen bleiben sollte. Hoppla! Galt das bis jetzt nicht nur für Busse?

Muss man jetzt auch in der Straßenbahn aufpassen, dass man nicht zu spät das blaue Knöpfchen drückt und die Bahn dann einfach durch die Haltestelle brettert, an der man aussteigen wollte?

Ja, bestätigt Marc Backhaus, Pressesprecher der LVB, auf Nachfrage.

„Wie bereits im Leipziger Busverkehr seit vielen Jahren üblich, führen die Leipziger Verkehrsbetriebe zum 2. Januar 2023 auch im Straßenbahnverkehr den sogenannten Bedarfshalt ein. Die Einführung dieser Regelung ist in Leipzig durch den erreichten Modernisierungsstand bei den Stadtbahnfahrzeugen möglich und gilt für das gesamte LVB-Liniennetz“, erklärt er.

So langsam verschwinden auch die letzten Tatra-Straßenbahnen aus dem Linienangebot. Denn bei ihnen nutzt ja das frühzeitige Betätigen des Tasters nichts. Erst wenn die Bahn steht, löst das Betätigen des Tasters die Türen aus. Bei den moderneren Bahnen „merkt“ sich das System den Haltewunsch und die Türanzeige leuchtet rot oder grün oder weiß, bis der Fahrer / die Fahrerin die Türen freigibt.

Ohne „Haltewunsch“ fährt die Bahn durch

Dass nun das Betätigen des „Haltewunsch“-Knopfes auch gleichzeitig bedeutet, dass der Fahrer die Bahn in der nächsten Haltestelle auch anhält, ist neu.

„Weit im Vorfeld und während der Einführungsphase informieren die LVB ihre Kunden umfangreich und aufmerksamkeitswirksam über diese neue Regelung“, kündigt Marc Backhaus an.

„Neben den Türaufklebern werden wir in den kommenden Tagen mittels Plakaten in den Fahrzeugen und Haltestellen, per Fahrgast TV-Spots, über unsere Social Media Kanäle, per Meldungen auf unseren Digitalen Haltestellenanzeigen und mittels Durchsagen in unseren Fahrzeugen an die Öffentlichkeit gehen und damit unsere Fahrgäste entsprechend sensibilisieren.“

Extra eingerichtet haben die LVB auch eine Website, die über die Veränderung informiert: www.L.de/haltewunsch.

Und wer bislang immer abwartete, bis die Bahn in der Haltestelle angehalten hatte, und dann erst drückte, sollte jetzt wohl doch lieber umlernen. Denn der könnte dann verblüfft erleben, dass die Bahn einfach durchrauscht. Und auch Wartende an Haltestellen sollten künftig gut sichtbar dastehen.

„Die Regelung bedeutet, dass künftig die Straßenbahnen an den Haltestellen nur noch stoppen werden, wenn Fahrgäste  auch ein- oder aussteigen möchten. Hierzu ist es künftig notwendig, dass Mitfahrwillige sich für unser Fahrpersonal gut sichtbar an der Haltestelle positionieren“, erklärt Backhaus.

„Wer aussteigen möchte, sollte wiederum rechtzeitig die Haltewunschtaste drücken. Diese Taster sind in den Stadtbahnfahrzeugen in ausreichender Anzahl und gut erreichbar vorhanden.“

Energie sparen und Zeit gutmachen

Er betont aber auch: „Für viele unserer Fahrgäste sind diese Verhaltensweisen bereits heute gelebte Praxis; zumal dies in anderen Großstädten (Dresden, Erfurt, Magdeburg etc.) auch seit längerem etabliert ist.  Die LVB-Straßenbahnfahrer werden, in der Einführungsphase, mit entsprechender Umsicht, den Bedarfshalt anwenden.“

Mit der Veränderung verfolgen die LVB vor allem Energieeinsparziele. Denn wenn die Bahn nicht mehr in jeder Haltestelle halten muss, wird zum Beispiel durch wegfallende Anfahrvorgänge Energie – sprich: Strom – eingespart. Denn gerade beim Anfahren ist der Energieverbrauch der Bahnen am höchsten.

Eingespart wird aber auch die Energie für das Öffnen der Türen. Oder gar das Öffnen aller Türen, das ja in der dicksten Corona-Zeit schon regulär für alle Haltestellen galt. Das Türenöffnen ist aber auch ein Vorgang, der auch noch weitere Energie frisst – nämlich die Heizenergie in den Fahrzeugen.

