An das 9-Euro-Ticket war noch gar nicht zu denken, als die Bürgerumfrage 2021 von November 2021 bis Anfang Februar 2022 stattfand. Aber sie bestätigte genauso wie die vorhergehende, dass einer der Hauptgründe, nicht mit Bus und Bahn zu fahren, die hohen Tarife sind, die dafür abverlangt werden.
„7 von 10 Nicht-Nutzer/-innen geben an, dass ihnen die Kosten für Straßenbahn, Bus und S-Bahn zu hoch seien“, stellen die Autoren des Berichts zur Bürgerumfrage 2021 fest. „Die Kostengründe werden flächendeckend in allen Leipziger Ortsteilen auf Rang 1 gewählt, einzig in Althen-Kleinpösna stehen an erster Stelle die ungünstigen Taktzeiten, Kostengründe werden dort von knapp der Hälfte der Befragten geltend gemacht.“
Aber wenn man die Kostengründe einmal ausklammert, die ja direkt mit der Unterfinanzierung des ÖPNV zu tun haben, „folgen erst mit deutlichem Abstand weitere Gründe, die den Komfort der öffentlichen Verkehrsmittel betreffen. Bemängelt werden überfüllte Fahrzeuge, das soziale Milieu oder Sicherheitsbedenken. Ungünstige Taktzeiten werden von knapp jeder/-m Fünften angegeben.
In den Ortsteilen des Stadtrandes 2 (Ortsteile eingemeindeter Ortschaften, siehe Methodenkapitel) werden die ungünstigen Taktzeiten signifikant häufiger, und zwar von jeder/-m Dritten bemängelt. Ebenfalls häufiger wird in diesen Ortsteilen der Hinderungsgrund angegeben, dass die nächste Haltestelle zu weit entfernt sei. In den Ortsteilen der Innenstadt, des Innenstadtrandes und des alten Stadtrandes (Stadtrand 1) wird die Entfernungsproblematik signifikant seltener geäußert.“
Dafür treten dort andere Effekte auf, die das Benutzen der Straßenbahn wieder unattraktiv machen, denn hier zeigt sich, „dass in den innerstädtischen Lagen (inkl. Ortsteile des Innenstadtrandes) die Problematik eher in den überfüllten Fahrzeugen gesehen wird. Knapp jede/-r Dritte aus diesen innerstädtischen und innenstadtnahen Lagen äußert sich entsprechend. In zentralen Lagen (Stadtbezirk Mitte) gibt zudem jede/-r Fünfte an, der ÖPNV sei zu langsam unterwegs. Angesichts der hohen Fahrradaffinität dieser Ortsteilbewohner/-innen hat dieses Verkehrsmittel dort bei insgesamt kurzen Wegen Geschwindigkeitsvorteile gegenüber dem ÖPNV.“
Problem: Innenstadtring
Der ÖPNV fließt hier eigentlich auch nicht mehr, sondern ruckelt sich von Ampelkreuzung zu Ampelkreuzung, die Bahnen hängen oft minutenlang in den Haltestellen fest. Man merkt, dass der Innenstadtring hier als Grundproblem aufscheint, der für die LVB schon seit Jahren ein Nadelöhr geworden ist, das dichtere Takte und flüssigeres Fahren schlicht unmöglich macht.
Das merken natürlich die Fahrgäste. Überfüllte Bahnen sind nicht wirklich ein Zeichen für die Beliebtheit des ÖPNV, sondern für fehlende Kapazitäten.
Die ÖPNV-Nutzer selbst wurden nicht nach Dingen befragt, die ihnen am ÖPNV missfallen. Was schade ist. So hat man keinen Vergleich. In einem Fragebogen wurde zwar auch danach gefragt, was sich am ÖPNV verändern sollte, damit er besser angenommen wird. Aber diese Frage floss nicht in den Bericht ein.
Sodass wir jetzt nur zwei Teile haben, die nicht zueinanderpassen.
Denn während die Nicht-ÖPNV-Nutzer gefragt wurden, was sie am Einsteigen in Bus und Bahn hindert, wurden die ÖPNV-Nutzer nur gefragt, warum sie den ÖPNV toll finden und nutzen.
„Als wesentliche Vorteile werden im gesamtstädtischen Votum die entfallende Parkplatzsuche (als Pluspunkte gegenüber der Pkw-Nutzung), günstig gelegene Haltestellen und die Möglichkeit, auf ein Auto verzichten zu können, herausgestellt“, stellt der Bericht dazu fest.
„In Abhängigkeit von der Lage des Wohnstandortes treten Unterschiede auf. Für Bewohner/-innen der zentralen und innenstadtnahen Lagen (Innenstadt und Innenstadtrand) werden ökologische Gründe besonders hervorgehoben. Vier von zehn ÖPNV-Nutzer/-innen der Innenstadt (Stadtbezirk Mitte) und des Innenstadtrandes nutzen die öffentlichen Verkehrsmittel aus ökologischen Erwägungen. Für die Nutzer/-innen des Stadtrandes (Stadtrand 1 und 2) stehen dagegen signifikant häufiger die praktischen Vorteile gegenüber dem Pkw im Vordergrund. 56 bzw. 63 Prozent geben an, den ÖPNV zu nutzen, um keinen Parkplatz suchen zu müssen.“
Eben nicht überall gut ausgebaut
18 Prozent empfinden den ÖPNV in Leipzig sogar als schnell, 11 Prozent sogar als preiswert. Einige freuen sich sogar, dass sie unterwegs lesen können. In letzter Zeit sieht man tatsächlich immer mehr Nutzer/-innen mit Büchern in der Hand – dafür so gut wie niemanden mit Zeitung.
Und die, die sich in Bücher vertiefen, haben meist Kopfhörer auf. Denn erstaunlicherweise (aber es wurde ja auch nicht danach gefragt) erwähnt niemand den seit Jahren steigenden Lärm in den Bahnen – angeheizt durch Leute, die am Handy ihre ganze Lebensgeschichte erzählen und auch noch den kompletten Teamplan für den Tag besprechen.
Aber bei den drei Gründen fürs Nutzen des ÖPNV fällt auf, dass sie sich alle drei – „ich muss keinen Parkplatz suchen“, „Haltestelle ist günstig gelegen“ und „ich brauche kein Auto“ – in der Aussage bündeln lassen, dass der ÖPNV da gut angenommen wird, wo er tatsächlich so gut ausgebaut ist, dass er das Auto vollkommen verzichtbar macht.
Und so kommen auch die Autoren des Berichts zu der Aussage, dass „in den randstädtischen Lagen das Streckennetz mit ungünstigen Taktzeiten und zu weit entfernten Haltestellen einer stärkeren Nutzung entgegenstehen“, relativiert durch die Aussage, dass „der ÖPNV jedoch beim Thema ‚Parkplatz‘ gegenüber dem Auto punkten kann“.
Was die Sache letzthin verwässert, denn beides muss zusammenkommen, damit ÖPNV als solcher tatsächlich attraktiv wird: gute Taktzeiten und ein dichtes Haltestellennetz, die den Verzicht aufs Auto geradezu zur Selbstverständlichkeit machen. Wer wirklich kein Auto braucht, muss sich über Parkplätze auch keine Gedanken machen.
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