Ein paar Jahre lang stritten sich die Ratsfraktionen mit der Verwaltung durchaus über die Frage, ob der Ausgleichsbetrag der Stadt für die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) reicht oder viel zu niedrig ist. Der Verwaltungstenor und auch der der LVB war lange Zeit: Es reicht vollkommen. Doch schon in der Vergangenheit belegten die Berichte zur Umsetzung des ÖPNV-Konzeptes, dass die Stadt viel mehr bestellt, als sie bezahlt.

Aber aus diesem Grund erstellt das Dezernat Stadtentwicklung und Bau diese Berichte eigentlich nicht, die in der Regel alle zwei Jahre dem Stadtrat zur Kenntnis gegeben werden. Die letzten gab es 2016 und 2018. 2020 wäre eigentlich der nächste dran gewesen. Der Bericht erscheint jetzt also mit einjähriger Verspätung und zieht Bilanz bis zum Jahr 2018.Die Berichte erstellt das Verkehrsdezernat, weil Leipzigs Verwaltung seit der neuen Betrauung der LVB mit der Erbringung des ÖPNV in der Stadt im Jahr 2009 geradezu ängstlich darauf achtet, dass man die Wettbewerbsregeln der EU einhält, die zwar nicht für die Betrauung kommunaler Unternehmen durch ihre eigenen Kommunen gedacht sind, sondern für die Betreuung von privaten Unternehmen, die ein Recht auf faire Wettbewerbsbedingungen haben.

Aber dennoch achtet Leipzigs Verwaltung ängstlich darauf, dass die Stadt (bzw. die Muttergesellschaft LVV) nicht mehr Geld an die LVB überweist, als zur Erfüllung des Verkehrsleistungsfinanzierungsvertrages benötigt werden.

Penibel rechnet der Bericht also vor, welche Bausteine die Stadt beauftragt hat und wie viel Geld die LVB tatsächlich benötigt haben, um diese Bausteine zu erfüllen. Selbst im neuen Bericht wird deutlich, wie sehr sich die Verwaltung ausgerechnet davor fürchtet, sie könnte den LVB zu viel Geld geben, also den Auftrag überkompensieren, wie das im Bericht heißt:

„Der Verwendungsnachweis wird gemäß § 2 Abs. 6 des VLFV (i. d. Änderungsfassung vom 28.10.2009) i. V. m. den Ziffern 6 und 7.4 der Finanzierungsrichtlinie erstellt. Ziel dessen ist es zu bescheinigen, dass die Finanzierung der LVB in der betrachteten Periode aus beihilferechtlichen Gesichtspunkten nicht zu einer Überkompensation geführt hat. Die Überkompensationsprüfung muss durch einen Wirtschaftsprüfer testiert werden.“

Tatsache ist, dass Leipzig von einer solchen Überkompensation meilenweit entfernt ist, eigentlich im Schnitt um 20 Millionen Euro. Denn 2009 war man ja gerade erst dabei, auch die LVB ihren Beitrag zur Entschuldung der damals noch kränkelnden LVV bringen zu lassen. Von einst 63 Millionen Euro wurde der Zuschuss Jahr für Jahr immer weiter abgeschmolzen, bis 2012 ein Deckel eingezogen wurde, wie auch der Bericht anmerkt:

„Aus der Gegenüberstellung in Anlage 2 wird deutlich, dass sich sowohl die Anzahl der Fahrgäste als auch die Linieneinnahmen erhöht haben. Dies ist insbesondere auf das positive Bevölkerungswachstum, aber auch auf Angebotsverbesserungen und damit einhergehender zusätzlicher ÖPNV-Nutzer zurückzuführen. Im Gegensatz dazu hat sich die Höhe des Gesamtfinanzierungsbeitrages gemäß VLFV seit 2009 kontinuierlich verringert und stagniert seit 2012 bei einer Höhe von 45 Mio. € pro Jahr. Neben der Finanzierung über den steuerlichen Querverbund sind zur kostendeckenden Finanzierung auch weitere Mittel, z. B. über Verkehrsverträge, in Form von Fördermitteln sowie zum Ausgleich für Finanzierungsaufwendungen im Zusammenhang mit der Neubeschaffung von Straßenbahnen von großer Bedeutung.“

Was zwar stimmt. Anders hätten die LVB ihren Betrieb gar nicht finanzieren können. Aber das Geld fehlte trotzdem. Es war der Stadtrat, der hier darauf gedrungen hat, aus dem Stadthaushalt zusätzliche Gelder zum Beispiel zur Finanzierung der LeipzigPassMobilCard oder der Beschaffung neuer Straßenbahnen zu geben. Denn da war nicht mehr drin.

Eben weil die LVB einen Teil der beauftragten Leistungen mit Geld gegenfinanzierten, das eigentlich für Erneuerung und Wachstum gebraucht wurde. Als dann 2018 das Mobilitätskonzept für Leipzig spruchreif wurde, drängten dann auch die Ratsfraktionen darauf, den seit sechs Jahren eingefrorenen Finanzierungsanteil für die LVB schrittweise wieder zu erhöhen – verbunden mit der Aufforderung, die LVV prüfen zu lassen, ob diese Spielräume wieder gegeben sind. Sind sie auch. Die Zuschüsse stiegen also 2019 und 2020 wieder über die 50-Millionen-Euro-Marke, ab 2021 werden es wieder über 60 Millionen sein.

Das deckt noch nicht die Komplettsumme, die die LVB zur Absicherung der beauftragten Leistungen benötigen. Die lag 2017 immerhin bei knapp 78 Millionen Euro (geplant waren etwas über 75 Millionen Euro). 2018 hatte man mit 77 Millionen Euro geplant, am Ende aber über 81 Millionen Euro aufgewendet. Die Zahlen für 2019 und 2020 liegen noch nicht vor.

Mit 45 Millionen Euro lag man aber 2017 und 2018 deutlich unter der tatsächlich aufgebrachten Summe, sodass auch nur von einer Nähe zur Überkompensation keine Rede sein kann.

Und so zieht der Bericht dann auch das Fazit: „Neben der zuvor genannten Darstellung der Erträge und Aufwendungen wird darüber hinaus die Ist-Finanzierung (aus dem Verwendungsnachweis) der Soll-Finanzierung (aus der Fortschreibung der Parameter) gegenübergestellt. Anhand der Gegenüberstellung des tatsächlich finanzierten Betrages und des maximal zulässigen Betrages gemäß der Betrauung sowie unter Berücksichtigung eines angemessenen Gewinns kann im Ergebnis festgestellt werden, ob eine Über- bzw. Unterkompensation des Verkehrsunternehmens vorliegt.“

Mit dem Urteil: „Entsprechend der Anhangsabrechnungen 2017 und 2018 wurde der beihilferechtlich zulässige Betrag rechnerisch unterschritten, sodass die LVB im Ergebnis nicht überkompensiert ist.“

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