Die Kochstraße ist nun tatsächlich noch nicht Bestandteil des HauptnetzRad der Stadt Leipzig. Aber sie ist als mögliche wichtige Fahrradroute schon lange im Gespräch, auch schon seit dem Radverkehrsentwicklungsplan 2010–2020. Richtig auf die Tagesordnung brachte sie die CDU-Fraktion, die 2019 beantragte, die Kochstraße zur Fahrradstraße auszubauen. Das ginge schon, teilt die Verwaltung nun mit. Das kostet aber Zeit und Geld.

Mit dem einfachen Auftragen von Signets auf den Fahrbahnbelag ist es hier nicht getan, wie das Verkehrs- und Tiefbauamt jetzt ausführt in seinem Bericht zur Umsetzung des entsprechenden Stadtratsbeschlusses.Die eigentliche Hauptroute in der Südvorstadt und Connewitz ist eigentlich die Karl-Liebknecht-Straße, wo heute schon so viele Radfahrer/-innen unterwegs sind, dass das Jugendparlament 2019 durchaus mit Recht vorschlug, den Nordteil der KarLi zur Fahrradstraße zu machen.

Aber da wehrte sich auch Leipzigs Verwaltung mit Händen und Füßen und dem Verweis auf die letzten Verkehrszählungen, die noch ein Übergewicht der gezählten Kraftfahrzeuge gegenüber den Radfahrer/-innen ergeben hatte.

So gesehen war der Antrag der CDU-Fraktion, die Kochstraße als mögliche Fahrradstraße zu prüfen, durchaus auch ein Ausweichversuch, nachdem auch die eigentlich zum Ausbau als Fahrradstraße vorgesehene Bernhard-Göring-Straße irgendwo in den Planungen feststeckt und die Straße über die Verhängung von Tempo 30 noch nicht hinausgekommen ist.

Aber die Kochstraße?

Den Abgabetermin für den Prüfbericht Ende 2020 hat das VTA zwar verpasst. Aber das Fazit macht im Grunde deutlich, dass in der Kochstraße eine Menge mehr passieren muss als nur das Anbringen von Fahrradstraßen-Schildern.

„Der Prüfauftrag der Ratsversammlung wurde mit dem Ergebnis abgeschlossen, dass die Anordnung einer Fahrradstraße nur bei Herstellung folgender Bedingungen möglich ist: Die Fahrbahnoberfläche in der Kochstraße ist zunächst auf ca. 1.200 m zu erneuern, um eine sichere und ausreichende Qualität für den Radverkehr herzustellen.

Erst dann ist zu erwarten, dass zwischen Südplatz und Connewitzer Kreuz eine Radverkehrsfrequentierung erreicht wird, welche die Kriterien zur Ausweisung einer Fahrradstraße nach dem aktuellen Straßenverkehrsrecht erfüllt (Feststellung einer hohen Radverkehrsdichte und Bedeutung für das Hauptnetz Rad).

Dabei wird der IR-II-Trassenkorridor des HauptnetzRad sowohl auf der Karl-Liebknecht-Straße wie auch auf der Kochstraße gesehen, sodass auch die Kochstraße bei entsprechender Attraktivität durch eine durchgängige Befahrbarkeit eine entsprechende Netzbedeutung aufweist.“

Denn für die bislang als Fahrradstraßen ausgewiesenen Straßen in Leipzig war schon eindeutig eine hohe Frequenz von Radfahrenden erreicht. Auf der Kochstraße ist das nicht der Fall, und der Grund dafür ist nicht nur das streckenweise unzumutbare Pflaster, sondern auch die Existenz von zwei sehr unübersichtlichen Kreuzungen und großenteils eine Unübersichtlichkeit, die Radfahren hier nicht wirklich attraktiv macht. Mehr Radverkehr bekommt man hier nur hin, wenn man die Straße tatsächlich sicher und komfortabel für den Radverkehr macht.

