„Freibrief für Falschparker?“ fragte Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek am 30. Juni. Ziemlich konsterniert über eine flapsige Äußerung aus dem Leipziger Ordnungsamt, das sinngemäß äußerte, dass es die Vielzahl an Anzeigen, die ein einzelner Bürger wegen Falschparkens gestellt hatte, nun nicht mehr bearbeitet werde. Und das nach Jahren der sichtlich sehr zurückhaltenden Kontrolle von Falschparkern in Leipzig. Der Ökolöwe fordert jetzt ein konsequenteres Abschleppen falsch geparkter Fahrzeuge in Leipzig.
Eigentlich sieht es Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal ganz ähnlich, auch wenn er einen entsprechenden Antrag der Freibeuter-Fraktion aus rechtlichen Gründen ablehnte. Denn Verkehrsüberwachung ist eine hoheitliche Aufgabe, die ein Kommunalparlament der Stadtverwaltung nicht aufs Auge drücken kann. Die Ordnungsdienstmitarbeiter müssen nach eigenem Ermessen handeln.
Dass sie in der Vergangenheit viel zu rücksichtsvoll gegen Falschparker vorgingen, ist seit Jahren Thema von Debatten. In der Stellungnahme zum Antrag der Freibeuter gab das Ordnungsamt auch einmal ein paar Zahlen zu abgeschleppten Fahrzeugen, die man im Parkverbot vorgefunden hatte: „Im Jahr 2019 wurden durch die gemeindlichen Vollzugsbediensteten insgesamt 3.888 Abschleppmaßnahmen im Stadtgebiet Leipzig wegen verkehrsbehindernden Parkverstößen vollzogen. Davon entfallen 52 auf Anforderungen durch die LVB GmbH.“
Das sind etwas mehr als zehn abgeschleppte Fahrzeuge pro Tag, was einerseits das Ausmaß der Verstöße ahnen lässt, andererseits sehr wenig scheint, wenn man sich die Sache aus der Perspektive von Radfahrern und Fußgängern betrachtet.
In derselben Stellungnahme kündigte das Ordnungsdezernat übrigens an, die Maßnahmen verschärfen zu wollen: „Per 06.05.2020 wurde die territoriale Zuordnung für die Dienstgruppen der kommunalen Verkehrsüberwachung geändert, unter anderem mit dem Ziel verkürzter Reaktionszeiten bei Abschleppaufträgen. Es wurde eine wöchentliche Schwerpunktkontrolle an Radverkehrsanlagen in Zusammenarbeit zwischen den Abteilungen Verkehrsüberwachung und Stadtordnungsdienst/Fahrradstaffel neu etabliert.“
Trotzdem ist der Ökolöwe noch nicht wirklich zufrieden. Denn aus seiner Perspektive hat sich die Lage noch nicht entspannt, wozu wohl auch beigetragen hat, dass die meisten Corona-Einschränkungen Anfang Mai wieder aufgehoben wurden und viele Autofahrer nicht nur ihr Homeoffice beendeten, sondern auch ihre schlechten alten Parkgewohnheiten wieder aufnahmen.
Der Ökolöwe beschreibt das Dilemma sehr bildhaft: „,Nur mal schnell zum Bäcker…‘ oder ,ganz kurz zur Post‘ – Falschparker/-innen haben meistens irgendeinen Grund parat, warum sie ihren Pkw quer über dem Gehweg oder der Länge nach mitten auf der Radspur abstellen. Wir Ökolöwen aber wollen dies nicht mehr gelten lassen, denn anderen Verkehrsteilnehmer/-innen wird so mit einer gefährlichen Selbstverständlichkeit der Platz genommen.
In spontanen Manövern müssen Fußgänger/-innen und Radfahrer/-innen ausweichen, nicht selten ein Grund für Stürze oder Unfälle. Wir Ökolöwen sagen: Die Stadtverwaltung muss Falschparker/-innen konsequenter abschleppen und so deutlich machen, dass der Straßenraum für alle da ist. Das gilt für Fußgänger/-innen, Radfahrer/-innen aber ebenso für Straßenbahnen und Busse.“
Abgeschleppt werden freilich nicht die Falschparker/-innen. Da schoss das Gendern deutlich übers Ziel hinaus. Abgeschleppt werden die falsch geparkten Fahrzeuge.
