Das wird spannend. Ab 2024 bekommen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) neue, breitere Straßenbahnen. Das war schon seit Jahrzehnten geplant. Seit rund 25 Jahren wird dafür der Gleismittenabstand im gesamten Straßenbahnnetz von 2,56 m auf 2,80 m erhöht. Doch noch immer ist das Netz voller Engstellen. Das wird eine Herausforderung, bestätigen die LVB. Aber bis 2030 will man es geschafft haben, alle Engstellen zu beseitigen.

„Die kürzlich ausgelöste Beschaffung der 2,40 Meter breiten Straßenbahnen ist Bestandteil des systematischen ÖPNV-Ausbaus im Sinne der 2018 vom Stadtrat beschlossenen Mobilitätsstrategie und ist eine explizit benannte Maßnahme im aktuell gültigen Nahverkehrsplan. Bereits seit Mitte der 1990er Jahre – Startschuss war der Ausbau der Linie 16 zum neuen Messegelände – erweitern wir bei allen Ausbaumaßnahmen den Gleisabstand für den Einsatz eines 2,40 Meter breiten Fahrzeugtyps“, formuliert es LVB-Pressesprecher Marc Backhaus.„Nach nun 30 Jahren Zeit des Ausbaus sind wir mit der jetzt anstehenden neuen Fahrzeuggeneration an dem Punkt, hieraus auch den beabsichtigten Nutzen ziehen zu können. Neben mehr Komfort im Innenraum bieten die neuen Bahnen mit ihrer größeren Breite – wir lösen mit ihnen 2,20 Meter ‚schmale‘ Wagen ab – auch spürbar mehr Kapazität und Leistungsfähigkeit. Angesichts der wachsenden Stadt und ehrgeiziger Ziele zur Umsetzung der Verkehrswende ist dies ein ganz wesentlicher und unverzichtbarer Punkt.“

Alte Fahrzeuge werden abgelöst

Die neuen Fahrzeuge werden sowieso gebraucht, denn sie lösen die dann 30 Jahre alten NGT8-Fahrzeuge ab, die seinerzeit von Siemens für die LVB entwickelt worden waren. Und sie werden auch benötigt, um die 2018 vom Stadtrat beschlossene nachhaltige Mobilitätsstrategie umzusetzen, die auch eine Erhöhung der Fahrgastzahlen von 155 Millionen (vor der Corona-Pandemie) auf 220 Millionen vorsieht.

Überreif für den Umbau: die Arthur-Hoffmann-Straße. Foto: Ralf Julke
Überreif für den Umbau: die Arthur-Hoffmann-Straße. Foto: Ralf Julke

Und trotzdem gibt es überall noch Engstellen, weil viele Straßenbauprojekte der Stadt sich um Jahre verzögert haben. Das betrifft den Torgauer Platz, der als Zufahrt zum Technischen Zentrum Heiterblick wichtig ist, auf der Linie 15 gibt es immer noch die Engstelle am Völkerschlachtdenkmal. Die Käthe-Kollwitz-Straße wird erst ab 2025 umgebaut. Die Arthur-Hoffmann-Straße, die schon 2020 hätte umgebaut werden müssen, wird wohl vor 2030 nicht angepackt.

Das heißt: Die LVB werden erst einmal nur auf wenigen Linien mit den breiteren Fahrzeugen fahren können. Wirklich nutzbar ist sogar vorerst nur die Linie 16. Die Linie 15 wäre machbar, wenn man hier schafft, in den nächsten Jahren die Engstellen zu beseitigen. Eine davon liegt auf der Zeppelinbrücke, einer Brücke, die eigentlich längst genauso wie die Klingerbrücke ihr Endhaltbarkeitsdatum erreicht hat und dringend saniert werden muss.

Was aber erst nach dem Neubau der Klingerbrücke passieren kann, der auch erst 2026 ansteht.

Engstelle auf der Zeppelinbrücke - hier soll eine Interimslösung das Fahren mit breiten Bahnen bis zum Brückenneubau in den 2030er Jahren ermöglichen. Foto: Ralf Julke
Engstelle auf der Zeppelinbrücke – hier soll eine Interimslösung das Fahren mit breiten Bahnen bis zum Brückenneubau in den 2030er Jahren ermöglichen. Foto: Ralf Julke

Bis dahin werden die LVB auf der Zeppelinbrücke die Gleise in einem eigenen Projekt aufweiten, um hier wenigstens bis zum Neubau der Brücke weiterfahren zu können. Die Linie 15 steht ganz fest im Plan für die breiteren Fahrzeuge.

Zuversichtliche Töne des LVB-Sprechers

„Mit diesem komplexen Infrastrukturprogramm werden bis ca. 2030 schrittweise die letzten Engstellen im Netz beseitigt, zahlreiche Anlagen modernisiert und noch fehlende barrierefreie Zugangsstellen errichtet“, zeigt sich Marc Backhaus zuversichtlich.