„Die Ertüchtigung der Kochstraße für den Radverkehr ist bislang finanziell und zeitlich nicht eingeordnet“, betont das VTA. „Es können zwei Varianten umgesetzt werden, die sich vom Planungsaufwand und von den Kosten her deutlich unterscheiden. Für die weitere Planung wird die günstigere Variante gewählt, wobei hierbei die Seitenbereiche inkl. Gehwege nicht erneuert werden, sondern nur die Fahrbahn, um die durchgängige Benutzung der Kochstraße für den Radverkehr attraktiv zu gestalten.“

Aber diese preiswertere Variante allein würde ungefähr 833.000 Euro kosten und mindestens zweieinhalb Jahre in der Umsetzung brauchen. Dabei würde die Straße zwischen Werk 2 und Gustav-Freitag-Straße asphaltiert werden müssen.

Und weiter stadteinwärts schließen sich weitere Abschnitte mit problematischem Pflaster an: „Der sich nach Norden anschließende Abschnitt von der Gustav-Freitag- bis zur Richard-Lehmann-Straße besitzt eine Asphaltdecke. Diese ist geprägt durch wiederhergestellte Leitungsgräben und kleinere Unebenheiten. Er besitzt eine Länge von ca. 221 m und eine mittlere Breite von ca. 11,00 m. Auch hier ist ein Ersatzneubau erforderlich.

Auch im Abschnitt von Richard-Lehmann- bis Kurt-Eisner-Straße besitzt die Kochstraße eine Pflasterdecke. Diese weist Unebenheiten, Reparaturstellen mit Asphalt und einige Schadstellen auf. Der Abschnitt hat eine Länge von ca. 630 m und eine mittlere Fahrbahnbreite von ca. 11,00 m. Ein Ersatzneubau ist auch für diesen Abschnitt erforderlich.

Lediglich im Bereich zwischen Kurt-Eisner- und Schenkendorfstraße besitzt die Kochstraße eine Asphaltfahrbahn und in Pflaster ausgeführte Parkstände. Der Abschnitt ist in einem sehr guten baulichen Zustand, für den kein Handlungsbedarf besteht.“

Das Kopfsteinpflaster im Südteil der Kochstraße. Foto: Ralf Julke
Das Kopfsteinpflaster im Südteil der Kochstraße. Foto: Ralf Julke

Dieser Abschnitt wäre eigentlich die Blaupause für die anderen. Aber in der Spar-Variante würde nur das Pflaster erneuert und durch Asphalt ersetzt, ein grundhafter Umbau wird unterlassen. Wollte man den umsetzen, bräuchte das ganze Projekt 3 Jahre und 7 Monate zur Umsetzung und würde 3,67 Millionen Euro kosten. Was erst einmal viel klingt. Aber gerade in diesen Leipziger „Seitenstraßen“ wird immer wieder deutlich, dass Leipzigs Etat für den Straßenbau seit 1990 unterfinanziert ist.

Und man muss es auch noch einmal betonen: Dass dem so ist, liegt an der von uns Wählern gewählten deutschen Steuerpolitik, die seit 1990 immer wieder eine sogenannte Steuersenkungspolitik ist, die rein rechnerisch dem Bundeshaushalt jährlich rund 90 Milliarden Euro entzogen hat. 90 Milliarden Euro, die vor allem den Vielverdienenden zugutekamen. Das ist nicht nur die Ursache für die zunehmende Lücke zwischen Arm und Reich, es ist auch die Ursache dafür, dass die Kommunen in Deutschland unterfinanziert sind – und zwar gerade jene, die wie Leipzig auf hohe Landes- und Bundeszuweisungen angewiesen sind.

Das verfügbare Geld investiert Leipzig fast komplett ins Hauptstraßennetz. In den Nebenstraßen wird meistens nur geflickt, obwohl sie fast alle dringenden Sanierungsbedarf haben. Was Radfahrer/-innen natürlich zu spüren bekommen, wenn sie über dieses vorsintfliutliche Pflaster (wie im Südteil der Kochstraße) fahren müssen.

