Es zeichnete sich früh schon ab in unserer aktuellen Serie zu den Problemstellen im HauptnetzRad, dass diesmal das Verkehrsdezernat tatsächlich schon dabei ist, alte, längste bekannte Problemstellen anzugehen. Anders als 2015, als das 2012 beschlossene Radstreifenprogramm einfach gestoppt worden war und jahrelang nichts passierte. Eine Petition des Ökolöwen hat jetzt zur Folge, dass die Stadt ihr Radstreifenprogramm weiter forciert.
Über 4.000 Menschen hatten die Petition des Ökolöwen unterschrieben, die forderte, Leipzig solle 10 neue (Pop-up-)Radwege pro Jahr zusätzlich markieren. Hintergrund ist natürlich das Radverkehrsentwicklungskonzept 2010–2020, das nur zu einem Viertel umgesetzt wurde.Und das größte Manko war, dass ausgerechnet das Radstreifenprogramm mittendrin abgebrochen worden war, nachdem augenscheinlich irgendjemand in der Verwaltungsspitze das große Fracksausen bekommen hatte, weil die üblichen lautstarken Autolobbyisten über die konservative Tageszeitung der Stadt richtig Stimmung machten.
Womit ausgerechnet die umweltfreundliche Verkehrsart Radverkehr über Jahre regelrecht ausgebremst wurde, obwohl jede, wirklich jede Bürgerumfrage belegte, dass viele Leipziger/-innen nur zu gern mit dem Rad fahren würden – wenn die Radwege nur sicher und getrennt vom Kfz-Verkehr wären.
Das wurde dann auch endlich Thema, als der Stadtrat 2019 den Klimanotstand ausrief und OBM Burkhard Jung im Sommer 2020 sein Sofortmaßnahmenprogramm vorstellte, das auch die Schaffung neuer Radfahrstreifen beinhaltete. 250.000 Euro wurden damit extra bereitgestellt, um die Radverkehrsinfrastruktur zu verbessern. Seitdem meldet das Verkehrsdezernat ja recht regelmäßig, dass neue Radfahrstreifen angelegt wurden. In gewisser Weise traf die Petition des Ökolöwen auf weit geöffnete Türen. Das formuliert das Verkehrs- und Tiefbauamt jetzt in der Stellungnahme des Verkehrsdezernats auch so.
Sechs neue Radstreifenvorhaben noch 2021/2022
„Die Petition wird in ihrem Grundanliegen von der Verwaltung unterstützt. Es ist bereits Verwaltungshandeln, den Radverkehr in Hauptverkehrsstraßen sicherer und (zur Förderung des Radverkehrs als wichtigen Verkehrsträger bei der Umsetzung der Mobilitätsstrategie 2030) auch komfortabler zu gestalten“, heißt es darin.
„Bei der Neugestaltung von Hauptverkehrsstraßen ist die Einordnung von Radverkehrsanlagen Planungsgrundlage. Ein Großteil der inzwischen 525 km Radverkehrsanlagen im Stadtgebiet, davon 135 km Radfahrstreifen, befindet sich im Hauptstraßennetz. Dies ist einer der Gründe, warum die Leipziger/-innen inzwischen rund ein Fünftel der Wege in Leipzig mit dem Rad zurücklegen und Leipzig im ADFC-Fahrradklimatest 2018 und 2020 unter den deutschen Großstädten auf den vorderen Plätzen zu finden war.“
Der letzte Satz klingt zwar gut, verkennt aber die Tatsache, dass sich die Bewertungen im Leipziger Fahrradklimatest nicht verbessert haben. Im Gegenteil: Das Gefühl der Unsicherheit dominiert. Eben weil das Radwegenetz lückenhaft ist und nach wie vor gespickt mit Kreuzungen und Straßenabschnitten, in denen die Radfahrer immer wieder in unübersichtlichen und deshalb gefährlichen Situationen landen.
