Man muss es nicht verstehen. Aber so, wie es die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) kommunizieren, ist es eine schallende Ohrfeige für all die Fahrgäste, die man mit dem 9-Euro-Ticket gerade glaubte, dazugewonnen zu haben. „Aufgrund der nach wie vor angespannten Personalsituation infolge der Corona-Auswirkungen werden die in den Ferien gültigen Angebotsanpassungen über den 29. August hinaus beibehalten“, meldete das Unternehmen am 19. August.

Und weiter heißt es da: „Um ein zuverlässiges Fahrtenangebot garantieren zu können, fahren weiterhin die Straßenbahnlinien 2, 8 und 10 im 20-Minuten-Takt, die Straßenbahnlinie 14 sowie die Buslinien 60, 65, 74/76, 80, 89 und 90 im 15-Minuten-Takt.“

Beschränkungen seit Sommerbeginn

Und dabei waren sie mit Einschränkungen im Fahrbetrieb schon in den Sommer gestartet. In der letzten Ratsversammlung vor der Sommerpause nutzte OBM Burkhard Jung den Tagesordnungspunkt „Bericht des Oberbürgermeisters“ dazu, um Verständnis dafür zu werben, dass die LVB weiter mit eingeschränktem Fahrplan unterwegs sind.

Aber wenn die Ausfälle mit dem durch Corona bedingten Krankenstand zusammenhängen, müsste das eigentlich anderthalb Monate später ausgestanden sein. Doch jetzt startet das Unternehmen in den eingeschränkten „Normalbetrieb“ und nichts hat sich geändert.

Da kann etwas nicht stimmen, findet Dr. Sebastian Stoppe, der mit einer Einwohneranfrage herausbekommen möchte, was da eigentlich so sichtlich aus dem Gleis geraten ist.

Die Pandemie allein erklärt nicht den chronischen Fahrermangel

„Die Leipziger Verkehrsbetriebe teilen auf Ihrer Website (Stand: 24.08.2022) mit, dass die Angebotseinschränkungen auf den Tramlinien 2, 8, 10 und 14 sowie den Buslinien 60, 65, 74, 76, 80, 89 und 90 (euphemisierend als ‚Ferienfahrplan‘ bezeichnet) auch über den 29. August 2022 bestehen bleiben. Damit verkehren drei Tramlinien weiterhin in der Hauptverkehrszeit lediglich im 20-Minuten-Takt, die Tram 14 und alle Buslinien im 15-Minuten-Takt. Als Grund dafür führt der Sprecher der LVB in einer Online-Meldung der LVZ einerseits einen erhöhten Krankenstand von 13 bis 15 Prozent der Fahrer/-innen an, zum anderen die ‚veränderte Situation auf dem Arbeitsmarkt‘.

So gebe es weniger Menschen, die sich zum Fahrer ausbilden lassen wollen oder dann zum Beginn der Schulungen gar nicht erst erscheinen. Weiterhin wird angegeben, es sei nicht absehbar, wann die Rückkehr zum Normalbetrieb erfolgen kann“, fasst Stoppe die verfügbaren Informationen zusammen.

„Es muss hier jedoch auch darauf hingewiesen werden, dass ein Fahrer/-innenmangel und Angebotseinschränkungen auch schon vor der Corona-Pandemie vorlagen. Es muss auch darauf hingewiesen werden, dass Covid-19 aller Voraussicht nach eine Krankheit ist, mit der die gesamte Gesellschaft zukünftig leben und umgehen lernen muss (also keinen vorübergehenden Zustand darstellt).“

Scharfe Grundsatzfragen an die Stadt

Und so hinterfragt Dr. Sebastian Stoppe erst einmal das ganze Konstrukt des Leipziger Nahverkehrs, der eigentlich einen viel größeren Beitrag zur Klimaneutralität der Stadt beitragen sollte, es aber ganz offensichtlich nicht tut. Nichts vergrault potenzielle Fahrgäste schließlich schneller als lange Wartezeiten an Haltestellen, ein ausgedünntes Angebot und daraus folgend vollgestopfte Straßenbahnen auf sämtlichen Hauptlinien.

Die drei Fragen, die Dr. Sebastian Stoppe stellt, sprechen für sich:

1. Die Stadt Leipzig hat sich in ihrem Integrierten Stadtentwicklungskonzept Leipzig 2030 zum Ziel gesetzt, den Modal Split im Öffentlichen Personennahverkehr auf 23 Prozent zu steigern und explizit formuliert, „dass unsere [kommunalen] Unternehmen und Betriebe ihre Kernaufgaben, insbesondere Leistungen der Daseinsvorsorge, auch zukünftig in hoher Qualität zu vertretbaren Preisen anbieten können“.

Betrachtet die Stadt Leipzig die anhaltenden Angebotseinschränkungen der LVB in Verbindung mit schon jetzt im bundesweiten Vergleich hohen Preisen für derart eingeschränkte Leistungen als angemessen für die achtgrößte Stadt Deutschlands mit über 600.000 Einwohnern und als zielführend im Sinne des Stadtentwicklungskonzepts?

2. Der Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig formuliert in der aktuellen zweiten Fortschreibung unter anderem als Mindeststandard (!) für das Nahverkehrsangebot einen Grundtakt von 10 Minuten für alle Verkehrsleistungen. Diese Standards können laut Plan nur im Einzelfall unterschritten werden und die Verkehrsunternehmen sind gehalten, die Einhaltung der Mindeststandards nachzuweisen, bei Abweichungen Vorschläge zur Einhaltung der Standards zu unterbreiten und auf Anforderung im Einzelfall zu begründen, warum eine Abweichung vom Mindeststandard notwendig und zweckmäßig ist.

Welche konkreten Vorschläge sind seitens der LVB zur Einhaltung der Standards der Stadt Leipzig und der Ratsversammlung unterbreitet worden, welche konkreten Begründungen liegen vor und fordert die Stadt die LVB im Prüfungsrahmen auf, konkret nachzuweisen, ob nun der hohe Krankenstand (bzw. andere Krankheitsgründe als Corona) oder ein Stellenbesetzungsproblem für die Angebotseinschränkungen verantwortlich sind?

3. Welche konkreten Schritte beabsichtigt die Stadt Leipzig bzw. die Ratsversammlung in ihrer Eigenschaft als mittelbarer Eigentümer der LVB zu unternehmen, um die offensichtlichen Managementprobleme im Unternehmen in Bezug auf die Personalrekrutierung und -führung in absehbarer Zeit zu beheben?

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