Eigentlich stand die Petition zur Gestaltung Leipziger Fahrradstraßen nach dem Vorbild von Münster schon im November auf der Tagesordnung des Stadtrates und das Dezernat Stadtentwicklung und Bau hatte auch schon eine Stellungnahme geschrieben, in der es begründete, warum Leipzig nicht alles so macht wie Münster. Aber jetzt sah sich das Dezernat doch noch zu einer Neufassung veranlasst.
Denn irgendwie wurmt es ja mittlerweile auch Leipzigs Verkehrsplaner, wenn sie gegen das Gefühl bei den Leipziger Radfahrer/-innen ankämpfen müssen, dass es immer nur sehr kleine Zugeständnisse für den Radverkehr gibt, niemals wirklich einen großen Wurf.Immerhin hatte der Autor der Petition schlichtweg gewünscht: „Die Ratsversammlung möge die Qualitätsstandards für Fahrradstraßen der Stadt Münster (Beschlussvorlage V/0151/2019 der Stadt Münster) für die Stadt Leipzig beschließen. Diese Standards sind künftig auf bestehenden und geplanten Fahrradstraßen umzusetzen. Entsprechende Entwürfe legt die Verwaltung den zuständigen Gremien zur Beschlussfassung vor.“
Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau bestätigt freilich auch in der neuen Stellungnahme: „Der Stadtrat bestätigt den in Leipzig angewandten Umgang mit Standards für Fahrradstraßen, welcher die in Münster festgelegten Qualitätsstandards als einheitliche Kriterien in Teilen bereits anwendet und die in anderen Teilen für Leipzig als nicht zielführend angesehen werden.“
Dabei klingt freilich auch an, dass das Verkehrsdezernat gerade beim Thema Radwege immer auch gegen eine durchaus kampflustige und unermüdliche Autolobby zu kämpfen hat, die jedes Zugeständnis an den Radverkehr als eine unzumutbare Beschneidung des Kraftverkehrs interpretiert.
Das klingt an, wenn das Dezernat formuliert: „Die Ausweisung von Fahrradstraßen ist in Leipzig eine den Kapazitäten entsprechende schrittweise Entwicklung, die nach Möglichkeit beschleunigt werden soll. Dabei werden die stadteigenen Qualitätsstandards für Fahrradstraßen nicht in Gänze zur Voraussetzung der Ausweisung einer Fahrradstraße gemacht, sondern als anzustrebender Endzustand eines sich in Einzelschritten vollziehenden Entwicklungsprozesses, der sich aus planerischen, gestalterischen und baulich umzusetzenden Maßnahmen zusammensetzt. Die Leipziger Qualitätsstandards entsprechen dabei weitgehend denen der Stadt Münster und sie werden unter Einbezug der Erfahrungen anderer Städte und mit Blick auf die hiesigen Randbedingungen weiterentwickelt.“
Die „Einzelschritte“ lassen ahnen, wie mit den Verfechtern des Kfz-Primats um jeden Meter und jede Zufahrtbeschränkung gerungen werden muss, immer in dem Wissen, dass die deutsche StVO samt den deutschen Verkehrsministern immer auf der Seite der Automobilisten steht. Es sei denn, die Bundesbürger wählen die CSU-Dauerbesetzung im Bundesverkehrsministerium im Herbst endlich einmal ab. Aber danach sieht es derzeit nicht aus.
Das Ergebnis sieht dann so aus, betont das Verkehrsdezernat: „Dies hat sich als effizienteste Methode zur Etablierung von Fahrradstraßen erwiesen, da für die wünschenswerte Gesamt-Ausgestaltung von Fahrradstraßen unter Berücksichtigung aller Anforderungskriterien nicht ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen. Entsprechend weniger Fahrradstraßen hätten bislang oder könnten in Zukunft ausgewiesen werden. Zuletzt konnten die Beethoven-, Wächter-, Wilhelm-Seyffert-, Härtel- und Industriestraße (östl. der Könneritzstraße) sowie die Straße des 17. Juni und Am Elsterwehr/Mainzer Straße als Fahrradstraßen ausgewiesen werden.“
Der unvollkommene Zustand der Fahrradstraßen ist also das Ergebnis einer fortwährenden Suche nach Kompromissen. Und diesmal listet das Verkehrsdezernat noch einmal genau auf, welche Kriterien man genauso wie Münster umsetzt – und welche nicht. Bei Fahrgassenbreiten (also dem Platz zwischen den geparkten Pkw) und der Begrenzung des Durchgangsverkehrs (auf Anlieger) macht man es schon wie die Stadt Münster.
