Nicht nur LZ-Leser diskutieren darüber, was da eigentlich falschläuft im Leipziger ÖPNV. In ihrer Diskussion zu einem Grünen-Antrag, in Leipzig künftig besser auf Extremwetterereignisse zu reagieren, verweisen sie zu Recht auf die völlig unterschiedlichen Bilder, die sich am 8. Februar in Leipzig und in Dresden boten.

Während die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ihren Betrieb komplett eingestellt hatten mit Verweis auf die Gefährdundungslage, meldeten die Dresdner Verkehrsbetriebe am Montag, 8. Februar, trocken: „Nach den Schneefällen in der Nacht zum Montag, dem 8. Februar 2021, kam es gestern zu Störungen im DVB-Liniennetz. Betroffen waren vor allem die Buslinien in Höhenlagen (…) Die Straßenbahnen als spurgeführte Fahrzeuge hatten dagegen keine Probleme mit der Straßenglätte. Verspätungen resultierten hier zumeist aus Blockaden der Gleise durch liegengebliebene LKW und PKW. Außerdem kam es besonders an Weichen, die wie auf der Leipziger Straße, am Friedhof Leuben oder in Radebeul West auf der Straße liegen, zu technischen Störungen.,Dort hatten wir vor allem Probleme, weil die gummibereiften Verkehrsteilnehmer, unter anderem auch der Winterdienst selbst, den Schnee in die Weichen drückten‘, sagt DVB-Bereichsleiter Gleisanlagen Roland Ende. ,Dann machen irgendwann die integrierten Weichenheizungen schlapp, die Zungen lassen sich elektrisch nicht mehr stellen und manchmal auch mechanisch nicht mehr.‘ Diese mussten gestern durch die Einsatzkräfte der DVB-Gleiswartung gereinigt werden. Dennoch wurde trotz der zahlreichen Störungen das gesamte DVB-Liniennetz bedient.“

Genau daran aber scheiterten die LVB. Sie brauchten tatsächlich bis Mittwoch, 10. Februar, um die wichtigsten Strecken wieder in Betrieb zu nehmen. Für die Freimachung des ganzen Netzes brauchten sie eine ganze Woche und meldeten am 15. Februar: „Nach dem vielen Schnee vergangene Woche, haben wir unser Netz weiter verdichtet, sodass fast das gesamte Netz heute befahrbar ist. Ausnahmen sind nur die Linien 10 und 2, die noch nicht wieder fahren können. Die Linie 8 fährt im 20-Minuten-Takt. Wir arbeiten weiter an der Stabilität des Netzes.“

Was natürlich für mehrere Leser die Frage aufwarf: Was läuft da eigentlich grundsätzlich falsch bei den Leipziger Verkehrsbetrieben? Ist das Dresdner Straßenbahnangebot tatsächlich besser und wenn ja, warum?

Ende im Schnee - der ÖPNV ist am 8. Februar in Leipzig vollständig zum Erliegen gekommen. Foto: Martin Schöler
Ende im Schnee – der ÖPNV ist am 8. Februar in Leipzig vollständig zum Erliegen gekommen. Foto: Martin Schöler

Womit man natürlich auch beim Geld landet und der Tatsache, dass Leipzigs ÖPNV auch deshalb zehn Jahre hinterherhinkt, weil die wichtigsten Investitionen in Dresden schon zehn Jahre früher erfolgt sind. Wer aber sein Netz erst mit Verspätung in Schuss bringt, zahlt drauf. Doch nicht nur die Landesförderung lenkte jahrelang die Fördergelder bevorzugt nach Dresden.

Leipzig selbst hat an den LVB jahrelang gespart. Auch das drückte jahrelang die Investitionsmöglichkeiten der LVB und machte sie deutlich unattraktiver, sodass sie auch bei den Fahrgastzahlen von den Dresdner Verkehrsbetrieben überholt wurden. Als Leipzig die 156 Millionen schaffte, freute sich Dresden über 164 Millionen Fahrgäste.

Mehr Fahrgäste aber bedeuten auch mehr Fahrgasteinnahmen. Wo die LVB auf 125 Millionen Euro kamen, schafften die DVB über 135 Millionen. Was logischerweise den Zuschussbedarf senkt – Verlustausgleich heißt das in Dresden.

Und mit dem Blick auf die Beförderungszahlen wird ein bisschen deutlicher, dass Dresden auch davon profitiert, dass das befahrene Liniennetz mit 134 Kilometern etwas kleiner ist als das der LVB mit 146 Kilometern. Was heißt: Um eine höhere Fahrgastzahl zu erreichen, brauchen die DVB nur ein paar dichtere Takte zu fahren, was dann im Vergleich bedeutet: Wo die LVB 12,7 Millionen Fahrgastkilometer erreichen, schaffen die DVB 13,1 Millionen.

