Champagnerkorken ließ man am 25. Juni beim Ökolöwen zwar nicht knallen. Aber die Freude war groß, als die Sächsische Staatsregierung jene Projekte bekannt gab, über die sich der Freistaat mit dem Bund im Rahmen der im Kohleausstieg geplanten Bundesmaßnahmen zum Strukturwandel geeinigt hatte. Denn darunter war auch die bislang fehlende S-Bahn-Verbindung von Leipzig nach Merseburg.
Sie taucht in der Projektliste für den sächsischen Teil des Mitteldeutschen Reviers auf. Übrigens genauso wie die Elektrifizierung der Bahnstrecke Leipzig –Chemnitz für 533,7 Millionen Euro und die bis dato ebenfalls noch fehlende S-Bahnstrecke Leipzig –Pegau – Zeitz – Gera, die im sächsischen Teil mit 171 Millionen Euro kalkuliert wird.Die Maßnahmenliste für die sächsischen Braunkohlereviere.
Neue S-Bahn-Verbindungen mit Nutzen
Gerade von den beiden S-Bahn-Strecken träumten die Mitgliedskommunen des ZVNL spätestens seit 2017, als sie die neuen Streckenvisionen in den neuen Nahverkehrsplan des ZVNL mit aufnahmen, auch wenn damals nicht mal ansatzweise an eine zeitnahe Finanzierung gedacht werden konnte.
Die ergab sich jetzt erst durch die Strukturstärkungsmittel des Bundes für den Kohleausstieg, wo das Kohleland Sachsen zwar nicht alle Wunschprojekte aus den Bergbauregionen durchsetzen konnte. Aber gerade die beiden genannten S-Bahn-Verbindungen überzeugen durch ihren absehbaren Nutzen.
Eigentlich hätten sie schon in die frühen Planungen für das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz aufgenommen werden müssen. Aber da wurden sie aus Einspargründen erst einmal weggelassen.
Grünes Licht aus Berlin
Und gerade eine S-Bahn-Verbindung über Markranstädt bis nach Merseburg macht auch klimapolitisch einen Sinn. Wer mit Zug oder Bus von Leipzig ins 30 Kilometer entfernte Merseburg fährt, muss heute noch über eine Stunde Fahrzeit einrechnen, rechnet der Ökolöwe vor und schreibt sich das Projekt auch selbst auf die Fahnen: „Wir Ökolöwen haben im Jahr 2017 ein Konzept erstellt, das aufzeigt, wie vergleichsweise schnell und kostengünstig eine neue S-Bahn von Leipzig in die benachbarte Dom- und Hochschulstadt Merseburg aufs Gleis gebracht werden kann und in der Region intensiv für unsere Idee geworben.“
Und weiter: „Vor allem in Sachsen-Anhalt wurde der Ökolöwen-Vorstoß damals positiv aufgenommen. Die Landesregierung hat die S-Bahn Leipzig-Merseburg daraufhin als Maßnahme für das Strukturstärkungsgesetz für den Kohleausstieg benannt. Jetzt, im Sommer 2021, gibt es auch grünes Licht aus Berlin. Die Mittel für den Ausbau stehen nun zur Verfügung. Die S-Bahn kommt. Dieses Ökolöwen-Konzept von 2017 wird jetzt umgesetzt. Die Erarbeitung des Konzepts wurde durch Spenden ermöglicht.“
Auskömmliche Finanzierung war nicht absehbar
Der Vorstoß des Ökolöwen bestärkte damals eine Überlegung der ZVNL, der freilich wesentlich zögerlicher an die Sache heranging – eben weil 2017 nicht mit einer solchen auskömmlichen Finanzierung zu rechnen war. Da kalkulierte man lieber mit den knapp bemessenen Regionalisierungsmitteln, die vom Bund über den Freistaat zur Finanzierung der Verkehrsverbünde ausgereicht werden. Da schwankte man noch, ob man nicht lieber die Takte der S-Bahn nach Grünau verdichten sollte oder einen S-Bahn-Ast bis Markranstädt plant.
Wohl wissend, dass Markranstädt dabei nur die halbe Miete war, dass diese S-Bahn Nummer 6 zwingend weiterfahren müsste bis Merseburg, nur dass in Sachsen-Anhalt erst recht kein Geld verfügbar war, dieses Projekt zu stemmen.
