In der nächsten Ratsversammlung wird das Thema Fahrradmitnahme in der Leipziger Straßenbahn gleich zweimal auf der Tagesordnung stehen. Zum einen hat die Freibeuter-Fraktion eine Anfrage zum Thema gestellt. Zum anderen kommt ein neugefasster SPD-Antrag zur Abstimmung. Denn während etwa in der Mitteldeutschen S-Bahn die Fahrradmitnahme selbstverständlich ist, solange die Züge nicht überfüllt sind, sind Leipzigs Straßenbahnen nicht wirklich auf Fahrräder eingerichtet. Der vorhandene Platz reicht meist gerade so für Rollstuhlfahrer/-innen und Kinderwagen.
Die Freibeuter-Fraktion zielt mit ihrer Anfrage freilich schon in die nähere Zukunft. Denn ab 2026 wollen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ja neue, breitere Straßenbahnen bestellen und zumindest schon mal auf den Linien 15 und 16 einsetzen.Aber wird dann das Mitnehmen von Fahrrädern leichter?
„Die Stadt Leipzig setzt im Rahmen der Mobilitätsstrategie 2030 auf das Nachhaltigkeits-Szenario mit dem Fokus auf eine saubere und nachhaltige Mobilität, die ‚die Verkehrslösungen auf verträgliche Weise einbettet‘. Der bis 2030 ansteigende Verkehr in Leipzig soll überwiegend über den Umweltverbund (öffentlicher Personennahverkehr, Radverkehr und Fußverkehr) erfolgen. Die Verbesserung des ÖPNV-Angebots soll dabei ein wichtiger Aspekt sein“, stellen die Freibeuter in ihrer Anfrage fest.
„Gegenwärtig ist die Fahrradmitnahme in den Straßenbahnen in Leipzig nur dann möglich, wenn die Freiräume nicht bereits durch Rollstuhlfahrer oder Kinderwagen belegt sind. Vor dem Hintergrund, dass die Leipziger Verkehrsbetriebe Ende des Jahres 2021 bei der HeiterBlick GmbH die Fertigung von Straßenbahnen im Volumen von bis zu 600 Millionen Euro beauftragt haben, fragen wir an: Hat die Stadt Leipzig als Gesellschafterin der LVB GmbH sichergestellt, dass die neuen Straßenbahnen für die Fahrradmitnahme geeignet sind? Falls nein: Welche Maßnahmen werden ergriffen, um sicherzustellen, dass die Fahrradmitnahme in den neuen Straßenbahnen der LVB uneingeschränkt möglich sein wird?“
Kann Fahrradmitnahme auch kostenlos sein?
Die Antworten wird es dann wohl am 19. Januar geben. Die SPD-Fraktion zielte mit ihrem ersten im Juli 2021 gestellten Antrag freilich auf den jetzt schon vorhandenen Wagenpark der LVB:
„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, gemeinsam mit den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) zu prüfen, zu welchen Uhrzeiten – ggf. auch gestaffelt nach Werktag und Wochenende bzw. nach Schul- und Ferienzeit – eine kostenfreie Fahrradmitnahme in den Straßenbahnen in Leipzig möglich ist. Das Ergebnis wird im 4. Quartal 2021 dem Stadtrat vorgelegt. Zielsetzung ist eine Umsetzung der Prüfergebnisse ab 2022. Mit Blick auf Ausflugsziele, wie die Seenlandschaft im Umland, sollen auch Mitnahmemöglichkeiten in Bussen geprüft und bei der Umstellung der Busflotte ggf. berücksichtigt werden.“
Bislang muss man, wenn man das Fahrrad mit in die Bahn nimmt, einen Extra-Fahrschein lösen. Was im täglichen Berufsverkehr natürlich Sinn ergibt, denn dann ist in Bussen und Bahnen nur selten Platz genug zur Mitnahme von mehreren Fahrrädern. Andererseits könnten ja die eher fahrgastschwächeren Tagesrandzeiten durchaus mit so einem Angebot verbessert werden, das hier die kostenlose Mitnahme ermöglicht.