Aber ein SPD-Antrag hatte ja schon für etwas Bewegung in der Sache gesorgt. Das bestätigt auch das VTA: „Das vom Stadtrat beschlossene und dabei auch noch ergänzte Aktionsprogramm Radverkehr 2021/22 sowie der auch beschlossene Haushalt für die Jahre 2021/22 bilden das ab, was zur weiteren Förderung des Radverkehrs in diesen beiden Jahren geleistet werden kann. Dabei sind sowohl zusätzliche Mittel als auch Personalstellen für die Aufgabe der Radverkehrsförderung im Rahmen der Mobilitätsstrategie berücksichtigt worden.“
Da also jedes Jahr zehn zusätzliche Radstreifen obendrauf? Erstaunlicherweise lehnt das Verkehrsdezernat das ganz und gar nicht ab: „Mit dem Alternativvorschlag zur Petition wird nun unterbreitet, für weitere bis zu sechs Straßenabschnitte bis Ende 2022 die Anordnung von Radverkehrsanlagen zu prüfen und umzusetzen. Dazu wurden bereits potenziell denkbare und auch bereits bei verschiedenen Demonstrationen von Petentenseite und anderen Akteuren vor Ort aufgezeigte Straßenabschnitte vorgeprüft. Es wurden einerseits aussichtsreiche und andererseits aus verschiedenen Gründen nicht aussichtsreiche Straßenabschnitte identifiziert (Tab. 1 und Tab. 2 in der Anlage). Im Anschluss an die detaillierte Prüfung können, beginnend ggf. noch 2021, bis Ende 2022 an bis zu sechs weiteren Straßenabschnitten Radfahrstreifen eingerichtet werden.“
Die Pläne des VTA zu zusätzlichen Radfahrstreifen.
Und zu den sechs Straßenabschnitten, die das VTA jetzt tatsächlich abmarkieren will, gehören natürlich auch einige, die wir in unserer Reihe noch im Visier hatten.
Vier Problemstellen auf dem Radar
Nr. 13: Da ist zuallererst der Westliche Innenstadtring – und zwar der Abschnitt Gottschedstraße bis Karl-Tauchnitz-Straße, der nach der Markierung des Abschnitts Käthe-Kollwitz-Straße bis Gottschedstraße noch übrig geblieben ist und wo sich Radfahrer/-innen auf einmal in den Mischverkehr einordnen müssen. Die Verwaltung zögert hier, weil in Spitzenstunden immernoch um die 2.000 Kraftfahrzeuge hier langfahren.
Wenn man deren Spuren verringert, wird es natürlich eng. Andererseits zeigt ja selbst die aktuelle Baustelle am Martin-Luther-Ring, dass Kraftfahrer dann natürlich ausweichen und andere Routen nutzen wie die über die Marschnerstraße. Denn der Leipziger Innenstadtring ist ja geradezu ein Magnet für Kraftfahrer, weil sie hier freie Fahrt und mehrere Spuren haben.
Das animiert nicht wirklich, über alternative Routen nachzudenken, während Radfahrer/-innen, die von Nord nach Süd durch die Innenstadt wollen, eigentlich nur die Wahl zwischen lauter Zumutungen haben. Eine direkte Fahrt von der Pfaffendorfer Straße bis zur Karl-Tauchnitz-Straße ist nur möglich, wenn man das lange Zwischenstück im Mischverkehr auf sich nimmt. Bei den hohen Geschwindigkeiten und der Dichte des Kfz-Verkehrs dort eigentlich eine echte Herausforderung, aber ganz bestimmt keine Einladung zum Radfahren.
Nr. 14: An der Merseburger Straße bis zur Schomburgkstraße stadteinwärts. Auf diesen brisanten Straßenabschnitt hatte 2020 der ADFC mit einer Fahrraddemo aufmerksam gemacht. Denn während der Kfz-Verkehr hier schnell und asphaltiert rollt, werden Radfahrer/-innen und Fußgänger/-innen auf einen Schlammpfad neben der Straße abgedrängt. Sich hier in den Kfz-Verkehr einzuordnen, ist schon aufgrund der hohen Geschwindigkeiten eher lebensgefährlich.
Aber auch hier gilt jetzt, was das VTA zu den sechs zusätzlichen Maßnahmen schreibt: „Die Maßnahmen werden, je nach Bearbeitungsaufwand und -stand und in Abhängigkeit der Witterungsbedingungen, ggf. noch in 2021 beginnend, im Laufe des kommenden Jahres 2022 umgesetzt. Im Zeitraum Mitte Oktober bis Mitte April können wegen des Wegfalls verarbeitungsbedingter Gewährleistungsansprüche bei Temperaturen unter 10 Grad Celsius i.d.R. keine Markierungsarbeiten ausgeführt werden.“
Nr. 15: Die Linkelstraße von der Stammerstraße bis Georg-Schumann-Straße. Auch so ein „Überbleibsel“. Denn im Zusammenhang mit dem Bau der Travniker Straße war der nördliche Abschnitt der Linkelstraße schon umgebaut und mit Radfahrstreifen versehen worden. Man kommt also problemlos bis zur Stammerstraße.
