Immer mehr Leipziger möchten mit dem Fahrrad ihre Wege in der Stadt erledigen. Immer mehr tun es auch. Deshalb wurde es in den ersten beiden Corona-Jahren auch zum Politikum, dass das Radwegenetz in keiner Weise den Herausforderungen der Gegenwart entspricht. Bei der letzten Bürgerumfrage sackten die Zufriedenheitswerte mit dem Zustand der Radwege deshalb auch auf einen Tiefststand.

2021 wurden die Teilnehmer der Bürgerumfrage ein weiteres Mal danach gefragt, wie sie den Zustand des Radwegenetzes einschätzen. Das Ergebnis ist ein klein wenig besser als 2020, hat aber nicht wirklich mit einer Verbesserung des Angebots zu tun.

„Bei einem insgesamt steigenden Nutzungsgrad (vgl. Ausführungen in Kap. 5.2) ist der Anteil an Bürgerinnen und Bürgern, die mit dem Angebot an Radverkehrsanlagen in Leipzig (sehr) zufrieden sind, mit aktuell 36 Prozent im Zeitverlauf relativ stabil. Größer wird hingegen der Anteil (sehr) unzufriedener Bewertungen. Zwischen 2011 und 2021 stieg der Anteil (sehr) unzufriedener Bürger/-innen von 18 auf 25 Prozent. Dieser Zuwachs ging zulasten ambivalenter Einschätzungen (Antwort: teils/teils, vgl. Abbildung 5-11). Insgesamt wird das Angebot an Radverkehrsanlagen somit zunehmend polarisierender von den Bürgerinnen und Bürgern bewertet“, schätzen die Autorinnen und Autoren des Berichts zur Bürgerumfrage 2021 ein.

Zufriedenheit mit Radverkehrs- und Abstellanlagen. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2021
Zufriedenheit mit Radverkehrs- und Abstellanlagen. Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2021

Die Polarisierung könnte mit demselben Grund zusammenhängen, der auch die Einschätzung der Radverkehrsmaßnahmen in Leipzig völlig unterschiedlich ausfallen lässt – nämlich danach, ob die Befragten regelmäßig mit dem Rad unterwegs sind und den Zustand des Netzes kennen, oder ob sie eher mit dem Auto unterwegs sind.

„Auch in der diesjährigen Bürgerumfrage sind die Unterschiede zwischen Rad- und Autofahrer/-innen signifikant. Das betrifft sowohl die Einschätzungen der Maßnahmen für den gesamtstädtischen Radverkehr, als auch für die kleinräumigen Maßnahmen in den Ortsteilen“, heißt es im Bericht.

„Wird der Arbeitsweg mit dem Pkw/Krad zurückgelegt, werden die Anstrengungen für den Radverkehr im Ortsteil im Mittel mit einer 2,8 bewertet, was einem genau richtig mit Tendenz zu einem eher zu viel entspricht. Wird der Arbeitsweg hingegen mit dem Fahrrad zurückgelegt, liegt das Urteil im Mittel bei 3,9, was einem eher zu wenig entspricht.“

Es wird zu wenig getan für den Radverkehr

Deutlich wird dabei, dass die Mehrheit der Befragten eben auch klar sagt, dass zu wenig für den Radverkehr getan wird.

„Die überwiegende Mehrheit der Stadtbevölkerung erachtet die Maßnahmen in ihrem Ortsteil für (viel) zu wenig (61 Prozent der Befragten), nur 9 Prozent für (viel) zu viel und 19 Prozent für genau richtig. Für die Gesamtstadt fällt das Urteil ausgewogener aus. Ein Viertel hält die Anstrengungen für den Radverkehr in der Gesamtstadt bereits für zu viel, ein weiteres Viertel für genau richtig. Für den stärkeren Ausbau der Radverkehrsanlagen in den Ortsteilen findet sich somit eine klare Mehrheit, bezogen auf die Gesamtstadt ist die Bevölkerung eher uneinig“, meinen die Autoren des Berichts.

