Der BUND Leipzig fragt sich, wie die Stadt mit der gerechten, sicheren und klimaneutralen Raumverteilung zwischen Straßen, Rad- und Fußwegen umgeht? - Es mag wohl niemand bestreiten, dass es in Leipzig immer enger wird. Es fehlen nicht nur wichtige Grün- und Freiflächen, von denen viele der Überbauung zum Opfer gefallen sind. Der Kampf um Platz findet auch auf der Straße statt, denn mit dem Einwohnerwachstum wächst auch die Zahl der Autos.

Neben ihrer Funktion als Verbindungswege bieten Straßen ein wertvolles Potenzial an Fläche, um das immer mehr gerungen wird. Viele Nebenstraßen sind inzwischen so dicht beparkt, dass sie für alle Verkehrsteilnehmenden gefährlich sind. Vor allem Radfahrer/-innen sind durch enge Überhol-, Ein- und Ausparkmanöver gefährdet.

Für Fußgänger/-innen wird das Kreuzen der Straßen immer schlechter einsehbar, insbesondere für Kinder. Auch die zugeparkten Kreuzungen an abgesenkten Gehwegen sind für Fußgänger/-innen mit Rollatoren, Kinderwagen und Rollstühlen ein großes Problem.

Ein weiterer Konflikt besteht zwischen dem vermeintlichen Anspruch von Autobesitzer/-innen auf einen kostenlosen Abstellplatz und dem Bemühen der Stadt Leipzig, ihr im Jahr 2019 beschlossenes Straßenbaumkonzept umzusetzen. Bis zum Jahr 2045 will die Stadt den Bestand an Straßenbäumen von derzeit rund 56.700 auf 100.000 erhöhen, was eine Zuwachsentwicklung von 1.000 Bäumen pro Jahr bedeutet. Das ist ambitioniert und verlangt besondere Anstrengung.

Radverkehr gegen Baumpflanzungen?

Damit könnte zumindest ein Teil der vielen tausend gerodeten Bäume ersetzt werden, die dem Bauboom bisher zum Opfer fielen und immer noch fallen. Diese Bäume fehlen in der Stadt, das bekommen wir in jedem Hitzesommer zu spüren. Straßenbäume können jedoch nicht überall hingepflanzt werden.

Oft gibt es bautechnische Beschränkungen, weil z. B. durch Kabel- und Leitungsverläufe kein Platz für Pflanzgruben ist. Umso wichtiger ist, dass jeder verfügbare und geeignete Platz für die Pflanzung von Straßenbäumen auch genutzt wird. Das Straßenbaumkonzept ist Teil des Leipziger Sofortmaßnahmen-Programms zum Klimanotstand 2020.

Der alte schmale Radweg im Triftweg hinter den geparkten Autos. Foto: privat
Der alte schmale Radweg im Triftweg hinter den geparkten Autos. Foto: privat

Kurios und gefährlich wird es, wenn die Sicherheit des Radverkehrs gegen das Pflanzen von Straßenbäumen ausgespielt wird, wie aktuell im Fall des Leipziger Triftwegs. Das Amt für Stadtgrün und Gewässer plant hier die Pflanzung von Straßenbäumen auf einem ehemaligen, auf dem Bürgersteig verlaufenden Radweg.

Der Stadtbezirksbeirat Süd lehnt die Straßenbäume dagegen ab und verlangt eine grundhafte beidseitige Sanierung des Radwegs. Dieser ist zwar schon seit Langem entwidmet, werde aber immer noch genutzt. Der Triftweg ist eine 30er-Nebenstraße, aber durch parkende Autos so eng und gefährlich, dass Radfahrer/-innen statt der Fahrbahn lieber den holprigen alten Radweg benutzen.

Der BUND Leipzig kann die Forderung des Stadtbezirksbeirats Süd nicht nachvollziehen. Ein auf dem Fußweg verlaufender Radverkehr hinter abgestellten Pkws befände sich nicht im direkten Sichtfeld des Autoverkehrs. Das kann zu Gefahrensituationen zum Beispiel beim Abbiegen führen.

Ein Gehweg ist zudem in erster Linie ein geschützter Raum für Fußgänger/-innen. Optimal wäre hier die Nutzbarmachung der Fahrbahn für den Radverkehr, was zum Beispiel durch ein einseitiges Parkverbot erreicht werden kann. Die Straße würde somit für alle Verkehrsteilnehmer/-innen sicherer und Bäume könnten wie geplant gepflanzt werden.

Wie weiter am Triftweg?

Dem Leipziger Stadtrat lag ein Antrag vor, den Triftweg in eine Fahrradstraße umzugestalten. Der BUND Leipzig begrüßte diesen Vorschlag ausdrücklich. Leider wurde der Antrag zurückgezogen. Dass die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zugunsten des platzfressenden Autoverkehrs mit immer größer werdenden Fahrzeugen gefährdet wird, ist Resultat einer längst überholten Verkehrsplanung und widerspricht dem vom Stadtrat beschlossenen Nachhaltigkeitsszenario für die Mobilitätsstrategie der Stadt. Die Situation am Triftweg ist bezeichnend für viele Nebenstraßen in Leipzig.