Aber genau da verenden die Radfahrstreifen wieder – diesmal nicht mal auf der Kreuzung, sondern unter den rechts und links geparkten Autos. Ein Unding und eine Zumutung, die zwangsläufig zu brenzligen Situationen führt. Die Markierung von Radfahrstreifen bis vor zur Georg-Schumann-Straße ist hier seit Jahren überfällig.
Nr. 16: Die Riebeckstraße: Hier ist eigentlich die komplette Riebeckstraße fällig, vom Täubchenweg bis zur Prager Straße. Ein ewiges Dauerthema sind die (fehlenden) Radstreifen auf der Riebeckbrücke, die auch Christian Ganzer in seiner Wortmeldung ansprach: „Danach Steigung in der Riebeckstraße, wodurch sich die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Autos und Rädern stark vergrößert. Tempo 30 würde hier helfen, gibt es aber nicht an der Steigung. Auch hier kein Radstreifen. Viele Radler meiden diesen Bereich und nehmen Umwege in Kauf.“
Womit er den Effekt anspricht, den solche Nicht-Lösungen für den Radverkehr mit sich bringen. Radfahrer weichen aus oder lassen das Rad dann doch lieber zu Hause. Der Radverkehr entwickelt sich also nicht weiter.
Das VTA will jetzt zumindest einen ersten Abschnitt in der Riebeckstraße mit Radfahrstreifen ausstatten: von der Stötteritzer Straße bis zur Mühlstraße. Immerhin ein Anfang. Dort sind aktuell schon die meisten Radfahrer/-innen unterwegs – zum Einkauf oder in Richtung Lene-Voigt-Park. Wo es dann freilich doch wieder eng wird, denn ab der Mühlstraße fehlen ja die Radfahrstreifen wieder, verengt sich die Straße auch durch die LVB-Haltestelle wieder. Dabei wäre eine Fortführung mindestens bis zur Oststraße nahe liegend, denn das ist die erste kreuzende Straße, die selbst wieder Radfahrstreifen hat.
Nr. 17: Die Erich-Zeigner-Allee. Das ist wirklich so ein Problemkind. Dutzende Beschwerden haben sich damit schon beschäftigt, vor allem mit der wilden Parksituation, die Schulkinder genauso gefährdet wie Radfahrende. Zuletzt hat das Ordnungsamt hier stärker durchgegriffen, Tempo 30 gibt es an der Schule seit drei Jahren. Aber schon seit 2017 prüft das VTA hier, Radfahrstreifen anzulegen. Und man grübelt wirklich darüber, warum das nicht bis jetzt passiert ist.
Denn nicht nur am nördlichen Ende war die Parksituation oft heillos, das ist sie auch am südlichen Ende. Dort quälen sich ja gerade die Ersatzbusse durch ein viel zu enges Nadelöhr, seit am Adler mal wieder gebaut wird. Das staut sich bis weit in die Altranstädter Straße zurück und für Radfahrer bleibt her ganz unübersehbar kein Platz, es sei denn, sie fahren konsequent auf dem Gehweg.
Das lässt sich nun einmal nur lösen, indem ihnen wirklich endlich eine eigene Radspur eingeräumt wird. Und genau das soll jetzt passieren, kündigt das VTA an und zwar auf der kompletten Strecke von der Karl-Heine-Straße bis zur Antonienstraße.
Und ein alter Bekannter ist auch noch in der Liste:
Nr. 18: Ja, tatsächlich ist unsere Problemstelle Nr. 1 auch mit in der Liste, der Abschnitt der Berliner Straße von der Kurt-Schumacher-Straße bis zur Erich-Weinert-Straße. Hier werden die Radfahrer/-innen mitten auf der Kreuzung in den Mischverkehr gelenkt und erleben entsprechend oft gefährliche Situationen mit dem parallel fahrenden, zweispurigen Kfz-Verkehr. Leser Martin Mütterlein hatte sich dazu schon beim VTA beschwert und auch schon entsprechend Auskunft erhalten, dass sich das ändern soll.