Ohne Umstieg: freie Fahrt nach Merseburg
Aus Perspektive des Ökolöwen würde eine S-Bahn nach Merseburg die Attraktivität dieser Strecke deutlich steigern: „Mit der neuen S6 würde es zukünftig doppelt so viele Fahrten über Markranstädt und Bad Dürrenberg in Richtung Westen sowie eine direkte Anbindung an Merseburg geben. (…) Die neue S-Bahn könnte als S6 zwischen der Dom- und Hochschulstadt Merseburg mit 34.000 Einwohner/-innen und Leipzig fahren, wobei kein Umsteigen mehr notwendig wäre.
Für zahlreiche Reisende wäre die direkte Verbindung über Leutzsch, Markranstädt, Großkorbetha und Leuna bedeutend schneller als heute. Folglich würden wieder mehr Menschen in die Bahn einsteigen und die B181 vom Autoverkehr entlasten. Die Lärm- und Schadstoffbelastungen auf der Merseburger Straße und der Ortsdurchfahrt Rückmarsdorf können dadurch deutlich reduziert werden.“
Und das Fahrgastpotenzial ist an dieser Strecke hoch, betont der Ökolöwe: „Die neue S-Bahn wäre 7 Minuten schneller als das Auto sowie 20 Minuten schneller als die aktuellen Bus- und Bahnverbindungen. Durch die Netzerweiterung nach Merseburg wird die Metropolregion weiter zusammenwachsen. 75.000 Menschen werden an das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz angeschlossen.
Neben den über 4.000 Studierenden und Mitarbeiter/-innen der Hochschule Merseburg, von denen viele in Leipzig wohnen, profitieren auch weitere Pendler/-innen auf dieser Strecke. Beispielsweise sind die Leunawerke mit 9.000 Mitarbeiter/-innen und zwei Bahnhöfen sehr gut an diese Bahnlinie angeschlossen. Dadurch entsteht eine gute Alternative zum Auto.“
Alte Bahnstrecke wurde 1998 stillgelegt
Den Ist-Zustand schildert der Ökolöwe so: „1998 wurde die Bahnstrecke zwischen Leipzig und Merseburg stillgelegt. Seitdem sind die alternativen Verbindungen mit Bus und Bahn wenig attraktiv. Heute kann Merseburg per Zug entweder über Halle oder Großkorbetha erreicht werden, was jeweils mit einem Umstieg und längeren Wartezeiten verbunden ist.
Zusätzlich verbindet die PlusBus-Linie 131, über Rückmarsdorf und Dölzig entlang der B181, die beiden Städte mit etwa einer Stunde Fahrzeit. Bei normaler Verkehrslage dauert die Fahrt mit dem Pkw auf selber Strecke hingegen nur 45 Minuten. Die neue S-Bahn S6 würde mit knapp 40 Minuten Fahrzeit die schnellste Verbindung anbieten.“
Und Schienen liegen ja schon. Hier muss kein opulenter Neubau einer kompletten Gleisstrecke geplant werden. „Die S-Bahn kann zunächst das bestehende Schienennetz nutzen. Perspektivisch kann mit dem Bau der ‘Leuna-Kurve’ die aktuell erforderliche Wende in Großkorbetha vermieden werden, wodurch sich weitere Fahrzeit einsparen ließe. Die Investitionen würden sich in einem überschaubaren Kostenrahmen bewegen und eine Zeitersparnis von mehr als 20 Minuten in jedem Falle rechtfertigen.“
Der erste Schritt ist getan
In der Maßnahmenliste zum Investitionsgesetz Kohleregionen (InvKG) wird der sächsische Teil der S-Bahn-Strecke Leipzig–Markranstädt–Merseburg mit 63,7 Millionen Euro beziffert. Was natürlich nicht heißt, dass gleich nächstes Jahr losgebaut wird. Auch diese Strecke muss von der Deutschen Bahn erst einmal durchgeplant und mit ihren Baustellen eingetaktet werden. Das wird wohl eher Mitte der 2020er Jahre der Fall sein. Aber der erste Schritt ist getan.
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