Wir leben in einer Gesellschaft, in der ohne Mobilität nichts geht. Gar nichts. Was auch eine Menge mit dem Skalierungsdenken moderner „Reformer“ zu tun hat, die felsenfest daran glauben, dass nur immer größere zentrale Einheiten effizient genug sind, im forcierten Wettbewerb mitzuhalten. Ergebnis: Alle müssen ständig immer größere Distanzen überwinden, um zum Einsatzort zu gelangen. Auch Jugendliche, die über keinen fahrbaren Untersatz verfügen.

Meist haben sie schon eine Schulzeit in Schulbussen, Straßen- und Regionalbahnen hinter sich, wissen also, wie sich das anfühlt, wenn man morgens und nachmittags ewig durch die Landschaft fährt, weil zwischen Wohn- und Schulort 10, 20, 30 Kilometer liegen.

Und mit der Aufnahme einer Ausbildung vergrößert sich die Distanz oft noch weiter, weil in kleinen Dörfern und Städten immer weniger leistungskräftige Ausbildungsbetriebe überleben. Und wer da noch keinen Führerschein hat, ist darauf angewiesen, dass nicht nur die öffentlichen Verkehrsmittel fahren und das auch noch in menschenwürdigen Takten, sondern dass das Ganze auch vom kargen Ausbildungssalär bezahlbar ist.

Ein Thema, das auch die DGB-Jugend in ihrem Ausbildungsreport Sachsen 2021 benannt hat.

Dort kann man lesen: „Immerhin fast ein Viertel der Auszubildenden (24,3 Prozent) gab an, den eigenen Betrieb ,weniger gut‘ oder ,gar nicht‘ mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen zu können. Beim Weg zur Berufsschule sehen das 17,1 Prozent so. Unabhängig vom Verkehrsmittel sind die Fahrtzeiten zum Betrieb im Vergleich zur Berufsschule deutlich kürzer. 78,3 Prozent gaben an, weniger als 30 Minuten zu benötigen, während 51 Prozenten das für den Weg zur Berufsschule sagten. Ganze 14 Prozent brauchen sogar ein bis zwei Stunden für den Schulweg.“

Was eine Menge darüber erzählt, wie ausgedünnt und unzureichend das Nahverkehrsangebot in Sachsen in der Fläche mittlerweile ist. Jahrelang galt hier immer nur das Kürzungsgebot – hat die Bahn ganze Strecken stillgelegt, wurden Busnetze ausgedünnt und oft nur noch ein paar Schulbusse auf die Strecke geschickt, weil sich der Betrieb sonst nicht mehr „rechnete“.

Und wenn die Verbindungen existieren, wird es oft recht teuer für die jungen Pendler.

„Drei Viertel der Befragten haben Interesse an einem Azubi-Ticket“, stellte die DGB-Jugend fest. „Die Mehrheit der Auszubildenden (30,7 Prozent) wünscht sich ein Ticket, das nicht mehr als 30 Euro kosten sollte. Die Gewerkschaftsjugend fordert daher ein deutlich günstigeres Azubi-Ticket und den massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes.“

Da gibt es jetzt eine Menge zu tun, wie Marco Böhme, mobilitätspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, feststellt: „Das 2019 geschaffene Azubiticket war lange überfällig und kann nur ein erster Schritt zur Verbesserung der Mobilitätssituation junger Menschen sein. Mit 49 Euro monatlich pro Verbundraum bzw. 68 € sachsenweit ist dieses Ticket für Auszubildende weiterhin viel zu teuer. Laut DGB Auszubildendenreport wünscht sich die Mehrheit der Auszubildenden ein Ticket unter 30 Euro pro Monat. Dieser Forderung schließen wir uns an. In den Haushaltsverhandlungen werden wir daher darauf drängen, dass zunächst die Finanzierung des bisherigen Tickets erhalten bleibt und mittelfristig durch höhere Finanzierungsanteile des Freistaats günstiger wird.“

Die Linksfraktion jedenfalls wolle weiter für ein Bildungsticket in Sachsen kämpfen, betont Böhme. „Für Schülerinnen und Schüler gibt es bislang nur ein lächerliches Schüler-Freizeitticket, welches ab 14 Uhr gilt. Daran wird sich in den kommenden beiden Schuljahren auch nichts ändern, wenn der aktuelle Haushaltsentwurf so bleibt, wie er ist. Verkehrsminister Dulig vertröstet die sächsischen Eltern von Schuljahr zu Schuljahr, dabei steht das Bildungsticket sogar im Koalitionsvertrag. Wie schon in den letzten zehn Jahren, werden wir auch dieses Jahr wieder eine auskömmliche Finanzierung für den Schülerverkehr und die Schaffung eines Bildungstickets für 10 Euro pro Monat für ganz Sachsen fordern.“

Und nicht nur Schüler und Azubis sind ja auf preiswerte Tickets angewiesen, so Böhme: „Ein weiterer wichtiger Punkt sind die Freiwilligendienstleistenden in Sachsen. Diese hatten bis letztes Jahr gar keine Möglichkeit, vergünstigte Tickets zu erhalten, obwohl sie über ein geringes Einkommen verfügen und eine sehr wichtige Arbeit in unserer Gesellschaft leisten. Auch auf Druck der Linksfraktion konnten diese inzwischen wenigstens in das Azubiticket-System aufgenommen wurden. Doch das reicht uns nicht! Wir fordern, dass die Freiwilligendienstleistenden den Soldatinnen und Soldaten gleichgestellt werden, die kostenfrei mit der Bahn fahren dürfen.“

Wobei es im sächsischen ÖPNV ja derzeit vor allem darum geht, ihn überhaupt erst einmal in seinem Bestand zu sichern und den Nahverkehrsbetrieben die nötige finanzielle Unterstützung zu geben, dass sie die Coronakrise überstehen. Und danach brauche es erst recht Unterstützung, um einen „wichtigen Beitrag zur Stärkung der Teilhabe der Menschen an Mobilität und für den Klimaschutz“ zu leisten, wie es ein entsprechender Antrag der Linksfraktion formuliert, zu dem es am 19. Januar um 14 Uhr eine öffentliche Anhörung im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr im Sächsischen Landtag geben wird.

Der Antrag der Linksfraktion

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