Bei den ausgewiesenen Summen kann es nicht bleiben

Und dabei hat das VTA noch gar nicht alles geprüft, denn gerade die Sicherheitsaspekte für Radfahrer/-innen in der Kochstraße sind praktisch noch völlig ungelöst.

In der Vorlage heißt es: „Eine Bevorrechtigung des Radverkehrs kann nur mit baulichen Mitteln und einer entsprechend hochwertigen Gestaltung der Kochstraße erzielt werden. Dem Fahrzeugführer muss mit baulichen Mitteln verdeutlicht werden, dass er sich in einer bevorrechtigten Fahrradstraße befindet. Eine abschließende Beurteilung ist erst im Zuge einer Planung unabhängig von der Variante möglich.

Inwiefern die Querungsbedingungen über die Kurt-Eisner- und die Richard-Lehmann-Straße verbessert werden können, muss ebenfalls planerisch untersucht werden. Im Bestand unterscheiden sich die Querungsbedingungen nicht zu anderen Straßen, wie beispielsweise Bernhard-Göring-Straße, Fockestraße und Brandvorwerkstraße. Um die Sicht auf und für querende Radfahrer zu verbessern, muss insbesondere der ruhende Verkehr auf dem Mittelstreifen durch bauliche Maßnahmen in Höhe der Querungsstellen unterbunden werden.“

Die drei erwähnten Parallelstraßen aber sind für Radfahrer/-innen bislang noch ähnlich unattraktiv wie die Kochstraße. In der Bernhard-Göring-Straße mussten auch einige Abbiegebeziehungen gekappt werden, um die Unfallgefahr mit abbiegenden Kfz zu unterbinden.

Und dabei ist die Bernhard-Göring-Straße schon als Teil des HauptnetzRad (IR IV) ausgewiesen. Mit all ihren Tücken gerade im nördlichen Teil.

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Es gibt 2 Kommentare

Ja, aus einer reinen Anwohnerstrasse einen Radschnellweg machen, wo sind wir denn hier gelandet?

Ich erinnere mich an den Markkleeberger Verkehrsplanungsmenschen in den 90ern, für den war die Kochstraße damals die ampelfreie Schnellumfahrung der verstopften Karli . Stolz erzählte er von seinen Rekorden die er auf dem Kopfsteinpflaster mit seinem Wartburg jeden morgen aufstellte.

Nun also das gleiche für schmalbereifte Elektro-Lastenräder? Hurra.

Ernsthaft, ich weiß garnicht, was dieser Technokratiewahn soll? Sind hier die Bauingenieure und Verkehrsplaner wild geworden?
Ich (als Mittsechziger) komme prima sowohl durch die kopfsteingepflasterte Kochstraße (wenn ich mal da lang muß, normal ist die Karli ja ok) als auch über die ach so vermatschte Küchenholzallee.

Auf die Nennung der echten gefährlichen Problemstellen, wo es nicht nur drängelig, sondern lebensgefährlich wird, warte ich hier noch.

Die Kochstraße, so sehr sie als Wohngebietsstraße daherkommt, ist zum (Durch)Radeln einfach nur ätzend.

Ständig kommen irgendwelche Autofahrer quer… nicht nur bloß als Querverkehr (Kurt-Eisner & Co), sondern als Parksuchverkehr, als Einparkverkehr, als Ausparkverkehr. Und manchmal auch als Wendeverkehr – aber nicht wie in der Fahrschule vorgeführt in 3 Zügen, sondern schööön gemütlich in 10 Zügen unter Benutzung auch des Bordsteins – und alle anderen dürfen solange zugucken.

Da jetzt was draus zu machen… die eher enge Kochstraße dürfte eine harte Nuss sein.

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