Schwieriger wird es bei der Bevorrechtigung an Kreuzungen: „Eine prinzipielle Bevorrechtigung von Fahrradstraßen gegenüber kreuzenden Straßen gemäß den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen (ERA 2010) wird in Leipzig geprüft. Fahrradstraßen befinden sich jedoch auch in mit Tempo 30-Zonen verkehrsberuhigten Wohngebieten, in denen als Regelfall die Rechts-vor-Links-Regel der StVO angewandt wird, um ein zusätzlich geschwindigkeitsbegrenzendes und Sicherheit schaffendes Element zu nutzen. Hier sind daher Abwägungen notwendig.“
„Geprüft“ hat man ja auch schon in der Stellungnahme vom Herbst 2020. Die Aussage ermuntert einen als Radfahrer regelrecht, jede Bedarfsampel zu drücken, die einem unterwegs begegnet. Denn die Aussage macht deutlich, wie sehr die Auto-Seite versucht, ihr Vorrecht an Kreuzungen zu behaupten, egal, wie dicht der Verkehr ist und wie unübersichtlich die Querung für Radfahrer, wenn man etwa an die unübersichtliche Kreuzung Peterssteinweg / Härtelstraße / Straße des 17. Juni denkt.
Dass so eine Bevorrechtigung schwierig umzusetzen ist, hat auch damit zu tun, dass Leipzig seine Fahrradstraßen – anders als Münster – nicht rot einfärben möchte. Damit sind sie natürlich an Kreuzungen für kreuzende Kraftfahrer auch nicht als Fahrradstraße erkennbar und es gibt auch keinen Lerneffekt, wenn Kraftfahrer auf rot eingefärbte Straßen treffen. Sie können sich nur entweder nach Tempo-30-Zeichen auf der Fahrbahn oder inzwischen auch an Fahrrad-Straßen-Piktogrammen orientieren.
„Die Einfärbung stellt zudem einen ganz erheblichen Mehraufwand gegenüber der jetzigen Kennzeichnung von Fahrradstraßen (mit Verkehrsschild und Fahrradstraßen-Piktogramm) dar, dessen Kostenaufwand sowohl für die erstmalige Einfärbung als auch die dauerhafte Unterhaltung nicht im Budget der Straßenunterhaltung abgebildet werden kann“, benennt das Dezernat auch den finanziellen Aspekt.
Und so wird das Papier nun erneut in die Beratungen im Petitionsausschuss und im Stadtrat gehen.
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Es gibt 10 Kommentare
>Lassen Sie uns vielleicht lieber um die Argumente kümmern
Gerne. Genau deswegen sind Allgemeinplätze in Diskussionen ermüdend. Ebenso, dass man sich von Diskussionsteilnehmern, die wie Sie sowas extra erwähnen, dazu gedrängt fühlt, sich vom Fehlverhalten anderer zu distanzieren. Das hat mich etwas genervt.
Vielleicht könnten Sie auch Ihre Reaktion und Ihren Stil reflektieren. Getippte Texte sind verkürzt, ohne Mimik und Tonfall des Gegenübers. Der Interpretationsspielraum ist größer. Im Internet gibt es deswegen, abseits von mutwilliger, auch unnötige Eskalation. Ich hoffe wir können beide davon ausgehen, dass wir das nicht wollen.
