Es ist schon erstaunlich, wenn sich der Autofahrerclub ADAC einmal rührend um die ÖPNV-Ticket-Preise in deutschen Großstädten kümmert. Was der ADAC ja tatsächlich wieder getan hat. Und das auch noch mit einem erstaunlichen Argument: „Eine wichtige Maßnahme, um überfüllte Innenstädte zu entlasten, ist es, stärker auf den ÖPNV zu setzen.“ Was man auf zweierlei Art tun kann: entweder mit mehr Investitionen oder mit besseren Fahrpreisen.
Aus diesem Grund hat sich der ADAC in 21 deutschen Städten die Preise des öffentlichen Nahverkehrs genauer angeschaut und miteinander verglichen, meldet jetzt der ADAC Sachsen und staunt: „Gerade in Sachsen kommt bei der Untersuchung ein großer Preisunterschied zwischen den beiden Großstädten Dresden und Leipzig ans Licht. Im gesamten Test hat sich Dresden häufig einen der ersten Plätze bei den günstigsten Preisen gesichert, während Leipzigs Ticketpreise häufig auf einem der hinteren Plätze zu finden sind.“Was so nicht ganz zutrifft. Leipzig landet auch in diesem ADAC-Preisvergleich eher im Mittelfeld.
Nur: Was haben die ADAC-Leute da eigentlich verglichen? Dass sie erst einmal richtig gestaunt haben, erzählt eher davon, dass ihnen die Materie auch beim erneuten Test nicht wirklich vertraut ist.
Oder im Text des ADAC: „Bei der Nutzung von Bus, Tram und U-Bahn in deutschen Großstädten ist das Angebot der Standardtickets an Einzelfahrten, Tages-, Wochen- und Monatstickets in den Städten identisch. Große Überraschungen dürften ÖPNV-Kunden jedoch beim Bezahlen der jeweiligen Fahrscheine erleben: Um mehr als das Doppelte unterscheiden sich teils die Preise einzelner Tickets je nach Stadt, obwohl überwiegend gleichwertige Leistungen enthalten sind. Die größte Spannweite von über 100 Prozent fanden die Tester bei den Wochenkarten für Erwachsene, die in Berlin 36 Euro und in München 17,80 Euro kosteten.“
Die ADAC-Erhebung scheint auf den ersten Blick sogar eine positive Entwicklung festzustellen: „Seit dem ersten ADAC Vergleich 2019 sind die Preise je nach Ticketart insgesamt nur moderat zwischen 1,33 und 5,11 Prozent gestiegen.“
Würde nicht praktisch zeitgleich „Die Zeit“ melden: „ÖPNV wird bundesweit teils deutlich teurer“.
Jede Stadt kocht ihr eigenes Süppchen?
Denn tatsächlich haben die Verkehrsunternehmen überhaupt nicht viel Spielraum, ihre Preise frei zu bestimmen. Jede unterlassene Preissteigerung bedeutet höhere Subventionen durch die Träger – in den meisten Fällen Kommunen.
Denen der ADAC tatsächlich attestiert: „Auch die zweite ADAC-Studie hat gezeigt, dass die deutschen Städte von einheitlichen ÖPNV Ticketpreisen noch meilenweit entfernt sind. Die großen Spannen und wie diese zustande kommen, liegt meistens an der Preispolitik der Kommunen und ist auch von der Förderung durch Bund, Länder und Kommunen abhängig.“
Doch mit „Preispolitik“ hat die Preisgestaltung in den meisten Kommunen wenig zu tun. Vielen fehlt schlichtweg das Geld, tatsächlich aktiv einen Ausbau des ÖPNV zu betreiben. Denn nur auf den ersten Blick scheinen die Preise der Grund dafür zu sein, dass Menschen nicht mit Bus und Bahn fahren.
Wer genauer hinschaut, merkt, dass fehlende oder unzureichende ÖPNV-Angebote viel stärker ins Gewicht fallen. Ein Thema, das gerade der „Spiegel“ aufgegriffen hat: „Abhängigkeit vom Auto: 55 Millionen Menschen ohne ausreichenden Nahverkehr“.
Jahrzehntelang wurden in Deutschland ÖPNV-Angebote in der Fläche zurückgebaut. Was logischerweise Millionen Menschen dazu zwang, sich eine Alternative zu suchen. Gleichzeitig wurden die Subventionen für den ÖPNV zurückgefahren, was die Verkehrsunternehmen dazu zwingt, nur noch rentable Strecken zu befahren.
Dafür gibt der Bund 550 Millionen Euro jährlich für die Pendlerpauschale aus. Oder besser: lässt er bei der Steuer nach. Aber davon profitieren vor allem Autofahrer. „Es fließt viel Geld an Leute, die es nicht brauchen“, titelte der „Spiegel“.
Ein Land subventioniert klimaschädigendes Verhalten
Aber das nur am Rand. Denn es geht nicht nur um die Pendlerpauschale. Auf 28,6 Milliarden Euro beziffert das Umweltbundesamt allein die umweltschädlichen Subventionen im Verkehr – 12 Milliarden davon im Flugverkehr. Und zwar jährlich. Das sind Summen, mit denen der deutsche ÖPNV schon seit Jahren hätte zukunftstauglich gemacht werden können.
Summen, die aber auch davon erzählen, welch enormen Einfluss fossile Verkehrsunternehmen auf die Bundes- und Länderpolitik, haben. Obwohl alle wissen, dass man auch umweltfreundliches Handeln über Preise steuert. Nur ist es ein ziemlich grober Unfug, ausgerechnet Verkehrsarten zu subventionieren, die unser Klima in Mitleidenschaft ziehen.