Wobei das Ordnungsamt in einem Schreiben an die Stadtratsfraktion der Linken augenscheinlich etwas sehr Seltsames von sich gab, wie der Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann in seiner jüngsten Anfrage an die Stadt feststellt: „Darin wird dargestellt, warum zukünftig keine Privatanzeigen des Empfängers mehr angenommen werden. Außerdem ist dem Schreiben die Aussage zu entnehmen, dass es ,in der Sache selbst um sogenannte Kennzeichenanzeigen‘ geht. Weiter heißt es: ,Die tatsächlich Verantwortlichen der Tathandlung (Fahrzeugführer/-innen) sind ihnen regelmäßig nicht bekannt und können auch im Rahmen durchgeführter Ordnungswidrigkeitsverfahren überwiegend nicht ermittelt werden.‘“
Das ließ nicht nur den Linke-Stadtrat stutzen, denn wozu sind an jedem Fahrzeug eigentlich Kennzeichen angebracht, wenn das Ordnungsamt darüber nicht den Fahrzeughalter ermitteln kann? Manchmal erscheint das Verwaltungshandeln durchaus obskur.
Dass es deutlich mehr Spielraum zum Abschleppen falsch abgestellter Fahrzeug gibt, zeige Berlin als Beispiel, stellt der Ökolöwe fest: „Berlin ist hier bereits einen Schritt weiter: Seit 2019 dürfen die Berliner Verkehrsbetriebe eigenständig Autos ,entfernen‘, die Busspuren und Straßenbahnschienen blockieren. Ein Fortschritt, denn lange musste die BVG erst die Polizei rufen, ehe der Abschleppdienst anrücken konnte. Die gesetzliche Grundlage hierfür wurde mit dem 2018 verabschiedeten Mobilitätsgesetz geschaffen. Diese Rechtsgrundlage existiert in Sachsen nicht.“
Da aber der Stadtrat nicht beschließen darf, was das Ordnungsamt zu tun hat, ist jetzt Ordnungsbürgermeister Rosenthal gefragt, stellt der Ökolöwe fest: „Ein Antrag der Freibeuter Fraktion wollte das Abschleppen von Falschparker/-innen deutlich erleichtern. Dieser Antrag wurde dann dreimal (!) von der Tagesordnung gestrichen. Am Ende kam heraus: Der Stadtrat darf das aus rechtlichen Gründen nicht entscheiden.
Jetzt ist der zuständige Bürgermeister Heiko Rosenthal aufgefordert zu handeln. Dem Ordnungsamt muss es möglich sein, Falschparker/-innen eigenständig, unkompliziert und zügig von Fußwegen, Radwegen, Straßenbahnschienen und Busspuren zu entfernen. Das Zuparken von Wegen ist kein Kavaliersdelikt, sondern sehr gefährlich. Eine Mobilitätswende kann nur gelingen, wenn die Nutzung von umweltfreundlichen Verkehrsmitteln für alle Verkehrsteilnehmer/-innen sicher ist.“
Wobei wahrscheinlich der Schwerpunkt trotzdem auf falsch geparkten Fahrzeugen liegen sollte. Die Falschparker/-innen können auch allein nach Hause laufen.
Die neue Leipziger Zeitung Nr. 81: Von verwirrten Männern, richtigem Kaffee und dem Schrei der Prachthirsche nach Liebe
Hinweis der Redaktion in eigener Sache
Seit der „Coronakrise“ haben wir unser Archiv für alle Leser geöffnet. Es gibt also seither auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de über die tagesaktuellen Berichte hinaus ganz ohne Paywall zu entdecken.
Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere tägliche Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.
Vielen Dank dafür.
Keine Kommentare bisher