Zu unserem Beitrag „Zartes Pflänzchen Fahrradstadt: Gefragte Förderung für Lastenräder, Fahrradzonen und eine (tageweise) autofreie Karl-Heine-Straße“ vom 20. Mai 2020 wird ja gerade emsig diskutiert. Damals fragte ja die SPD-Fraktion im Stadtrat an, wie die Verwaltung zu wirklichen Fahrradzonen steht. Die hatte ja auf die SPD-Anfrage kurz und knapp geantwortet, dass sie dem Thema offen gegenübersteht.
Aber ihr sind die Hände gebunden, wenn der Bund bzw. der zuständige Bundesverkehrsminister die StVO nicht entsprechend ändert. Aber der hat das Thema seit einem Jahr nicht angerührt. Es interessiert ihn einfach nicht.Dabei wären Fahrradzonen ein Ansatz, Verkehr in den großen Städten wirklich anders zu denken als in den vergangenen 70 Jahren.
Das Verkehrsdezernat dazu: „Grundsätzlich steht die Verwaltung der Einrichtung von Fahrradzonen offen gegenüber. Für eine abschließende Meinungsbildung bedarf es jedoch zunächst der Kenntnis der Bestimmungen aus der angepassten Verwaltungsvorschrift zur StVO, wobei der Zeitpunkt, wann diese vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur erlassen wird, bisher nicht bekannt ist. Im Zuge der Fortschreibung des Leipziger Radverkehrsentwicklungsplans ist vorgesehen, auch die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen und die daraus resultierenden Möglichkeiten zu betrachten.“
Die Erwartungen an den für 2023 zu erwartenden Radverkehrsentwicklungsplan sind hoch, nachdem die Entwicklung seit 2012 praktisch ausgebremst wurde. Denn was bis heute fehlt – und darum geht es ja im Kern – ist ein eigenes, jederzeit funktionierendes Radwegenetz, auf dem der Radverkehr weitgehend unbehelligt vom Kfz-Verkehr rollen kann.
Autofahrern ist oft gar nicht mehr bewusst, dass sie alle Straßen dominieren und überall die Regeln vorgeben. Alle anderen Verkehrsteilnehmer müssen sich nach ihnen richten. Was übrigens die StVO auch noch zementiert, die Straßen per se als Verkehrsraum für Kraftfahrzeuge definiert und allen anderen Verkehrsarten eine untergeordnete Rolle zuweist. Was diese ungemein ausbremst. Darum geht es ja die ganze Zeit. Einerseits ist das verständlich: Erst mit dem Kfz ist der Verkehr auf den Straßen richtig gefährlich geworden und muss reglementiert werden, auch und gerade zum Schutz der schwächeren Verkehrsteilnehmer.
Aber dennoch manifestiert dieses Regelwerk damit das Primat des Automobils – immer und überall. Bis in die Verkehrsplanung und den Straßenbau hinein, wo Fahr- und Parkraum für Autos quasi die Grunddefinition sind. Alles andere muss sich danach richten.
Was eben auch dazu geführt hat, dass es keine eigenständigen Routen für den Radverkehr gibt. Was auch in Leipzig Zehntausende davon abhält, aufs Rad umzusteigen, weil es schlicht zu gefährlich ist. Man kommt in Leipzig nicht voran, wenn man sich nicht in teilweise hochgefährliche Straßenabschnitte mit dem Fahrrad begibt. Die einen gehen damit souverän um, die nächsten vermeiden solche Situationen ganz bewusst. Was logischerweise die Entwicklung des Radverkehrsanteils ausbremst.
Und gleichzeitig immer wieder genau solche Debatten in Extremen auslöst. Als müsste wirklich in jeder Straße und an jeder Stelle darüber diskutiert werden, ob Autos nun ganz verschwinden sollen oder nicht.
Deswegen lässt sich die Debatte erst lösen, wenn ein wirklich eigenständiges und funktionales Radwegenetz Bestandteil des Radverkehrsentwicklungsplans wird, in dem Hauptrouten aus allen Himmelsrichtungen nicht nur als solche ausgewiesen werden (und sich in der Praxis dann als zusammengestückelter Radstreifen am Rand einer mehrspurigen Schnellstraße erweisen), sondern wirklich leistungsfähig und sicher ausgebaut sind. Wirklich separat.
Durchaus auch mit einem kompletten Fahrradstraßensystem, das nicht einfach nur aus Teilstückchen besteht dort, wo die Verkehrszähler gnädig eine Überzahl von Radfahrern gezählt haben. Deswegen können wir eigentlich nur empfehlen, dass alle, die ein wirklich sicheres Radnetz in Leipzig haben wollen, sich an der kommenden Bürgerbeteiligung zum Radverkehrsentwicklungsplan auch beteiligen und Vorschläge machen. Oder sich an den ADFC wenden und den bei der Ideenfindung unterstützen.
Denn dass diskutiert wird, heißt ja nun einmal, dass die Zeit reif ist und dass jetzt endlich das passieren kann und muss, was 2012 verpasst wurde. Und es wäre wirklich peinlich, wenn am Ende nicht die Strukturen eines wirklich belastbar ausgebauten Hauptnetzes Rad stünden.
Noch konsequenter wäre ja eine Verkehrspolitik, die eine wirklich umweltgerechte Stadt nur noch mit umweltfreundlichen Verkehrsarten denken würde. Technisch machbar wäre das längst. Nur die Prioritäten sind andere, festgezurrt eben auch in einer StVO, die Straßen nur für Radfahrer nicht auf dem Plan hat.
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