Das VTA schrieb ihm: „Bei der Berliner Straße handelt es sich um eine relativ viel befahrene Hauptverkehrsstraße. Aus Gründen der Luftreinhaltung wurde für den Abschnitt zwischen Kurt-Schumacher-Straße und Erich-Weinert-Straße im Jahr 2019 eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h angeordnet. Der Radverkehr wird derzeit im Mischverkehr geführt, was angesichts der Verkehrsbelegung sowie der auch von Ihnen beschriebenen Verhaltensweisen des Kraftverkehrs keine zufriedenstellende Situation darstellt. Seit einiger Zeit laufen daher bereits Planungen, in dem genannten Abschnitt der Berliner Straße Radverkehrsanlagen einzurichten.“
„Zulasten jeweils einer Fahrspur sollen dazu Radfahrstreifen markiert werden. Dadurch soll die Situation für Radfahrende an sich verbessert werden. Zudem wird davon ausgegangen, dass durch die damit einhergehende Reduzierung auf jeweils nur noch eine Fahrspur auch das Geschwindigkeitsniveau sinkt. Zur Umsetzung dieser Verkehrsregelung laufen derzeit noch einige Abstimmungen. Wir gehen jedoch davon aus, dass noch in diesem Jahr Radfahrstreifen markiert werden können. Bis dahin kann nur das Ordnungsamt bzw. die Polizei durch regelmäßige Kontrollen Abhilfe schaffen. Die Berliner Straße wird dazu nunmehr regelmäßig im Rahmen der verfügbaren personellen Ressourcen und optimaler Standortbedingungen für Geschwindigkeitsmessungen regelmäßig in die laufenden Verkehrsüberwachungen einbezogen.“
In Spitzenstunden brettern hier über 1.400 Kfz durch. Aber das VTA hat den Abschnitt jetzt in die Liste der sechs Straßen aufgenommen, die noch 2021/2022 zusätzlich mit Radfahrstreifen markiert werden sollen.
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Es gibt 5 Kommentare
@L-IZ-Redaktion:
Könnt ihr der Verwaltung noch entlocken, was genau sie für die Erich-Zeigner-Allee plant? Gerade auf dem im Foto gezeigten Abschnitt reicht der Platz doch höchstens für “Schutz”streifen, auf die die Autofahrer ausweichen müssen, sobald es Gegenverkehr gibt.
Zu den Strassenabschnitten, deren Vorprüfung kein positives Ergebnis brachten, gehört die Wurzner Strasse, zwischen Rüdiger- und Emmausstrasse (eine Radschnellverbindung!!!). Grund: “Fehlender Ausweich Stellplätze”. Nun sind doch aber die Autofahrenden für ihren Stellplatz selbst verantwortlich. Was soll also dieser Nullsatz? Und wann werden die Auspufflutscher im VTA endlich vor die Tür gesetzt? Stadtpolitik und Stadtgesellschaft hatten sich auf eine Verkehrswende geeinigt!
Das hat nix mit hippen Radfahrern zu tun, eher ist es der natürliche Überlebensinstinkt, bzw Faktor Zeit.
Der MiV ist an der Stelle einfach zu sehr bevorzugt, selbst der ruhende.
Völlig unverständlich die komplette Umleitung über die EZA mit weiterhin parkenden PKW zu führen.
ÖPNV, Müllentsorgung, ein und ausparkende PKW,
Anfangs hat sich der Rettungsdienst mit Blaulicht ins Getümmel gestürzt, im Gegensatz zu manch einem Pendler haben sie aus ihrem Fehler nach dem ersten Mal gelernt….
grins… passt dazu, dass die hippen Radfahrer versuchen, auf ihren Maschinen Auto zu fahren. Das geht auf Fußwegen natürlich am besten.
Die Erich Zeigner hat es wirklich nötig. Die derzeitige Situation Antonien bis Limburger Str ist nicht mehr zumutbar.
Wenn man aus der Haustür läuft muss man sich vergewissern das man nicht von einem Radfahrer übern Haufen gefahren wird.
Völlig verständlich das man den Gehweg nutzt, allerdings könnte der ein oder andere die Geschwindigkeit dementsprechend anpassen…