>Ich hab die Reihenfolge so verstanden: …
>In Ihrem letzten Absatz, ich lasse die Unterstellung „phantasieren“…
Es gibt auch an den Haaren herbeigezogene Argumente bzw. Whataboutism. Ihres ging aus meiner damaligen Sicht diese Richtung, aber wie Sie schrieben war es bloß eine Vermutung von Ihnen ins Blaue hinein. Tut mir leid dass ich annahm, Sie hätten sich bereits erkundigt, bevor Sie diese Behauptung aufgestellt haben. Wir beide, Sie und ich(!), hätten vorher diesbezüglich nachfragen können.
>Als Radfahrer, Beispiel Grassistraße Abbiegung Beethovenstraße, ist es mir schon sehr oft passiert, dass „flüssige Radler“ mich zwar gesehen haben, aber einfach weitergefahren sind. Ich, der eigentlich Vorfahrt gehabt hätte, durfte dann bremsen um keine Kollission zu bekommen.
Auch hier: ich verurteile diese Verstöße, aber es stützt was wir beide geschrieben hatten.
Mein Argument: Wenn eine als “Fahrradstraße” gelabelte Straße kaum Unterschiede zu einer Straße einer Tempo-30-Zone hat, dann sollte man es sein lassen. Dann ist sie nichts Besonderes, was man herausheben müsste.
Ihr Argument: Simple Regelungen nutzen, also vielleicht wieder die (hoffentlich) hinreichend bekannte Tempo-30-Zone ausschildern. Die Fahrradstraße ist wahrscheinlich noch zu unbekannt. Das könnte man natürlich auch ändern und durch verstärkte Kontrollen aufklären (und sanktionieren).
>Ich will Ihnen nicht unterstellen, dass Sie zu diesen Leuten gehören, die mit Rennrädern, Fixies und ähnlichem („schnell sein macht Spaß, bremsen ist hinderlich“) die Regeln brechen.
Danke, sehr freundlich. Warum werfen Sie das hier hin und lassen es nicht gleich sein? Ist sowas etwa nicht “eskalierend”? Aber ich nehme Ihnen das jetzt nicht übel.
>Andererseits finde ich es völlig zumutbar…
>Aber am Ende fördert man genau solche Leute, denen es zu schwer fällt, alle 100 m mal nach rechts zu gucken und den Tritt heraus zu nehmen. Ich bin seit 2009 auch Radfahrer in dieser Stadt und sah es nie als mühsam an, wenn man auch mal bremsen muss, weil einer Vorfahrt hat.
Und alle anderen, die die Fahrradstraße nutzen (könnten)?
Können Sie sich auch in die anderen hineinversetzen, die keine durchschnittlich sportlichen Männer im mittleren Alter sind? (falls Sie diese Grobbeschreibung für sich als nicht zutreffend empfinden, schreiben Sie das bitte)
Weil es eine Regelung gibt, die für Sie im besten Fall neutral ist, für andere dagegen tendenziell negativ, bedarf es also keiner Regelung, die für andere tendenziell positiv ist? Das Bessere ist der Feind des Guten. Ich hoffe da sind wir uns einig.
In diesem Sinne noch ein schönes Wochenende
Jörg
Nur kurz zum lustigen Teil, soviel Zeit darf sein:
“Dass […], halte ich für solche Allgemeinplätze, dass man das nicht erwähnen müsste”
-um dann im nächsten Absatz fortzufahren mit-
“Dass man als Radfahrer mit Muskelkraft anfahren muss, liegt in der Natur des Radfahrens.”
Was ja kraftmäßig, abgesehen vom Hinzufügen eines eigenen Allgemeinplatzes in Ihrem Fall, im Fall von Elektrorädern gar nicht mal so ins Gewicht fällt. Lassen Sie uns vielleicht lieber um die Argumente kümmern, als um die Wertungen oder eskalative Sprache.
Ich hab die Reihenfolge so verstanden: Es wird eine Ausnahme der Vorfahrtsregeln für Fahrradstraßen ins Spiel gebracht. Das Gegenargument war, dass die simplen Vorfahrtsregeln bereits jetzt die Leute “überfordern”, siehe Kreisverkehr Brucknerallee oder rechts-vor-links-Kreuzungen, und deswegen Ausnahmeregelungen kontraproduktiv sind.
