Es war nicht nur die große Gehzeugparade, die den autofreien Ring am Sonntag, 19. September, so spektakulär machte. Es war auch eine Fotoaktion der Leipziger Unternehmen CleverShuttle, seecon Ingenieure und teilAuto sowie der Initiative Verkehrswende Leipzig von Changing Cities e. V.: Denn wie zeigt man den enormen Platzverbrauch der Automobilität? Man stellt die Verkehrsarten einfach mal nebeneinander. Natürlich auf dem Ring.

Zahlreiche Leipziger/-innen waren dem Aufruf des Kooperationsnetzwerks gefolgt und versammelten sich am Willy-Brandt-Platz vor der Kulisse des Leipziger Hauptbahnhofs, um die Flächenbelegung verschiedener Mobilitätsmöglichkeiten darzustellen und miteinander zu vergleichen.Aus der Luft entstanden bei dieser Gelegenheit eindrucksvolle Drohnenbilder, die den Flächenbedarf von 60 Personen zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit Pkw und Bus sowie mit Carsharing- und Ridepooling-Angeboten zeigen. Für die Szenen der motorisierten Verkehrsmittel kamen insgesamt 46 Pkws, zwei E-Busse, zwei Carsharing Autos (von teilAuto) und 11 Ridepooling-Shuttles (von CleverShuttle) zum Einsatz.

Warum nur 46 Pkw? Weil auch nach den Ergebnissen der Leipziger Bürgerumfragen im Schnitt 1,3 Personen in einem Pkw sitzen.

Sodass sich für die Berechnung der zum Transport von 60 Personen benötigten motorisierten Verkehrsmittel eben auch unterschiedliche Zahlen ergeben. Kommen auf einen privaten Pkw 1,3 Personen, liegt die Ersatzrate von Pkw durch Carsharing-Fahrzeug (hier am Beispiel des Leipziger Anbieters teilAuto) bei etwa 12 Fahrzeugen.

Ein geteiltes Auto ersetzt also rund 12 private Pkw. Oder anders formuliert: 12 Haushalte teilen sich im Schnitt ein Auto. Da ein Carsharing-Fahrzeug (teilAuto) von durchschnittlich 30 Personen genutzt wird, braucht man aber nur zwei Carsharing-Fahrzeuge, um 46 private Pkw zu ersetzen.

Zwei Elektrobusse der LVB schaffen locker 60 Fahrgäste mitzunehmen. Foto: Frank Lochau
Zwei Elektrobusse der LVB schaffen locker 60 Fahrgäste mitzunehmen. Foto: Frank Lochau

Und auch beim ÖPNV nutzten die Veranstalter des Fotoshootings möglichst realitätsnahe Werte. So liegt der mittlere Besetzungsgrad eines E-Busses in Leipzig bei 33–37 %. Man braucht also, auch wenn so ein Bus locker 60 Fahrgäste transportieren kann, trotzdem rechnerisch zwei Elektrobusse, um 46 Pkw zu kompensieren.

Und die Fahrzeugproduktivität beim Ridepooling etwa von CleverShuttle in Leipzig (Anzahl an Personen, die pro Fahrzeug innerhalb von einer Stunde transportiert werden) liegt bei 5,25 Personen.

Mit rund 100 Teilnehmer/-innen, die zu Fuß, auf dem Fahrrad und im eigenen Pkw kamen, war die Aktion ein voller Erfolg, schätzen die Veranstalter ein.

„Wir freuen uns, dass die Menschen heute so zahlreich erschienen sind, um mit uns ein Zeichen für Flächengerechtigkeit und nachhaltige Mobilität zu setzen“, fassten sie ihr Ergebnis ihrer Foto-Aktion zusammen.

„Denn: Der Verkehr ist ein Schlüssel zu einer klimagerechten und lebenswerten Stadt. Gemeinsam haben wir gezeigt, wie stark die Flächenbelegung des privaten Pkws unseren Alltag prägt. In vielen Straßen in Leipzig gibt dieser die Nutzung des öffentlichen Raums vor. Das muss aber nicht so sein. Wir alle können mit der Wahl flächeneffizienter Verkehrsmittel, wie das Fahrrad oder der ÖPNV, unser Stadtbild und unsere Umwelt verbessern.“

„Das bedeutet nicht, dass wir komplett auf das Auto verzichten müssen. Stattdessen sollten wir unsere Wegstrecken multi- und intermodal, also bedarfsgerecht, gestalten, und das Verkehrsmittel nutzen, welches unserem jeweiligen Verkehrszweck sowie der fortzubewegenden Anzahl an Personen entspricht. Neue Mobilitätsoptionen wie Carsharing und Ridepooling oder moderne Verkehrsmittel wie Lastenfahrräder oder E-Roller können uns dabei helfen.“

Platzfresser Privat-Pkw

Die Drohnenaufnahmen von Frank Lochau machen dann auch sehr deutlich, wie sehr sich der Flächenverbrauch der einzelnen Verkehrsarten unterscheidet. Und vor allem: Wie viel Platz die so gefeierte „Freiheit“ des privaten Automobils in Anspruch nimmt. Die Bilder machen auch deutlich, wie sehr eine Stadt wie Leipzig zu einer autogerechten Stadt geworden ist, in der die großflächigen Versiegelungen für den motorisierten Individualverkehr das Stadtbild bestimmen und die Aufenthaltsqualität drastisch verschlechtern (und das Stadtklima mit Versiegelung und aufgeheiztem Asphalt obendrein).

Dass am Sonntag tausende Leipziger/-innen zu Fuß und per Rad auf den Ring durften, hat vielen erst so richtig klargemacht, welch einen enormen Platzbedarf das gefeierte Lieblingsobjekt der Deutschen in ihrer Stadt tagtäglich in Anspruch nimmt.

De Platzbedarf von 60 Pkw-Insassen, 60 Fußgänger/-innen und 60 Carsharing-Nutzer/-innen. Foto: Frank Lockau
Der Platzbedarf von 60 Pkw-Insassen, 60 Fußgänger/-innen und 60 Carsharing-Nutzer/-innen. Foto: Frank Lockau

Und die Bilder zeigen eben auch, dass selbst geteilte Auto-Angebote wie teilAuto oder CleverShuttle nicht nur die Zahl der benötigten Autos reduzieren, sondern auch die in Anspruch genommene Fläche. Wobei die beiden E-Busse aus gutem Grund nicht neben den Carsharing-Autos stehen, denn in einer Stunde schaffen die E-Busse deutlich mehr als nur 60 Fahrgäste, bei einem 10-Minuten-Takt wie auf Linie 89 eher 100 bis 300, während Carsharing-Fahrzeuge ja selten für kürzere Strecken und Zeiträume genutzt werden. Am Rand kommt ja auch noch eine Straßenbahn ins Bild, die locker das Doppelte mit einer Tour transportieren kann.

Aber die Bilder machen deutlich, dass das private Auto das unsolidarischste und platzfressendste aller Transportmittel ist und unter den individuellen Verkehrsarten eindeutig das Radfahren und Zufußgehen die stadtverträglicheren sind. Und wenn es schon motorisiert sein muss, ist jede Form kooperativer Verkehrsmittelwahl platzsparender und umweltschonender als der private Pkw.

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