„Ein maßgebliches Kriterium für die konkrete projektscharfe Aufstellung dieses Maßnahmenplans war die schrittweise Indienststellung der breiteren Fahrzeuge. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl weiterer Maßnahmen, die die Leistungsfähigkeit im ÖPNV erhöhen sollen, allen voran die geplanten Netzausbauten wie z. B. die Südsehne, aber auch weniger sichtbare Themen wie die Modernisierung aller Gleichrichterunterwerke mit dem Ziel einer Erhöhung der Nennspannung von 600 auf 750 Volt, um für eine wachsende Fahrzeugflotte die Energieeffizienz zu verbessern.“

Trotzdem ist der Netzausbau im Verzug. Nicht mal durch die LVB selbst verursacht. Oft sind es die Planungen der Stadt, die immer wieder um Jahre vertagt und verzögert werden – man denke an die östliche Georg-Schumann-Straße, deren Umbau genauso überfällig ist wie jener der Arno-Nitzsche-Straße und der Windmühlenstraße.

Dieser Abschnitt der Georg-Schumann-Straße soll ab 2024 umgebaut werden. Foto: Ralf Julke
Dieser Abschnitt der Georg-Schumann-Straße soll ab 2024 umgebaut werden. Foto: Ralf Julke

Schwierige Übergangszeit

„Es war dabei von Anfang an klar, dass die neuen, ab 2024 in den Liniendienst kommenden Bahnen für einen Übergangszeitraum von mehreren Jahren nicht freizügig im gesamten Netz einsetzbar sein werden“, bestätigt Marc Backhaus.

„Derartige Phasen sind nichts Ungewöhnliches, auch in Leipzig prägte eine solche Situation insbesondere schon die 1970er Jahre, als mit Einführung der damals großen und energiehungrigen Tatra-Züge erst Schritt für Schritt die Stromversorgung im gesamten Netz ausgebaut werden musste. Die jetzt bestellten 25 NGT-Plus-Bahnen sind daher zunächst für den Einsatz auf den Linien 16 und 15 bestimmt, letzte noch bestehende Engstellen wie auf der Zeppelinbrücke werden bis dahin beseitigt.“

Die Planungen laufen auf Hochtouren

Und dann ist da die Hoffnung, dass es ab 2024 zügig weitergeht mit dem Neubau überfälliger Straßenabschnitte, sodass dann auch andere Linien mit den breiteren Fahrzeugen befahren werden können.

„Während der Süd-Ast der Linie 11 bis Markkleeberg-Ost bereits jetzt tauglich ist für breitere Fahrzeuge, enthält das Infrastrukturprogramm in den kommenden Jahren nacheinander die noch nötigen Ausbauabschnitte in der Georg-Schumann-Straße, wofür die Planungen in verschiedenen Phasen laufen oder in Kürze starten“, bestätigt Backhaus.

„Wie Sie zu Recht anmerken, müssen auch die Betriebshöfe für die neue Fahrzeuggeneration ansteuerbar sein. Für die Angerbrücke und Dölitz wird das problemlos der Fall sein, für die Zuführung zum Technischen Zentrum in Heiterblick wird zu Beginn voraussichtlich noch eine letzte Engstelle am Torgauer Platz verbleiben. Da es sich aber nur um eine begrenzte Zahl an Fahrten und keinen regelmäßigen Linienverkehr handelt, können wir hier temporär eine unzulässige Begegnung z.B. signaltechnisch ausschließen.“

Das heißt: Straßenbahnen müssen am Lichtsignal warten, bis die entgegenkommende Bahn den Gleisknoten passiert hat. Erst danach können sie den Torgauer Platz queren.

Eine Mahnung an die Stadt

„Insgesamt stellt die Synchronisierung der Fahrzeugbeschaffung mit den noch erforderlichen Ausbauten im Netz sicher eine herausfordernde und notwendige Situation dar, zu deren Bewältigung mit dem beschlossenen Rahmenplan aber eine solide Grundlage geschaffen wurde“, meint Backhaus.

„Stadtverwaltung und L-Gruppe haben sich auch organisatorisch so aufgestellt, dass die vom Stadtrat festgelegten Ausbauziele erreicht und eine fristgerechte Indienststellung der neuen Fahrzeuggeneration abgesichert werden können. Angesichts der Klimaschutzziele und drängenden Aufgaben im Mobilitätsbereich können wir hier auch kein Aufschieben zulassen, sondern müssen bauen, um die Leipziger Verkehrswende zu gestalten.“

Das kann man auch als Mahnung an die Stadt verstehen, die drängenden Straßenbahnmaßnahmen jetzt tatsächlich in dichter Taktfolge durchzuplanen und den Stau der oft schon vor Jahrzehnten geplanten Straßenbauprojekte aufzulösen.

„Löcher im Netz: Neue Straßenbahnen können ab 2024 vorerst nur auf den Linien 16 und 15 fahren“ erschien erstmals am 28. Januar 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 98 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten alle Artikel der letzten Jahre auf L-IZ.de zu entdecken. Über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Da gehört übrigens mehr dazu, als nur die Engstellen im Gleisbereich. (Viel zu) Oft kommt es vor, dass Straßenbahnen wegen (falsch) parkender Autos nicht durchkommen (Linie 7 Georg-Schwarz-Straße z. B.) und 100e Menschen am Fortkommen gehindert werden. Mit breiteren Straßenbahnen wird man um die Anordnung von Parkverboten (und sofortigem Abschleppen bei möglichen Behinderungen) auf vielen Straßen nicht umhin kommen…

Schreiben Sie einen Kommentar