Es sind ja nicht nur Umweltvereine, Stadtteilvereine und L-IZ-Leser/-innen, die sich wundern, warum es in der Leipziger Verkehrswende so schwerfällig und kaum merklich vorangeht. Auch die Fraktionen im Leipziger Stadtrat sind zusehends frustriert. Denn mit der Ausrufung des Klimanotstands hat der Stadtrat ja 2019 die Dramatik der Lage betont. Gerade die Mobilitätswende ist zentraler Baustein der Klimaanpassung. Aber irgendwie bewegt sich da wenig, stellte die Freibeuter-Fraktion fest und fragte nach.
„Der Stadtrat hat am 08.07.2020 in Kenntnis der finanziellen Lage der Stadt Leipzig im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie hinsichtlich des Rahmenplans zur Umsetzung der Mobilitätsstrategie unter anderem beschlossen (VII-DS-00547-NF-01)“, stellten die Freibeuter fest und zitierten: „Die im Rahmenplan genannten Termine für Konzepte, Strategien, Evaluationen und Pläne sind verbindlich. Sie beschreiben den Zeitpunkt zu dem das entsprechende Dokument als öffentliche Vorlage dem Stadtrat spätestens zugegangen sein muss.“
Weiter stand da: „Der OBM wird den Haushalt für das Jahr 2021 in einer Art und Weise vorlegen, dass das im Rahmenplan beschriebene Personaldefizit noch im Jahr 2021 vollständig abgebaut werden kann. Er stellt im Rahmen der Vorlage der Haushaltspläne für die Folgejahre sicher, dass das beschriebene Personaldefizit nicht erneut auftreten wird.“
Es müsste also endlich losgehen mit dem Umbau der Leipziger Mobilität hin zu einem System, in dem die umweltfreundlichen Verkehre endlich besser flutschen. Aber schon die letzten Jahre hatten ja immer wieder gezeigt, dass die dafür nötigen Planungsabteilungen völlig unterbesetzt waren – egal, ob es Planungen für die Straßenbahn, fürs Radwegenetz oder für die Fußwege betraf. Ohne Planer keine fristgerechten Planvorlagen, ohne Planvorlagen keine Fördermittel, keine Ausschreibungen, kein Baubeginn.
Und so haben sich jetzt gleich zwei Dezernate – das Dezernat Allgemeine Verwaltung und das Dezernat Stadtentwicklung und Bau – aufgerafft, die Fragen der Freibeuter so zu beantworten, dass es nicht allzu wehtut. Denn Corona hat den Prozess, wie es aussieht, noch einmal gewaltig ausgebremst, sodass auch 2021 noch nicht wirklich losgelegt werden kann.
Schon die Antwort auf die erste Frage dürfte nicht nur bei den Freibeutern einiges Kopfzerbrechen machen. Die Frage lautete: „Hat der Oberbürgermeister diesen Beschluss des Stadtrates umgesetzt und sind infolgedessen die zur Einhaltung der als verbindlich erklärten Termine erforderlichen Stellen im Stellenplan des Haushaltes 2021/22 enthalten?“
Aber das Halten der Termine wird ein echtes Problem, stellen die beiden Dezernate fest: „Im Rahmen seiner Verantwortung für die Umsetzung der politischen Leitlinien hat der Oberbürgermeister dem Stadtrat einen Stellenplanentwurf vorgelegt, mit dem die termingerechte Abarbeitung vieler Meilensteine der Mobilitätsstrategie angesichts der Gesamtstellenzahl der Stadtverwaltung grundsätzlich möglich ist. Allerdings mussten unter den Zwängen begrenzter Ressourcen auch andere für die Stadt Leipzig und ihrer Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen wichtige Aufgaben priorisiert werden.“
Was ja ein mit vielen Worten umkleidetes „Nein“ ist, das vor allem in dem „allerdings“ steckt.
Was die nächste Frage nach sich zieht: „Falls nein, welche zusätzlichen Stellen sind in welchen Bereichen erforderlich, um die vom Stadtrat als verbindlich erklärten Termine einhalten zu können?“
Darauf gibt es – obwohl zwei Dezernate antworten – nur eine halbe Antwort: „Dem Verkehrs- und Tiefbauamt wurden u. a. für die Mobilitätsstrategie 2030 16 Mehrbedarfsstellen anerkannt. Darüber hinaus wird das VTA insbesondere auch bei der Entwicklung quartiersbezogener Konzepte und der bürgerschaftlichen Beteiligung von den anderen Ämtern des Dezernates Stadtentwicklung und Bau unterstützt. Dies betrifft vor allem das Stadtplanungsamt und das Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung. Ferner wird auf die Ausführungen zur Beantwortung der Frage 1 verwiesen.“
Womit man wieder bei „allerdings“ wäre.
Wobei die beiden Dezernate zumindest noch eine Erklärung versuchen, warum das so ist: „Die Einschätzung einer bedarfsdeckenden Ausstattung der Ämter mit Stellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit Blick auf die Gesamtverwaltung und das Gesamtaufgabenportfolio obliegt der Verwaltung und ist im Zuge der Stellenplanung mittels einer umfassenden Abwägung aller Erfordernisse und Rahmenbedingungen erfolgt. Angesichts der aktuellen Haushaltssituation der Stadtverwaltung bedingt durch die Covid-19-Pandemie waren im Stellenplanentwurf in seiner vorliegenden Form über die bereits vorgenommenen Ergänzungen hinaus leider keine zusätzlichen Ressourcen ergänzbar.“
Was auch im zeitweilig beratenden Ausschuss Verkehr für einen gewissen Unmut sorgen dürfte, der die termingerechte Abarbeitung der Mobilitätsstrategie 2030 schon im Juni in einem eigenen Antrag thematisierte – etwas durchaus Seltenes im Leipziger Stadtrat, dass ein Ausschuss selbst aktiv wird, weil er das Gefühl hat, dass die Verwaltung einfach nicht ins Laufen kommt. Und das bei so einem Thema, bei dem der Stadtrat seit 2016 Druck macht, seit er von den Planern Alternativvorschläge zum alten, viel zu konservativen Nahverkehrsplan verlangt hat.
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