Dem stand die Verwaltung ganz und gar nicht abweisend gegenüber. Das Verkehrs- und Tiefbauamt schrieb in seine Stellungnahme sogar: „Die kostenlose Fahrradmitnahme in Straßenbahnen und Bussen in der Schwachverkehrszeit wird dem Ziel der nachhaltigen Mobilität, durch die Integrierung des Fahrrads als ergänzendes Verkehrsmittel in eine Wegekette mit dem ÖPNV, gerecht.“
Aber eigentlich – so betont das VTA – verfolgen die LVB einen anderen Weg, das Fahrrad mit einzubinden: „Um das Fahrrad als ergänzendes Verkehrsmittel in eine Wegekette mit dem ÖPNV zu integrieren, verfolgen die LVB den strategischen Ansatz, an einem dichten Netz von Mobilitätsstationen über Partner Mietfahrräder zur Verfügung zu stellen, mit denen die ‚letzte Meile‘ zurückgelegt werden kann. Die Buchung dieser Reisekette wird über die Leipziger Mobilitäts-App MOVE unmittelbar unterstützt.“
Welche Probleme Fahrräder in der Bahn machen können
Und dass Fahrräder in der Bahn zum Problem werden können, wissen die meisten Fahrgäste aus eigenem Erleben. Auch darauf ging das VTA sehr ausführlich ein:
„Mitgenommene Fahrräder belegen nahezu einen kompletten Mehrzweckbereich und konkurrieren somit um den dortigen Platz mit Kinderwagen, Rollstühlen und Rollatoren, deren Anzahl in den vergangenen Jahren bis zum Beginn der Corona-Pandemie stetig zugenommen hat. In Bezug auf den Beförderungskomfort kann es somit durch das zu erwartende Ansteigen der Fahrradbeförderung zu immer mehr Konkurrenzsituationen zwischen den Fahrgästen kommen.
Die Folge wären überfüllte Mehrzweckbereiche, was wiederum den Ein- und Ausstieg sowie den Fahrgastfluss im Fahrzeug behindert. Grundsätzlich darf es durch die kostenlose Fahrradmitnahme somit nicht zu einer Einschränkung des Beförderungskomforts kommen, was wiederum Fahrgäste von der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel abhalten könnte.
Außerdem besteht das Risiko, dass mit steigender Anzahl mitgeführter Fahrräder auch die Anzahl sicherheitsbedenklicher Vorkommnisse steigt. In den Straßenbahnen der LVB gibt es keine Sicherungsmöglichkeit für die Fahrräder vor Umkippen. Auch verfügen Fahrräder i. d. R. über keine Feststellbremse. Beim Anfahren, Bremsen oder während einer Gefahrenbremsung könnten Mitfahrende verletzt werden.
Die möglicherweise überfüllten Mehrzweckbereiche und das daraus resultierende Ausweichen von Fahrgästen mit Fahrrädern, Kinderwagen und Rollatoren auf Bereiche, die nicht dafür vorgesehen sind, kann zudem zu sicherheitsbedenklichen Situationen führen. Aus Gründen der Sicherheit der Fahrgäste darf es somit durch die Möglichkeit der kostenlosen Fahrradmitnahme nicht zur Häufung dieser Szenarien kommen.
Ein überfüllter Mehrzweckbereich führt außerdem zu überfüllten Eingangsbereichen, was somit zu einer Verlangsamung des Ein- und Ausstiegs und letztendlich zu längeren Haltestellenaufenthaltszeiten führen kann. Einer drohenden Verringerung der Beförderungsgeschwindigkeit muss hierbei entgegengewirkt werden, da andernfalls die Attraktivität des ÖPNV letztlich geschwächt werden würde.“
Alles berechtigte Bedenken. Also braucht es so eine Art Test, ob und wann die kostenlose Fahrradmitnahme funktionieren könnte.
Ein Jahr testen und evaluieren
Die SPD-Fraktion hat ihren Antrag deshalb noch einmal umgeschrieben und die Stellungnahme des VTA weitgehend übernommen.
Dabei konkretisiert sich jetzt der Rahmen für ein mögliches Testprojekt bei den LVB: „Der OBM wird beauftragt, gegenüber LVB und MDV darauf hinzuwirken, dass für einen Testzeitraum von einem Jahr in den Schwachverkehrszeiten gemäß Nahverkehrsplan (NVP) (zweite Fortschreibung – VI-DS-08001) von Montag bis Sonnabend in den Zeiträumen von 19:30 bis 06:00 Uhr und am Sonntag ganztägig eine kostenfreie Fahrradmitnahme in den Straßenbahnen und Bussen in der Tarifzone 110 ermöglicht wird.“
Das VTA hatte für den Test „eine Befristung auf ein Jahr empfohlen, um alle Jahreszeiten in die Evaluierung einbeziehen zu können.“
Ohne so eine Berichterstattung macht das Projekt ja keinen Sinn. Hinterher sollte man schon wissen, ob die kostenlose Fahrradmitnahme angenommen wird. Und so beantragt jetzt auch die SPD-Fraktion: „Rechtzeitig nach Ablauf des Testzeitraums wird dem FA Stadtentwicklung und Bau/dem Stadtrat eine schriftliche Auswertung vorgelegt und ein Vorschlag unterbreitet, ob das Modellprojekt dauerhaft durch LVB und MDV übernommen werden kann.“
Die Unterstützung der Verwaltung hat die SPD-Fraktion schon einmal. Am 19. Januar wird sich zeigen, ob auch andere Ratsfraktionen so einen Test zur Fahrradmitnahme gutheißen.
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