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Es gibt 3 Kommentare

Ein bißchen mehr Denke des 20. Jahrhunderts wäre manchmal ganz gut. Wenn ich sehe, wie sich Radler rechts von blinkenden LKW vorbeischleichen, oder wie sie in Teils hoher Geschwindigkeit durch rechts-vor-links-Straßenräume brettern, oder über die von Ihnen erwähnten Kreuzungen. So wie ich als Autofahrer ständig auf andere Verkehrsteilnehmer achten muss, besonders auf die schwächeren auf zwei Rädern oder zu Fuß, so ist aus meiner Sicht bei vielen Leuten die Sensibilität verloren gegangen, wo Gefahren lauern. Blumenkübel, Poller und Parkverbote sind eine Möglichkeit das zu kompensieren, aber meiner Meinung nach kommt man nicht ohne etwas “mitdenken” bei den schwächeren Teilnehmern aus.
Das lässt sich auch weiter führen bei den Themen Lichtblendung durch LED-Lampen am Rad (“ist doch gut wenn ich auch die Baumkronen sehen kann”) oder joggen auf der Straße.

> […] entwidmet, werde aber immer noch genutzt. Der Triftweg ist eine 30er-Nebenstraße, aber durch parkende Autos so eng und gefährlich, dass Radfahrer/-innen statt der Fahrbahn lieber den holprigen alten Radweg benutzen.

Es gibt auch ganz andere Stellen, wo das so ist. Dieses Konzept, dass das Rad auf die Straße gehört und nicht neben den Fußweg, das ist eigentlich auch nur so eine in der Praxis nicht so recht gelebte Konzeptdenke von Akademikern. Die Idee ist natürlich nicht den Radfahrer besser zu schützen oder schneller fahren zu lassen, sondern es geht um die Einschränkung des Platzes für Autos. Erst mal egal, ob man den Platz am Gehweg sinnvoll nutzen könnte oder würde.

> Für Fußgänger/-innen wird das Kreuzen der Straßen immer schlechter einsehbar, insbesondere für Kinder. Auch die zugeparkten Kreuzungen an abgesenkten Gehwegen sind für Fußgänger/-innen mit Rollatoren, Kinderwagen und Rollstühlen ein großes Problem

In der Tat ist es krass, was die teils schreiende Faulheit mancher Autofahrer für Blüten treibt.
Es steht ja schon in der StVO, dass es Abstände beim Parken zu Zebrastreifen oder Straßenkreuzungen gibt, die einzuhalten sind. Weil das missachtet wird, um 50 m Weg vom Auto zum Geschäft zu sparen, gibt es schon Schraffuren an den entsprechenden Stellen auf der Straße. Und weil genau darauf dennoch geparkt wird, kommen am Ende Radbügel und Poller. Manche Zeitgenossen müssen sich echt nicht wundern, wenn über sie geschimpft wird…

So gut ich einen SBB finde; aber dieser SBB-Antrag ist – aufgrund der längeren Vorgeschichte – eher lächerlich und riecht doch sehr nach Straßenraumverteidigung.
Vermutlich nutzt fast keiner der SBB-Mitglieder diesen Fahrradweg, denn dieser ist wie in anderen Stadtteilen (z.B. vormals Gregor-Fuchs-Straße) völlig desolat, gefährlich an den Kreuzungen (selbst wenn er saniert würde) und entspricht der Straßenraumplanung Anfang des 20. Jahrhunderts.
Selbst vergleichbar einsehbare Radwege (Prager Straße) erzeugen kein sicheres Fahrgefühl an jeder Kreuzung und haben bereits ihren Tribut gezollt.

Dass man sich sogar in Zeiten des Klimawandels gegen Straßenbäume wehrt, ist schon sehr bezeichnend.
Die Anwohner sollten froh sein, dass noch Platz für Grün vorhanden ist – nebst beidseitigem Parkraum!

Der Knackpunkt ist tatsächlich: lassen sich manifestierte Straßenraum-Pfründe wie z.B. Parkplätze nach aktuellen Bedarfen auflösen? Oder ist der Gegenwind größer als die Wetterextreme der kommenden Jahrzehnte?

Es wird hier so enden wie in Anger-Crottendorf. Der Radweg wird verdichtet, dann parken die Autos da drauf und der Radverkehr nutzt die dann breitere Fahrbahn. Mehr Fantasie gibts in dieser Verwaltung nicht.
https://www.l-iz.de/politik/brennpunkt/2020/05/Verschwindet-in-der-Gregor-Fuchs-Strasse-ein-Radweg-fuer-noch-mehr-Autostellplaetze-331594

Bezahlen werden wir das alle mit weniger Geld im Topf für Gehwegsanierungen, abgesenkte Borde, (echte) Radverkehrsanlagen, …

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