Bleibt die Bahn geschlossen, weil keiner ein- oder aussteigt, entweicht auch – gerade bei den derzeit frostigen Außentemperaturen – keine erwärmte Luft. Dasselbe gilt für die durch die Klimaanlage abgekühlte Luft im Sommer.

Und die LVB erhoffen sich dadurch, dass die Straßenbahnen künftig an Haltestellen nicht mehr halten, an denen niemand ein- oder aussteigen will, eine Stabilisierung im Fahrplan und eine Verkürzung der Reisezeiten.

Dann könnten die eingesparten Halte gerade auf den Außenstrecken, wo weniger Fahrgäste ein- und aussteigen, die Verzögerung im inneren Stadtgebiet ein bisschen abpuffern, die dadurch entstehen, dass die Bahnen dort im stockenden Verkehr stecken bleiben oder minutenlang nicht aus der Haltestelle herauskommen.

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Es gibt 2 Kommentare

@Ande lou
> Immerhin ist die LVB wahrscheinlich der teuerste ÖPNV-Anbieter im Lande D…. Ich nehme als Beispiel gern den MVV, der dagegen das reinste Paradies ist … und dazu noch günstiger

Gefühlt ist der ÖPNV- Anbieter der Heimatstadt immer der teuerste und woanders ist es immer billiger und besser. Gefühlt fallen aktuell auch immer nur beim Haus- ÖPNV- Anbieter Fahrten krankheitsbedingt aus, alle anderen VUs in Deutschland schaffen das trotz 10 Mio. Kranker. Grundsätzlich ist immer die Frage, wieviele kommunalen Zuschüsse die Verkehrsunternehmen erhalten bzw. welche Leistungen beauftragt und bezahlt werden. In Leipzig wurden diese jahrelang gedeckelt und erst vor kurzem auf Bestreben des Stadtrates erhöht.
Btw: Einzelfahrten sind im MVV teurer, außerdem sind Rückfahrten nicht gestattet.

> Was jedoch passiert, wenn dann soviel Zeit eingespart wird, dass die Bahnen und Busse ZU FRÜH an einer Haltestelle vorbeikommen? Und ich noch nicht da bin? Muß ich mir jetzt soldatische „Pünktlichkeit“ angewöhnen, nach der ich „5 min vor der Zeit“ an der Haltestelle zu erscheinen habe?

Keine Angst, das wird nicht passieren. Zumindest nicht in Dimensionen dass man wesentlich eher an einer Haltestelle stehen müsste. Ansonsten muss man sagen: Ja, 5 min vor Abfahrt sollte man an der Haltestelle stehen.

> Ich habe immer gedacht, dass der ÖPNV eine Dienstleistung erbringt, für die ich ein Beförderungsentgelt entrichte. So aber wird das Prinzip dem Kunden zu dienen fies umgekehrt!

Ist es immer noch. Allerdings fährt die Bahn nicht wenn DU zur Haltestelle kommst, sondern im besten Fall nach Fahrplan.

Dass ich mal der Erste bin, wow!

Diese Warnhinweise habe ich auch schon wahrgenommen und dass, obwohl ich nur im
äußersten Notfall die LVB nutze (Preis und Pünktlichkeit sind ja seit Jahren ein sehr schlechter Witz). Und prompt dachte ich, dass man wohl mit dieser Maßnahme Zeit aufholen will und habe nicht glauben können, dass nicht gleich eine Fahrpreiserhöhung dazugegeben wird. Immerhin ist die LVB wahrscheinlich der teuerste ÖPNV-Anbieter im Lande D. Bei einem gruseligen Takt und wenn die Gehwege hochgeklappt werden schläft auch die Tram und der Bus. Ich nehme als Beispiel gern den MVV, der dagegen das reinste Paradies ist und bis weit in die Nacht einen dichten Takt bis in die Ränder vorhält und dazu noch günstiger (wie geht das in der teuersten Stadt?) ist.
Aber ok, dann isses eben so ab 2023. Was jedoch passiert, wenn dann soviel Zeit eingespart wird, dass die Bahnen und Busse ZU FRÜH an einer Haltestelle vorbeikommen? Und ich noch nicht da bin? Muß ich mir jetzt soldatische „Pünktlichkeit“ angewöhnen, nach der ich „5 min vor der Zeit“ an der Haltestelle zu erscheinen habe?
Ich habe immer gedacht, dass der ÖPNV eine Dienstleistung erbringt, für die ich ein Beförderungsentgelt entrichte. So aber wird das Prinzip dem Kunden zu dienen fies umgekehrt!

Übrigens: Wie reisen eigentlich die Damen und Herren Vorstände der L-Gruppe in ihre Chefetagen?

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