Im Liniennetz ergibt das ganz eindeutig das Gefühl: Die Bahnen fahren öfter, man steht nicht ewig herum an der Haltestelle.

Was sehr wahrscheinlich mit einem Nadelöhr zu tun hat, das Dresden so nicht hat: dem Leipziger Innenstadtring und insbesondere dem völlig verplanten Hauptbahnhofvorplatz, wo sich die Bahnen stauen oder – seit dem letzten Umbau – in der Warteposition 100 Meter vor der Haltestelle feststecken. Das frisst Zeit und sorgt dafür, dass die Bahnen durchs Leipziger Zentrum nicht so zügig fahren wie sie es in Dresden können. Gerade der Innenstadtring ist gespickt mit künstlichen Bremsen, die einen flotten Straßenbahnbetrieb eigentlich illusorisch machen.

Aber Leipzigs Planer wollen ja erst 2022 ihre Pläne vorstellen, wie sie dieses Nadelöhr durchlässiger machen wollen. Im Grunde muss der komplette Ring umorganisiert werden. Hier rächen sich die Bausünden der 1970er Jahre, als Leipzigs Verkehrsplaner hier einen Autobahnring mitten im Herzen der Stadt implementierten.

Nicht alle Fehlstellen im Angebot gehen also aufs Konto der LVB selbst, die natürlich im Jahr 2021 noch lange nicht abgearbeitet hat, was in 15 Jahren des politisch gewollten Sparens an Investitionsrückständen entstanden ist. Und natürlich auch als Akzeptanzschaden bei den Fahrgästen, die seit 2000 ein deutlich vermindertes Angebot bekamen („Netz 2000“), aber über Jahre steigende Fahrpreise, denen im Alltag kein fühlbar besseres Fahrplanangebot gegenüberstand. Die Akzeptanz des ÖPNV aber wird im Alltag eingefahren, nicht mit 10-Minuten-Takten für Shopping-Nutzer am Wochenende.

Oft dürfen LVB-Nutzter auch im politischen Diskurs das Gefühl bekommen haben, dass sie nur als Melkkuh betrachtet wurden und nicht als diejenigen, die den ÖPNV eigentlich erst ermöglichen. Und die ihn andererseits dringend brauchen. Das wird selbst in Corona-Zeiten deutlich.

Wären alle Straßenbahnnutzer in dieser Zeit aufs Auto umgestiegen, wäre die Stadt lahmgelegt gewesen. Die Dresdner Verkehrsbetriebe liefern dazu sogar auch kurzfristige Zahlen, etwa für den Februar, wo sie sonst am Tag 600.000 Fahrgäste transportierten. Aktuell sind es nur noch 300.000, wahrscheinlich steigend mehr, da ja auch die Schüler wieder zur Schule fahren.

Mit solchen Zahlen halten sich die LVB zurück. Aber sie haben jetzt wenigstens die Gesamtzahl für 2020 geliefert. Am Ende haben sie doch noch knapp die 100 Millionen Fahrgäste geschafft: genauer 104,2 Millionen. Das sind – verglichen mit dem Wert von 2019 (152,5 Millionen) noch 68 Prozent. Die beiden Lockdown-Monate November und Dezember mit all den ausgefallenen Märkten und Weihnachtsveranstaltungen haben noch einmal richtig ins Kontor gehauen.

Was natürlich nicht erklärt, warum der Leipziger Räumdienst so schlecht funktioniert hat. Eine mögliche Erklärung könnte sein: Sowohl LVB als auch Stadtreinigung fehlen die entsprechenden Spezialfahrzeuge. Die DVB schildern das Vorgehen ab dem 7. Februar so: „Der DVB-eigene Winterdienst arbeitet im Drei-Schicht-Rhythmus. So fuhren auch vergangenen Nacht die beiden Schienenschneepflüge, die durch einen Tatra-Zug geschoben werden, viele Strecken im Netz frei. Zu den Schwerpunkten gehörten die Linienabschnitte der 7 nach Weixdorf und Pennrich sowie im Zuge der Linie 4 nach Weinböhla. Dort besteht bei solchen Wetterlagen besonders die Gefahr von Schneeverwehungen.“

„Außerdem wurden durch die Schienenschneepflüge vorrangig die Gleiselemente geräumt, die nicht von Linien befahren werden, aber als Umleitungsstrecken wichtig sind. Auch DVB-eigene LKW mit Schneepflügen waren im Einsatz. Als besonders effektiv erwies sich erneut die Kooperation mit dem städtischen Winterdienst. Dabei fährt ein DVB-Schneepflug auf den Gleisen, in einigem Abstand gefolgt von einem Schneepflug des Straßenwinterdienstes. So wird der Schnee vom Konvoi zunächst vom Gleis auf die Straße geräumt und anschließend von der Straße an den Bord geschoben. Diese Praxis hat sich schon in zurückliegenden Wintern bewährt. So wird vermieden, dass der Schnee hin- und hergeschoben wird.“

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