Auch so etwas passiert nicht allzu häufig, dass Stadtrat Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) in einer Ratsversammlung ans Mikro tritt und die anderen Stadträt/-innen ermahnt, die Diskussion doch bitteschön in den Ausschüssen abzuwickeln. So geschehen aber am 19. Mai, als es um die Finanzierung der Europäischen Mobilitätswoche ging, auch wenn es 2022 keinen autofreien Ring geben wird.
Aber die Diskussion versteht man nur zu gut und durfte sich ebenfalls wundern, wie vehement CDU-Stadträtin Siegrun Seidel und FDP-Stadtrat Sven Morlok für einen Aspekt dabei kämpften, der bei den zurückliegenden Mobilitätswochen tatsächlich immer ausgeblendet wurde.
Denn – so Morlok – es ist ja ganz schön, wenn der Innenstadtring an einem Wochenende einmal komplett für den Autoverkehr gesperrt wird und die Leipziger/-innen dort freudig mit Rad und zu Fuß unterwegs sind. Die Bewohner der Innenstadt, die oft auch ihren Arbeitsplatz hier haben, könnten sowieso meist problemlos auf ÖPNV, Rad und Schuhwerk umsteigen.
Aber die eigentlichen Mobilitätsprobleme haben die Bewohner der Ortslagen am Stadtrand, wo der Radweg meist frühzeitig endet und der Bus oft nur einmal die Stunde fährt, wie Siegrun Seidel anmerkte. Warum sollte da nicht mal – spaßeshalber – eine Hauptverkehrsachse für den Autoverkehr gesperrt werden und dort vielleicht ein grüner Radweg aufgetragen werden, fragte Morlok.
Benachteiligte Ortschaften am Stadtrand
Man merkte schon, dass diese Diskussion auch im Ausschuss nicht zu Ende geführt wurde und trotz Beschluss zum nachhaltigen Mobilitätskonzept die Bewohner der Randortschaften zutiefst unzufrieden sind mit dem Angebot umweltgerechter Verkehrsarten. Denn – so Morlok – natürlich sind es nicht die Innenstadtbewohner, die den Ring verstopfen. Es sind die, die gar nicht anders in die Stadt kommen als mit dem eigenen Auto.
Es knistert und brennt, wie man sieht, auch wenn diese beiden Diskussionsbeiträge eigentlich wirklich in ein anderes Gremium gehören. Aber recht haben beide, Morlok wie Seidel: Wenn die Stadt nicht wirklich endlich anfängt, die Ortschaften am Stadtrand besser mit ÖPNV und Radwegen zu verbinden, wird sich auch am Verkehrsverhalten der Bewohner dieser Ortschaften nicht viel ändern.
Dass die CDU-Fraktion dann freilich eher einen Kürzungsantrag vorgelegt hatte, weil sie nicht einsieht, dass selbst eine Mobilitätswoche wie die, die 2021 so erfolgreich durchgeführt wurde, zwei Vollzeitstellen voll ausfüllt, kam nicht so gut an bei der Stadtratsmehrheit. (Obwohl auch Linke Stadträtin Franziska Riekewald hier ihre Fragen hat.) Eher hätte man ja – bei Siegrun Seidels Ausführungen zu den fehlenden Angeboten am Stadtrand – eine Aufstockung erwartet.
247.000 Euro will das Planungsdezernat ab 2023 einsetzen, um dann jedes Jahr eine Mobilitätswoche wie 2021 durchzuführen.
Kein autofreier Ring 2022
2022 wird es sie aus verschiedenen Gründen in der Größenordnung nicht geben. Einer ist die sehr späte Vorlage der Vorlage, sodass kein autofreier Ring mehr im September organisiert werden kann. Das kritisierte insbesondere Linke-Stadträtin Franziska Riekewald.
Aber gerade weil das so ist, wäre es eine kluge Idee, autofreie Sonntage einfach anderswo im Stadtgebiet zu organisieren, schlug die SPD-Fraktion vor. Es gäbe genug Bürgervereine und Initiativen, die genau so etwas befürworten und selbst gestalten wollten, erklärte SPD-Fraktionsvorsitzender Christopher Zenker in seinem Redebeitrag.
Was ja eigentlich genau in dieselbe Richtung zielt wie Siegrun Seidels Beitrag. Warum sollten nicht besonders betroffene Ortschaften genau diese Möglichkeit nicht nutzen? Denn darin waren sich ja fast alle einig, dass die Mobilitätswoche 2021 ein Erfolg war und eine wirklich wirksame Werbeaktion für den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsarten.
Samt der Auszeichnung, die die Gehzeugparade im Nachhinein noch bekommen hat, veranstaltet von der Verkehrswende Leipzig am 19. September.
Gerade sie zeigte ja, wie viel Platz Autos auf Leipzigs Straßen einnehmen.
Kleine Mobilitätswoche 2022 kann stattfinden
Und vielleicht half ja der Einwurf von Thomas Kumbernuß und im zuständigen Verkehrsausschuss des Stadtrates wird endlich zielführender für eine bessere Anbindung der Ortschaften am Stadtrand mit ÖPNV und Radwegen diskutiert – und zwar nicht nur mit Flexa. Denn wenn das nicht gelöst wird, wird sich an Leipzigs Verkehrsproblemen gar nichts ändern.
Logisch, dass der Vorstoß der CDU-Fraktion, die vorgeschlagenen Mittel zu kürzen, gar nicht gut ankam. Er fiel mit 11:41:1 Stimmen durch.
Während der neuverfasste SPD-Antrag, autofreie Straßen auch außerhalb des Rings zu ermöglichen, eine klare Mehrheit von 36:18 Stimmen fand.
Und auch wenn die Vorlage der Verwaltung halbiert abgestimmt wurde, kam sie dennoch problemlos durch.
Denn die Punkte 1 bis 4 beziehen sich auf die Mobilitätswoche 2022, für die jetzt 45.000 Euro bereitstehen – nicht genug für eine richtige große Mobilitätswoche, aber immerhin ein Angebot, die Woche nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Dafür gab es 36:17:2 Stimmen.
Die Punkte 5 bis 7 bezogen sich dann schon auf die Jahre ab 2023, wo dann jährlich 247.000 Euro zur Verfügung stehen sollen und zwei Vollzeitstellen geschaffen werden, um jedes Mal eine vollwertige Mobilitätswoche mit freiem Innenstadtring zu organisieren. Dafür gab es 33:19:1 Stimmen, auch wenn das letzte Wort über die beiden Vollzeitstellen der Stadtrat erst Anfang 2023 sprechen wird, wenn der neue Doppelhaushalt beschlossen wird.
Aber das eigentlich Verblüffende bleibt am Ende der Eindruck, dass die Verkehrswende auch bei der CDU-Fraktion inzwischen ein sehr ernst genommenes Thema geworden ist.
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“Aber das eigentlich Verblüffende bleibt am Ende der Eindruck, dass die Verkehrswende auch bei der CDU-Fraktion inzwischen ein sehr ernst genommenes Thema geworden ist.”
Und es lachten die Mitglieder der CDU aber auch der Linken im Stadtbezirksbeirat Ost ganz laut.