Gegenargument: der Kreisverkehr sei als Beispiel für Regelüberforderung nicht repräsentativ, denn der sei “dysfunktional” angelegt worden und zwinge daher die Radfahrer regelrecht zu Verstößen. Außerdem wurde durch Anführungszeichen suggeriert, dass es sich gar nicht um Fehlverhalten handle.
Jetzt kommen Sie und unterstellen Geheimnisse im Zusammenhang mit der Argumentation…
In Ihrem letzten Absatz, ich lasse die Unterstellung “phantasieren” als Beispiel von individuell lebhafter, aber merkwürdiger Sprache mal abseits, schreiben Sie konkret von einer Hauptstraßenregelung. Beim Beispiel Beethovenstraße könnte man dann also zwischen Gericht und Kreisverkehr Brucknerallee als Hauptstraße durchfahren.
Finde ich eigentlich nicht schlecht, weil es auch den Abkürzungsverkehr durchs Musikviertel behindert. Dort habe ich schon Flixbusse langfahren (eher brettern) sehen, die sich wahrscheinlich den Stau am Kreisverkehr sparen wollten. An der Beethovenstraße wäre dann erst mal ein etwas längerer Stop angesagt, bei der aktuell häufigen Nutzung dieser Straße durch Radler.
Andererseits finde ich es völlig zumutbar, wenn man alle 100 m an einer Kreuzung mal langsamer fährt. Als Radfahrer, Beispiel Grassistraße Abbiegung Beethovenstraße, ist es mir schon sehr oft passiert, dass “flüssige Radler” mich zwar gesehen haben, aber einfach weitergefahren sind. Ich, der eigentlich Vorfahrt gehabt hätte, durfte dann bremsen um keine Kollission zu bekommen.
Ich will Ihnen nicht unterstellen, dass Sie zu diesen Leuten gehören, die mit Rennrädern, Fixies und ähnlichem (“schnell sein macht Spaß, bremsen ist hinderlich”) die Regeln brechen. Aber am Ende fördert man genau solche Leute, denen es zu schwer fällt, alle 100 m mal nach rechts zu gucken und den Tritt heraus zu nehmen. Ich bin seit 2009 auch Radfahrer in dieser Stadt und sah es nie als mühsam an, wenn man auch mal bremsen muss, weil einer Vorfahrt hat. Flüssig ging es dennoch.
@Sebastian:
Was der Kreisverkehr mit der Fahrradstraße und daher mit dem Thema dieses Artikels zu tun hat, bleibt Ihr Geheimnis. In Fahrradstraßen gibt es idR keine Kreisverkehre. Dass etliche Verkehrsteilnehmer auf Regeln sch***** verurteile ich auch, tut hier aber nichts zur Sache.
Dass auch Autofahrer gerne Vorfahrt haben und man nie durchgehend Vorfahrt haben kann, halte ich für solche Allgemeinplätze, dass man das nicht erwähnen müsste, aber bitteschön…
Dass man als Radfahrer mit Muskelkraft anfahren muss, liegt in der Natur des Radfahrens. Die Stadt hat sich aber das Ziel gesetzt, den Radverkehr zu fördern und Menschen dafür zu gewinnen, die bisher noch NICHT mit dem Fahrrad, u. a. weil es ihnen zu anstrengend ist. Wenn eine Straße, die wegen eines gebündelten Radverkehrsaufkommens eine Fahrradstraße ist (für die Ausweisung/Auszeichnung(?) muss in deutscher Verwaltungsmanier vorher der Nachweis über die vorherrschende Verkehrsart erbracht worden sein), ist es doch nur logisch, eine Vorfahrtsregelung einzuführen. An jeder Auto-Hauptverkehrsstraße bietet man diesen, nach Ihrer Ansicht völlig verzichtbaren, Komfort an. Obwohl Abbremsen und Anfahren für Autofahrer viel komfortabler ist.