Aber wie betrachtet dann eigentlich der ADAC die Preise im ÖPNV?
Das klingt so: „Im Vergleich mit allen 21 Städten schafft es Dresden durchweg unter dem
Durchschnittspreis zu liegen. Lediglich bei der Kinderfahrkarte (Einzelfahrt ermäßigt) liegt Dresden mal 11 Cent über dem Durchschnitt. Just in der Kategorie Kinderfahrkarte steht Leipzig mal an der bundesweiten Spitze mit 39 Cent unter dem Durchschnitt.“
Aber irgendwie haben die Vergleicher dann doch gestutzt. Irgendwie schwante ihnen, dass ihr Vergleich gewaltig hinken könnte: „Ein direkter Vergleich der unterschiedlichen Städte und ihrer Preise ist schwierig, da keine Stadt einer anderen komplett gleicht und so auch die Bedürfnisse und Anforderungen meist nur zum Teil vergleichbar sind.“
Und kein ÖPNV-Netz gleicht dem anderen.
Haben Sie ein Tankstellen-Abo?
Und ADAC-Tester sind ganz augenscheinlich keine regelmäßigen ÖPNV-Nutzer, auch wenn sie jetzt so tun, als könnten sie das System überschauen: „Der Test des ADAC zeigt jedoch die unterschiedlichen Preisstrukturen an, die den Geldbeutel der jeweiligen Nutzer betreffen. Um für den Mobilitätswandel gewappnet zu sein und mehr Menschen zu den öffentlichen Nahverkehrsmitteln hinzuführen, bedarf es aber noch einiger Ideen, Innovationen und Preisstrukturen, die den ÖPNV zu einem attraktiven Ersatz zum motorisierten Individualverkehr werden lassen.“
Das kann man so sagen. Aber das, was der ADAC abgebildet hat, sind nicht die Preise, die ÖPNV-Nutzer tatsächlich zahlen. So seltsam das klingt: Es sind die Tankstellen-Preise.
Denn nichts macht deutlicher, dass hier Autofahrer versucht haben herauszubekommen, wie man ÖPNV tanken kann. Da guckt man nämlich auf die Preise an der Tanksäule. Oder eben dem Fahrkartenautomaten.
Aber die meisten ÖPNV-Nutzer benutzen keinen Fahrkartenautomaten. Denn sie haben etwas in der Tasche, was Autofahrer so nicht kennen: ein Abonnement. Man fährt nämlich nicht nur einmal oder einen Tag oder eine Woche oder einen Monat mit dem ÖPNV.
Wirklich attraktiv wird er nämlich erst, wenn man ihn dauerhaft nutzt, also sich ein Abonnement besorgt, bei dem auch der monatliche Abbuchpreis deutlich niedriger liegt als die für Leipzig vom ADAC aufgelisteten 82,10 Euro.
Ein Basis-Abo kostet bei den LVB derzeit 59,90 Euro im Monat. Wer dafür jeden Tag fährt, kommt locker unter den Preis eines Einzeltickets pro Fahrt. Ein Abonnement lädt geradezu dazu ein, mehr mit dem ÖPNV zu fahren, weil es eben nicht mehr kostet. Dafür die Straßen deutlich entlastet.
Es geht eben nicht darum, mal einen Monat mit Bus und Bahn zu fahren, sondern seine Mobilitätsgewohnheiten komplett umzustellen. Was dann wieder viel mit Angebot, Barrierefreiheit und Netzdichte zu tun hat. Also mit dem Gefühl, ob ÖPNV etwas Selbstverständliches ist, oder nur ein knauseriges Zugeständnis an Leute, die nicht mit dem Auto fahren wollen.
Tatsächlich lässt auch diese ADAC-Erhebung ahnen, wie sehr die Priorität des Autos in unseren Köpfen sitzt. Und das Denken in der Kategorie autogerechte Stadt. Gerade dieses Denken macht die Verkehrswende in allen Großstädten Deutschlands so schwer.
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Es gibt 2 Kommentare
Ich hätte eine andere Formulierung gewählt, aber ja, genau das waren auch meine Gedanken. Überheblich im Tonfall. Bloß mit welchem Ziel? Oft genug werden doch auch in dieser Zeitung Artikel mit Kritik zu den Preisen veröffentlicht. Darf der ADAC das dann nicht, oder wogegen richtet sich das ganze Pamphlet?
“Man fährt nämlich nicht nur einmal oder einen Tag oder eine Woche oder einen Monat mit dem ÖPNV.”
So ist das nämlich!
“Da guckt man nämlich auf die Preise an der Tanksäule. Oder eben dem Fahrkartenautomaten.”
So macht man da dann nämlich!
Also ich bleibe da schon bisschen ratlos zurück. Ich nutze das Auto doch auch nicht regelmäßig, die Leipziger Öffentlichen erst recht selten. Klar kann man verlangen, dass bei einem solchen Vergleich die Tarifstruktur bis ins Detail analysiert wird, aber wer liest das dann noch?
Wieder ein Klugscheißerartikel. Sorry ist so. Sehr oft ein “ich bin ja so klug und die anderen alle doof” Tonfall. Liest sich wie ein Meinungsartikel, unschön. Eigentlich sonst gute Zeitung, mit vielen regionalen Informationen. Diese 60€ sind für eine Zone. Pendler kommen aber von weiter weg. Nun ist die Wahrheit, dass Autofahrer die Abos nicht kennen und diese auch abschrecken. Kannte ich am Anfang auch. Habe mich mit Monatskarte rangetastet.