Seit gestern ist das 9-Euro-Ticket erst einmal Geschichte. Doch es hat Spuren hinterlassen und sorgt auch weiterhin für Diskussionen. Für den Nahverkehrsanbieter Abellio hat die befristete Aktion zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger vor allem deutlich mehr Fahrgäste in den Zügen gebracht. Das wäre schon eine echte Erfolgsgeschichte, hätten nicht massive Infrastrukturprobleme das Fahrvergnügen gerade für viele Urlauber deutlich vermindert.
Auch wenn die Zahlen für den gesamten Drei-Monats-Zeitraum noch nicht vorliegen, ist klar, dass viele Menschen das äußerst günstige Ticket genutzt haben, um öfter unterwegs zu sein oder den Öffentlichen Personennahverkehr auszuprobieren.
Die Zahl der Fahrgäste auf den von Abellio betriebenen Strecken ist in den vergangenen drei Monaten gegenüber der Zeit davor stark gestiegen, auf manchen Strecken hat sich die Zahl der Fahrgäste gegenüber den Monaten vor Einführung des Tickets verdoppelt, teilweise sogar verdreifacht, teilt das Unternehmen mit.
Gemeinsam mit den Aufgabenträgern habe Abellio – ebenso wie alle anderen Verkehrsunternehmen – in kürzester Zeit die notwendigen Vorbereitungen getroffen, soweit möglich zusätzliche Kapazitäten akquiriert und die Menschen auch in den deutlich volleren Zügen zuverlässig an ihr Ziel gebracht.
Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entscheidend für den Erfolg
Dass dies möglich war, lag in erster Linie am Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowohl im Fahrdienst als auch in der Disposition, Leitstelle, im Kundenservice, Werkstatt und der Verwaltung.
„Unser Dank gilt all den Kolleginnen und Kollegen, die einer deutlich höheren Belastung ausgesetzt waren und dem 9-Euro-Ticket dennoch zum Erfolg verholfen haben“, so Rolf Schafferath, Geschäftsführer von Abellio.
„Gerade das Personal in den Zügen hat den zum Teil verständlichen Frust der Fahrgäste abbekommen, wenn diese sich in einen vollen Zug quetschen mussten oder sogar abgewiesen wurden, weil zum Beispiel kein Platz mehr für ihr Fahrrad war. Dass in einer solchen Situation keine Begeisterung für eine Verlängerung des 9-Euro-Tickets bei den Fahrpersonalen aufkommt, ist allzu verständlich. Dennoch sind sie ihrer Arbeit engagiert und besonnen nachgegangen.“
Mängel in der Netzinfrastruktur sorgen für zusätzliche Belastung
Belastet wurde die Situation in den vergangenen drei Monaten durch eklatante Mängel in der Netzinfrastruktur. So wurden im Juli mitten in der 9-Euro-Ticket-Zeit und den Sommerferien mehrere Streckenabschnitte, auf denen Abellio unterwegs ist, quasi über Nacht innerhalb weniger Stunden für den Austausch fehlerhafter Schwellen gesperrt, und das zum Teil wochenlang.
Dadurch kam der Bahnverkehr in den Harz teilweise zum Erliegen – und das ausgerechnet in einer Zeit, in der besonders viele Menschen mit dem Zug in diese reizvolle Ausflugsregion wollten.
Andere Strecken, insbesondere die für den Regionalverkehr sehr wichtige Achse Halle (Saale)-Kassel durch das Mansfelder Land, den Südharz und das Eichsfeld, können zeitweise nicht oder nur eingeschränkt befahren werden, weil vielfach Stellwerke vom Netzbetreiber personell nicht besetzt werden können.
Diese massiven Probleme mit der Infrastruktur führten und führen immer noch zu Ausfällen, Verspätungen und wachsendem Frust der Fahrgäste, stellt Abellio fest.
Notwendigkeit umfangreicher Investitionen ist deutlich geworden
Dank des 9-Euro-Tickets wird der Öffentliche Personennahverkehr diskutiert wie seit langem nicht mehr. Die Herausforderungen für die Infrastruktur und Belastungen für die Beschäftigten bei Abellio und im Bahnsektor haben ein Schlaglicht darauf geworfen, dass politisches Handeln notwendig ist.
Nur dann kann der Schienenverkehr eine zentrale Rolle bei der Mobilität der Zukunft einnehmen, was aus Klimaschutzgründen dringend notwendig ist.
So zeigt die begleitende Marktforschung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), dass ein mangelndes Angebot vor allem in ländlichen Regionen und zu häufige Störungen und Verspätungen die meistgenannten Gründe sind, warum Menschen den ÖPNV auch mit dem 9-Euro-Ticket nicht nutzen möchten.
Bei den Diskussionen um mögliche Nachfolgemodelle verweist Abellio daher darauf, dass der Schienenpersonennahverkehr nachhaltig und auskömmlich finanziert werden muss.
„Wir brauchen Investitionen in den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur und eine Ausweitung des Angebots, um Menschen eine gute Alternative zum Auto bieten zu können“, so Rolf Schafferath.
„Das ist aus unserer Sicht als Eisenbahnverkehrsunternehmen der zentrale Punkt, wenn über Pauschaltickets oder andere Tarifmaßnahmen entschieden wird. Zur langfristigen Verbesserung des Öffentlichen Nahverkehrs unterstützen wir daher die Forderungen der Verkehrsministerkonferenz der Länder (VMK) nach zusätzlichen Mitteln in Höhe von 1,65 Milliarden Euro noch in diesem Jahr, um weitreichende Folgen für die Fahrgäste zu vermeiden.“
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