Deswegen ist auch die Bernhard-Göring-Straße als Tempo-30-Zone (was sich von einer Leipziger Fahrradstraße kaum unterscheidet) nicht attraktiv für Radfahrer. Aller 100 Meter (das ist kein symbolischer, sondern beispielhaft realer Wert) kommt eine Nebenstraße, vor der man prophylaktisch langsamer werden muss, bis man komplett in diese schmalen Straßen hineinsehen kann. Als Radfahrer trägt man schließlich u. U. physische Schäden davon, wenn man einem hervorschnellenden Auto die Vorfahrt nimmt. Scharnhorst, Hardenberg, Stein, Fichte, Kant, Lehmann, Eichendorff, Freytag, Scheffel, Nitzsche – dann doch besser die Karli nehmen. Wenn man das nach Norden konsequent fortsetzen würde, kämen auf reichlich 800 Metern 6 weitere Nebenstraßen hinzu.
>”Wenn dann noch Ausnahmeregelungen zu diesen einfachen Vorrangregeln kommen, im Sinne von „…außer man kreuzt eine rote Fahrradstraße“”
Warum phantasieren Sie sich sowas zusammen? Hätten Sie sich die Forderung (wie in Münster) angeschaut, dann wüssten Sie, dass es ganz einfach mit den seit Jahrzehnten bekannten Verkehrszeichen “Vorfahrt” und “Vorfahrt gewähren” geht.
Offensichtlich ist eine weitere Förderung des Radverkehrs nicht gewollt.
Oder man spart lieber dort, als an anderer Stelle.
Jeglicher Schilderwald in Leipzig macht es bereits jetzt allen Verkehrsteilnehmern schwer, da wäre ein farbige Einfärbung wirklich erleichternd.
Aber lieber fängt man an, Bilder auf die Straße zu malen oder noch mehr zu beschildern…
Der Kreisverkehr Brucknerallee ist eine runde Straße. Was man da falsch machen kann, verstehe ich überhaupt nicht. Weder als Auto-, noch als Radfahrer.
Verkehrsinfrastruktur darf und sollte eine Mindestintelligenz der Nutzer voraussetzen.
Ich fahre mit dem Auto auch nicht irgendwo über den Fußweg, weil mir die Verkehrsführung vielleicht nicht passt.
Vorfahrtsregeln Radfahrstraße. Schwierig finde ich, wenn am Ende der Straße der Radfahrer noch Sonderrechte haben soll. Das bringt nur undurchschaubare Situationen.
Simpel, wie bereits angesprochen, sollte es sein.
Auf der Radstraße gern Vorfahrt, ohne Überholung von PKW, außerhalb normal – wie immer!
> …dysfunktionale Infrastruktur dazu führt, dass Radfahrende „Fehlverhalten“ zeigen.
Wenn ich als Autofahrer an der Einfahrt zum Kreisel auf freie Fahrt warte und dabei (im besten Fall noch rechts) von einem Radler “überholt” werde, oder wenn sich Radfahrer durch Überfahren des Zebrastreifens risikoreich die Vorfahrt erzwingen, dann kann man die Anführungszeichen bei “Fehlverhalten” getrost weglassen.
Das ist gefährliches und egoistisches Verhalten, nur um nicht warten zu müssen. Dazu wird niemand gezwungen. Jeder*/*innen hat die 10 oder auch mal 20 Sekunden, die es dauert bis man einfahren kann. Wenn ich als Autofahrer auf einer Straße wie der Paunsdorfer Allee, oder der B2 nach Süden, ohne sichtbaren Grund gezwungen werden 30 km/h zu fahren, und dann doch 60 fahre, ist das dann auch logisches Fehlverhalten aufgrund dysfunktionaler Regelung?
> Die Vorfahrtsregelung sollte in Fahrradstraßen generell aufgehoben werden
Das halte ich spätestens dann, wenn eine andere Fahrradstraße kreuzt, für keine gute Lösung. Aber auch so nicht, weil es zu Unklarheiten kommt. Schon jetzt kommt es zu Unklarheiten.
Am Kreisverkehr Brucknerallee kann exemplarisch beobachtet werden, wie dysfunktionale Infrastruktur dazu führt, dass Radfahrende „Fehlverhalten“ zeigen. Radfahrende wurden an dieser Stelle überhaupt nicht mitgedacht, also suchen sie sich eigene Wege.