Wird genügend für den Radverkehr in Leipzig getan? Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2021
Wird genügend für den Radverkehr in Leipzig getan? Grafik: Stadt Leipzig, Bürgerumfrage 2021

Die abgebildete Grafik erzählt etwas anderes. Denn auch auf Stadtebene steht einer Minderheit von 23 Prozent, die meint, es geschehe zu viel, einer klaren Mehrheit gegenüber, die sagt, es geschehe zu wenig: 53 Prozent.

Erstaunlich, dass das im Text dann so deutlich relativiert wird.

Die klare Aussage lautet: Auch auf Stadtebene hält eine Mehrheit den Stand des Radwegeausbaus für ungenügend.

Der Abschnitt im Bericht leuchtet auch noch etwas genauer in die Ortsteile hinein. Und da sieht man dann auch auf der Karte sehr deutlich, in welchen Ortsteilen die Bemühungen um ein sicheres Radwegenetz noch am unterirdischsten sind.

Leipzigs Verwaltung hat hier also sehr deutlich vor Augen, wo es überall hapert und klemmt.

Wo es am deutlichsten klemmt

Wirklich gut scheint es mit dem Angebot an Radanlagen eigentlich nur in den Grünauer Ortsteilen sowie auf der Südost-Achse vom Zentrum über Zentrum-Südost und weiter nach Süden verlaufend auszusehen.

„In den Ortsteilen am östlichen Stadtrand, Paunsdorf und Heiterblick, fallen die Zufriedenheiten mit dem Angebot an Radverkehrsanlagen ebenfalls hoch aus, obwohl dort vergleichsweise wenige Befragte intensiv Radfahren“, stellt der Bericht fest. Hier wird deutlich, wie eine unterdurchschnittliche Fahrradnutzung dazu führt, dass der Zustand des Radnetzes für deutlich besser gehalten wird als er ist.

„In den Ortsteilen mit stark überdurchschnittlicher Fahrradnutzung, die westlich und südlich des Zentrums liegen, fällt die Zufriedenheit mit dem Angebot an Wegen in den mittleren Bewertungsbereich“, stellen die Autoren dann fest.

„Zwischen 30 und 40 Prozent der Befragten sind mit dem dortigen Angebot an Radverkehrsanlagen (sehr) zufrieden. Auffällig ist der Ortsteil Altlindenau. Bei hohem täglichen Nutzungsgrad (40 Prozent fahren fast täglich mit dem Rad), liegt die Zufriedenheit mit dem Angebot an Radwegen bei nur 16 Prozent, fast die Hälfte (46 Prozent) äußert sich (sehr) unzufrieden (38 Prozent teils/teils).“

Was im Fall von Lindenau eigentlich wieder nicht überrascht, wenn man sieht, wie schwer sich die Stadt tut, auf der Jahnallee eine durchgehend sichere Radverbindung von Lindenau bis in die Innenstadt zu schaffen. Diese Verbindungsprobleme fallen nur deshalb nicht so auf, weil im dazwischenliegenden Teil – Waldstraßenviertel und Zentrum-West – scheinbar ein völlig geringerer Handlungsbedarf geäußert wurde.

Dass dann freilich gleich reihenweise von Ortsteilen im Osten über Neustadt-Neuschönefeld, Anger-Crottendorf, Mölkau und Baalsdorf starker Nachholbedarf artikuliert wird, fällt schon auf. Genauso wie die augenscheinlich bestehenden Probleme in Gohlis-Süd und Gohlis-Mitte und die in Schönefeld, Mockau und Thekla.

Der Bericht differenziert dann freilich nicht, welche Bedarfe die Befragten sehen, ob es nur bessere Radwege sind oder auch Ampelschaltungen, Ausschilderungen oder auch der Komfort der Wege. Oft handelt es sich um uralte Probleme an verkehrsreichen Straßen, auf denen Radfahrer sich in den motorisierten Verkehr einordnen sollen und an ein unbeschwertes Fahren z. B. in Richtung Innenstadt nicht zu denken ist, weil eine Konfliktstelle der nächsten folgt.

Im Grunde sind die Ergebnisse eine einzige Aufforderung an die Stadt, mit dem nächsten Radverkehrsentwicklungsplan, der jetzt vielleicht 2023 kommt, wirklich einmal größere Schritte zu tun hin zu einer radfahrerfreundlichen Stadt, die Leipzig noch lange nicht ist.

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