Eine nur zu berechtigte Einwohneranfrage stellte zur letzten Ratsversammlung der Leipziger Christoph Meißner. Nicht nur die Polizei, auch die Leipziger Polizeibehörde stellt ja Messstellen für mobile Geschwindigkeitskontrollen auf und veröffentlicht die Standorte im Voraus über die lokalen Medien. Oder besser: In ausgewählten lokalen Medien. Das Rathaus ist da seltsam eigen, was die Auswahl der Medien betrifft. Aber Christoph Meißner zweifelte aus ganz anderen Gründen.
„Auf der Internetseite der Stadt Leipzig zum Thema „Überwachung des fließenden Verkehrs – Blitzer‘ heißt es in der Antwort auf die Frage ,Wie kann ich mich über die aktuellen Standorte der mobilen Blitzer informieren?‘: ,Die lokalen Medien erhalten die wöchentlichen Einsatzpläne, damit für die Bürgerinnen und Bürger ersichtlich ist, dass auch ihr Wohnumfeld berücksichtigt wird.‘, obwohl es dort im Folgenden auch heißt: ,Die Warnung vor Blitzern ist verkehrsrechtlich umstritten. Notorische Raserinnen und Raser werden mit diesen Informationen nicht von ihrem Fehlverhalten abgebracht. Sie verlassen sich im Gegenteil darauf, an anderen Stellen mit ihren Vergehen unbehelligt zu bleiben.‘“
Bei der Zeitung, die diese Meldungen bekommt, bekam er dann noch die Auskunft, dass der „Veröffentlichung ein zusätzlicher präventiver Effekt durch Abschreckung bzw. Dauerermahnung der Autofahrer zugeschrieben“ wird.
Woran er aber zu Recht zweifelt.
„Wissenschaftliche Arbeiten, die sich ernsthaft mit dem Thema auseinandersetzen, kommen allerdings zu dem Schluss, dass die durchschnittlich gemessenen Geschwindigkeiten an den angegebenen Stellen nur geringfügig reduziert wird bzw. trotz Bekanntgabe durchschnittlich die angeordnete Höchstgeschwindigkeit überschritten wird.
Zudem konnte ein nachhaltiger präventiver Effekt der diffusen Veröffentlichungen auf Tages- bzw. Wochenbasis an den Stellen, für die keine Messungen angekündigt wurden (der sogenannte Nachhalleffekt), bislang nicht nachgewiesen werden“, stellt Meißner fest.
„Zum Beispiel sagt Polizeidirektor Stumpen, Dozent im Fachgebiet Verkehrswissenschaft und Verkehrspsychologie der Deutschen Hochschule der Polizei Münster über die Masterarbeit von Mario Sormes zum Thema ,Auswirkungen angekündigter Geschwindigkeitsmessungen auf das Geschwindigkeitsniveau‘ an der DHPol Münster:
„Es lassen sich Unterschiede von bis zu sechs Stundenkilometern nachweisen. An den Tagen mit konkreter Ankündigung sind 85 % der Verkehrsteilnehmer – also ohne Ausreißer – in einer Tempo-50-Zone mit 53 bis 55 Stundenkilometern unterwegs. An den Tagen, an denen bekanntermaßen nicht ,geblitzt‘ wurde, sind es zwischen 57 und 61 km/h.“
Polizeidirektor Heinz Albert Stumpen wurde 2016 von der ARD zum Thema Geschwindigkeitsmessungen und ihr Sinn befragt.
„Somit findet an den Stellen mit angekündigten Messungen lediglich eine Anpassung der Fahrweise an ein Geschwindigkeitsniveau oberhalb der maximal zulässigen Geschwindigkeit aber unterhalb der in Deutschland bei Messungen stattgegebenen Toleranzen statt – unzulässig aber nicht mehr belangbar“, stellt Christoph Meißner in seiner Einwohneranfrage fest.