Die Vorfahrtsregelung sollte in Fahrradstraßen generell aufgehoben werden. Auch die Beschilderung mit dem in der StVO-Novelle eingeführten Verkehrszeichen für ein Überholverbot einspuriger Fahrzeuge wäre hier angebracht. Schließlich sind Autofahrende auf einer Fahrradstraße nur zu Gast, das ist das Wesen einer Fahrradstraße.
Die Ablehnung einer farbigen Markierung als zu finanzintensiv halte ich für vorgeschoben. Was tatsächlich dahinter steckt –wer weiß. Es wäre auf jeden Fall wirkungsvoller als das derzeitige Fahrradstraßen-Signet, das Autofahrenden eher weniger auffällt.
Jeder Verkehrsteilnehmer möchte gern durchgehend rollen. Deswegen gibt es bei Ampelkreuzungen auch Rotblitzer. Anhalten kostet nicht nur Zeit, sondern auch Sprit und Verschleiß. Körperlich merkt es der Radfahrer in dem Moment mehr, der Autofahrer merkt es später im Portemonnaie. Beide an der Uhr. Insofern sehe ich da, mal wieder, keine Unterschiede im Interesse beider Verkehrsarten.
Und Vorrangregeln sind etwas, was es so simpel wie möglich zu halten gibt. Selbst rechts-vor-links, als grundlegende Verkehrsregel, die auch Kinder in der Fahrradschule (gibts das noch?) lernen, können oder wollen nicht alle einhalten. Wer sich nach den Schlepperermittlungen noch ins Viet village Beethovenstraße/Grassistraße setzen mag, der kann von dort aus schön diese Kreuzung beobachten. Oder auch sehr schön, die Radfahrer am Kreisel Brucknerallee, die sich nicht einordnen wollen, sondern über Fußwege brettern und den halben Kreisverkehr über die Zebrastreifen fahren. Die simple Regel, dass diese besonderen auffälligen Querungen für Fußgänger gelten, merkt man sich nicht, oder ignoriert sie. Die allermeisten Autofahrer halten trotzdem davor, warum sollte man auch aus Prinzipienreiterei einen Unfall provozieren.
Wenn dann noch Ausnahmeregelungen zu diesen einfachen Vorrangregeln kommen, im Sinne von “…außer man kreuzt eine rote Fahrradstraße”, wird es für den simpelst möglichen, vielleicht nicht ganz auf der Tageshöhe fahrenden Verkehrsteilnehmer nicht besser. Auch für diese Menschen muss Verkehrsplanung ausgerichtet sein.
Keine Farbe – Feierabend.
@JB
Aus diesem Grund finde ich zudem, dass Umwege für Radler auch der falsche Weg sind.
PKW müssen nicht mit Muskelkraft beschleunigen oder weiter fahren, Radler (Prost) dagegen schon.
Die Ablehnung von zu viel Rotmarkierung kann ich nachvollziehen.
Aber gerade die fehlende Vorrangregelung macht die Leipziger Fahrradstraßen zu einer bizarren Einrichtung. Da kommen also fünf Radfahrende auf der ach so tollen und wichtigen Fahrradstraße gefahren, müssen aber einem von rechts kommenden Autofahrer aus einer Nebenstraße die Vorfahrt gewähren. Ein offensichtliches Missverhältnis zum Anspruch, das Verkehrsmittel Fahrrad zu fördern.
Während ein Autofahrer nach dem Abbremsen einfach wieder auf das Gaspedal tritt, müssen die Radfahrer mühevoll wieder beschleunigen. FLÜSSIGES, und damit schnelles und komfortables, Vorankommen könnte DAS Qualitätsmerkmal sein. Leider bislang noch nicht in Leipzig. Hier denkt aber auch ein Umweltverein, dass eine Tempo-30-Zone (rechts vor links) und die Mehrung von Senkrechtparkplätzen eine Bernhard-Göring-Straße attraktiv für Radfahrende macht.