Am 1. Dezember meldete das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr endlich, dass es mit der Förderung von Lastenfahrrädern losgehen soll auf Landesebene. Noch nicht gleich. Erst einmal hat man es geschafft, eine Richtline zu schreiben. Augenscheinlich hat die heilige Bürokratie auch diesmal wieder alle Verwaltungsschritte ausgebremst. Der ADFC Sachsen kritisiert diese schleppende Umsetzung.
„Das sächsische Kabinett hat heute die neue Richtlinie Lastenfahrrad beschlossen“, hatte das SMWAV geradezu euphorisch vermeldet. „Darüber fördert der Freistaat die Beschaffung von gewerblich und institutionell genutzten Lastenfahrrädern und Lastenpedelecs mit einem nicht rückzahlbaren Zuschuss. Antragsberechtigt sind Kleinstunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen (KMU), Vereine sowie Kommunen und Zweckverbände.“
Und eigentlich wären sie ein elementares Transportmittel, um die Verkehrswende in Sachsen voranzubringen: Sie sind vielseitig einsetzbar, vom Kindertransport bis zum Großeinkauf im Baumarkt. Transporträder sind die Lösung nicht nur für Familien, sondern auch für viele transportbezogene Branchen und Dienstleistungen. Vom Imker bis zum Theaterprojekt gibt es unzählige Dienstleistungen und Ideen, die mit einem Lastenrad preiswerter, praktischer und einfacher funktionieren als mit dem Auto.
Um Unternehmer, Kommunen und andere Akteure zum Umstieg zu ermutigen, hatte der Sächsische Landtag bereits im Dezember 2018 ein Förderprogramm für Lastenräder beschlossen. Für 2019 standen 0,5 Millionen Euro im Haushalt bereit, für 2020 sogar eine Million.
Doch diese Mittel konnten bisher nicht beantragt werden, stellt der ADFC Sachsen trocken fest. „Verkehrsminister Martin Dulig benötigte ganze zwei Jahre, um eine Förderrichtlinie zu erarbeiten. Damit nicht genug: Noch immer kommen Unternehmen, Vereine, Kommunen und Zweckverbände an die Förderung nicht heran. Denn für die Erarbeitung eines Antragsformulars benötigt das für den Förderprozess zuständige Landesamt für Straßenbau und Verkehr (LASuV) voraussichtlich ein weiteres Vierteljahr. Frühestens im März 2021 wird die Förderung starten können.“
Die für 2019 und 2020 bereitgestellten Mittel in Höhe von insgesamt 1,5 Millionen Euro jedoch werden ungenutzt verfallen. Bevor es überhaupt startet, wurde dem Projekt nun auch noch der Geldhahn zugedreht: Im Haushaltsentwurf seines Ministeriums für 2021 und 2022 hat Dulig das Förderprogramm von ursprünglich 1 Million auf 300.000 Euro pro Jahr zusammengestrichen.
Hoffen auf Änderungen im Haushaltsplan
Am Mittwoch veröffentlichte die Staatsregierung den Haushaltsentwurf für die kommenden zwei Jahre. Der Landtag kann nun nachjustieren und wird den finalen Doppelhaushalt voraussichtlich im Mai beschließen. Der ADFC setzt große Hoffnungen darauf, dass die Abgeordneten der Kenia-Koalition den Fördertopf für Lastenräder besser ausstatten. Die angesetzten 300.000 Euro sind ohnehin das Minimum, zu dem sich der Landtag vor zwei Jahren in seiner langfristigen Planung verpflichtet hat.
Als innerstädtische Transporter können Lastenräder ihre Vorteile gegenüber Pick-Ups oder Kleintransportern schnell ausspielen. Denn auf vielen Strecken in der Stadt ist das Fahrrad schneller als das Auto: Die Parkplatzsuche entfällt, die Wege verlaufen direkt von Tür zu Tür und auf dem Radweg am Stau vorbei. Für Gewerbetreibende und Firmen außerdem interessant: Die zwei- oder dreirädrigen Sprinter punkten durch ein positives Image. Die meisten Lastenräder am Markt sind außerdem inzwischen mit einer elektrischen Unterstützung ausgestattet.
Aus Sicht des ADFC findet der eigentliche Boom der Elektromobilität schon seit Jahren nicht bei den Autos, sondern im Fahrradbereich statt. Ein elektrisch unterstütztes Lastenrad verbindet die Vorteile des wendigen Fahrrads mit der Power des Elektromotors. Für eine städtische Mobilität in Zukunft, die sicher, flächensparend und sauber organisieren ist, sind Transporträder aus Sicht des ADFC daher ein entscheidender Baustein.
Lastenräder werden seit über 100 Jahren genutzt. In den 1980er-Jahren erlangten sie vor allem in Amsterdam und Kopenhagen steigende Popularität. In Kopenhagen gibt es zurzeit schätzungsweise 40.000 Lastenräder. Über ein Viertel aller Familien mit zwei oder mehr Kindern besitzen in Kopenhagen ein Cargobike. Damit sind 6 Prozent aller Räder in Kopenhagen Lastenräder.
Konrad Krause, Geschäftsführer des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) Sachsen, über das bürokratische Versagen des Verkehrsministeriums: „Verkehrsminister Dulig interessiert sich offensichtlich nicht für moderne Mobilität. Seine Ambitionslosigkeit in diesem Bereich macht mich langsam fassungslos. Mich erreichen immer wieder Anfragen von Unternehmen, Selbstständigen, Theatern oder Vereinen, die sich nach dem aktuellen Stand der Lastenradförderung erkundigen. Die Nachfrage ist ganz klar da und Martin Dulig lässt diese Leute links liegen.“
Ein vergleichbares Förderprogramm der Stadt Leipzig in Höhe von 150.000 Euro war binnen weniger Minuten ausgeschöpft. Mittlerweile hat Leipzig schon die zweite Förderrunde aufgelegt. Angesichts dieses Zuspruchs und dem vom Freistaat vorgesehenen größeren Empfängerkreis erachtet der ADFC Sachsen die nun auf 300.000 Euro reduzierte Fördersumme als deutlich zu niedrig.
„Fortschrittliche Verkehrspolitik sieht anders aus. Ich erwarte, dass die Kenia-Koalition im Landtag jetzt die Möglichkeit nutzt, die Kürzungspläne des Verkehrsministers noch zu korrigieren“, sagt Krause.
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Es gibt 2 Kommentare
Wer schon einmal ein Formular zur Beantragung einer Förderung ausgefüllt hat, kann nachvollziehen, dass die Erstellung eines solchen eine Mammutaufgabe sein muß.😀😉
Ach, wie erbärmlich. Erst groß verkünden, es gäbe Geld, und dann klammheimlich doch nix rausrücken?
Und erst die Ausrede: Es gibt kein Formular. Ganz großes Kino. Muß man sich echt auf der Zunge zergehen lassen: KEIN FORMULAR! War ja nicht schon von Anfang an vorhersehbar, daß man eins brauchen würde, wenn man wirklich Geld verteilen, also fördern will, nein, nicht vorhersehbar!