„Das Ziel der präventiven Maßnahme einer ,angepassten Geschwindigkeit‘ im Sinne der Verkehrssicherheit nach §3 Abs. 1 Satz 2 StVO wird somit gar nicht erreicht, vielmehr passen die Verkehrsteilnehmer ihre Geschwindigkeiten stattdessen den Kontrollen an (wie die Stadt Leipzig ja selbst wie oben zitiert feststellt).“
Aber vielleicht hat ja das Leipziger Ordnungsdezernat andere Erkenntnisse?
Die Antwort lautet: Nein.
Oder mit den Worten des Ordnungsdezernats: „Wie auch der Anfrage beigefügte Bericht einleitet, existiert für die wissenschaftliche Wirksamkeitsuntersuchung der Ankündigung von Geschwindigkeitsmessungen kein großes Spektrum. Bereits dargestellt wurde die Verbreitung der Einsatzpläne als ein Mittel zur transparenten Gestaltung der Arbeit des Ordnungsamtes. Letztlich bescheinigt die angeführte wissenschaftliche Abhandlung den positiven Effekt der Vorankündigung von Geschwindigkeitsmessungen im Hinblick auf das erfasste Geschwindigkeitsniveau, verdeutlicht deren Präventivwirkung und damit auch die Geeignetheit und Effektivität des Entschlusses, die Einsatzpläne im Tagesmedium veröffentlichen zu lassen.“
Das Ganze ist also so ein bisschen Autofahrerpsychologie, wie auch Stumpen erklärte: „Ja, das stimmt, obwohl es natürlich aus Sicht der Verkehrssicherheit besser wäre, wenn man nicht wegen der drohenden Strafen langsamer führe, sondern weil es einfach zu gefährlich ist, zu schnell zu fahren. Wenn Autofahrer genau an der Stelle damit rechnen mussten, ,geblitzt‘ zu werden, sind sie im Durchschnitt am langsamsten gefahren, gefolgt von den Tagen, an denen für andere Straßen Messungen angekündigt waren.“
Es ist ja nicht nur die eine, bei Autofahrern besonders beliebte Zeitung, die diese Blitzerwarnungen abdruckt. Noch nervender sind diese mit Pathos in den Äther verteilten Blitzermeldungen ja im Radio, wo sich unterbeschäftigte Sprecher stundenlang damit austoben können, die aktuellen Blitzstandorte in die Welt zu posaunen, als wäre man mit rasenden Autofahrern irgendwie verbrüdert und verschwägert.
Würde das Spektakel auf der L-IZ eigentlich irgendeinen Sinn machen? Das ist die Frage, wenn man über die „ausgewählten Medien“ in der Antwort des Ordnungsdezernats stolpert.
Denn das schließt ja auch ein, dass man als Medium irgendein wie auch immer geartetes Interesse für Leute haben müsste, die unbedingt rasen müssen in der Stadt. Das wir ganz bestimmt nicht haben, nicht mal so etwas wie Mitgefühl (mit Ausnahme natürlich aller Rettungseinsätze).
Und so grübeln wir noch heute über diese Aussage in der Antwort des Ordnungsdezernats: „Auch sei dahingestellt, ob ein mediales Interesse an bereits vergangenen Kontrollmaßnahmen überhaupt bestünde. Die Übermittlung der Einsatzpläne zur medialen Verbreitung ist ein seit Jahren gepflegtes Instrument zur transparenten und bürgernahen Verwaltung, welches aufgrund des geringen Aufwands auch auf einfachstem Wege zu leisten ist.“
Dieser Konjunktiv erzählt eine Menge über das Denken der Leipziger Verwaltung über Verkehrsverstöße. Die Zahlen zu festgestellten Geschwindigkeitsverstößen werden nämlich nicht veröffentlicht. Man erfährt also nicht wirklich, ob die Blitzer und die erst dieses Jahr in Einsatz gekommen „Enforcement Trailer“ irgendeinen wirklich messbaren Erfolg haben. Außer diesen psychologischen Effekt auf Leute, die endlich mal ein bisschen langsamer fahren, wenn sie wissen, dass da ein Blitzer steht.
Neuartige Blitzer am Waldplatz und am Tröndlinring gegen Raser und Rotlichtfahrer
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