Falls am 8. oder 10. Juli die Vorlage „Mobilitätsstrategie 2030 für Leipzig – Rahmenplan zur Umsetzung“ im Stadtrat zur Abstimmung kommt, ist zu erwarten, dass der Änderungsantrag des zeitweilig beratenden Ausschusses „Verkehr und Mobilität“ eine deutliche Mehrheit bekommt. Ein Antrag, der die ganze Unzufriedenheit der Ratsfraktionen mit dem Tempo der Leipziger Verkehrswende zum Ausdruck bringt. Gerade der neu hinzugefügte Punkt 10 hat es in sich.
Dort kann man lesen: „Der OBM wird beauftragt, dem Stadtrat die Vorlage zur Netzerweiterung Straßenbahn und dabei insbesondere zu den Projekten
– Südsehne – mit begleitenden Einbindungstrassen
– Wahren4Link – Anbindung S-Bf Wahren mit Mittlerer Ring Nordwest
– Verlängerung Tekla Süd
so vorzulegen, dass diese noch im III. Quartal 2020 beschlossen werden kann.“
Scheinbar nur eine kleine Ergänzung. Aber im Grunde ist es ein sehr deutlicher Hinweis darauf, dass der Rahmenplan nur bedingt aufgenommen hat, was der Stadtrat mit der 2. Fortschreibung des Nahverkehrsplans im Dezember beschlossen hat. Denn dort steht nichts davon, dass die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) ihre Netzerweiterungen erst nach dem Jahr 2030 bauen sollen.
Dort steht nur, dass es dafür vor 2024 noch keine Notwendigkeit gibt: „Die im Rahmen der Erarbeitung der Mobilitätsszenarien für 2030 und insbesondere des beschlossenen Nachhaltigkeits-Szenarios durchgeführten Kapazitätsabschätzungen haben gezeigt, dass eine Umsetzung zusätzlicher Netzerweiterungen erst nach 2024 erforderlich sein wird. Priorität haben bis dahin der Ausbau und die Erweiterung der Kapazitäten im bestehenden Netz und der dafür erforderlichen Infrastrukturen (Haltestellen und Verknüpfungspunkte, Gleisnetz, Betriebsanlagen, Werkstätten).“
Gebaut werden soll ja bis 2024 erst einmal „nur“ die Neubaustrecke von Mockau nach Thekla.
Aber auch sonst sieht der beschlossene Nahverkehrsplan bis 2024 keinen Stillstand vor. Im Gegenteil. Eigentlich formuliert er als Hauptaufgabe für die LVB, die Leistungsfähigkeit im bestehenden Netz deutlich zu erhöhen. So, wie es ja auch das Gutachten zum 365-Euro-Ticket jetzt bestätigt hat: Erst wenn mehr Bahnen in dichteren Takten unterwegs sind, bekommt man mehr Fahrgäste und kann auch ein 365-Euro-Ticket planen.
Und wie soll diese Kapazitätserweiterung passieren? Wohlgemerkt: Im Bezugszeitraum des Nahverkehrsplans 2019 bis 2024.
Im Papier steht es: „Zur Verbesserung der Bedienungsqualität, zur Erhöhung der Beförderungskapazität und zur Reduzierung der Reisezeiten werden ausgewählte Straßenbahnstrecken für eine leistungsfähige und schnelle Verkehrsabwicklung ausgebaut, mit einem Gleismittenabstand, der den Einsatz von 2,40 m breiten Fahrzeugen erlaubt, barrierefreien Haltestellen und – wo möglich – einer Separierung der Gleisanlagen.“
Das klingt sehr allgemein. Und so im Groben und Ganzen sind die LVB ja schon dabei. Aber in der Vorlage folgt dann der sehr deutliche Absatz: „Im Zeithorizont des Nahverkehrsplans soll dies für die Linien 16 und 15, bis 2026 auch für die Linie 11 erreicht werden (einschließlich notwendiger Umleitungs- und Zuführungsstrecken), wobei auf der Linie 15 nur noch kurze Teilstrecken offen sind und auch auf der Linie 11 bereits lange Abschnitte entsprechend ertüchtigt sind.“ Zielpriorität: 2024.
Und während auf der Linie 16 nur noch wenig getan werden muss, um hier einen sauberen Fluss gut vertakteter Bahnen zu organisieren, sind es auf den beiden anderen Hauptlinien noch einige wichtige Baumaßnahmen:
Linie 15 (bis 2025): Schließung der Ausbaulücken in der Prager Straße zwischen Völkerschlachtdenkmal und Friedhofsgärtnerei sowie in der Jahnallee zwischen Sportforum Süd und Capastraße, einschließlich Zeppelinbrücke.
Linie 11 (bis 2026): Ausbau der noch nicht modernisierten Teilstrecken in der Georg-Schumann-Straße (Chausseehaus bis Böhmestraße) und in der Bornaischen Straße, Bau einer neuen Wendeschleife Hänichen.
Was dann zumindest auf diesen Hauptstrecken den permanenten Einsatz großer Fahrzeuge und dichte Taktzeiten ermöglichen sollte. Worüber sich die Fahrgäste ja schon freuen würden. Aber sind hier auch bis 2024 Taktverdichtungen vorgesehen? Nein. Die sind erst mal auf anderen Linien angedacht, wo man noch mehr Reserven bei der Verdichtung hat: „Mit Taktverdichtungen auf verschiedenen Linien wie 7, 14, 70 und 89 werden Engpässe beseitigt und die Attraktivität gesteigert, die Fahrplanleistung steigt dabei insgesamt um ca. 3 %“, fassten es die Verkehrsplaner 2019 zusammen.
Wenn die Linien 11, 16 und 15 durchgängig mit breiteren Bahnen befahrbar sind, sollen diese ab 2024 auch eingesetzt werden. Darüber gibt es übrigens auch eine Vereinbarung des Verkehrs- und Tiefbauamtes mit den LVB.
Und das soll auch weitere Verbesserungen im Angebot mit sich bringen: „Mit Umsetzung der Infrastrukturmaßnahmen des Basismoduls zur Modernisierung der Hauptachsen erfolgt ab 2024 der Linieneinsatz neuer und 2,40 Meter breiter Straßenbahnfahrzeuge, zuerst auf den Linien 16, 15 und 11. Diese gewährleisten gegenüber den abzulösenden Niederflurfahrzeugen der 1. Generation ein bis zu 20 % höheres Platzangebot. Mit den Neufahrzeugen kann auch das Fahrplanangebot der Straßenbahn weiter ausgedehnt werden auf bis zu 14,4 Millionen km pro Jahr.“
Nur zum Vergleich: 2016 erreichten die Straßenbahnen der LVB 12,7 Millionen Kilometer, ein Wert, der 2019 durch Fahrermangel und ausgedünntes Fahrplanangebot auf 12,2 Millionen Kilometer absank. Gegenüber 2016 würden die LVB ihr Fahrplanangebot also um rund 13 Prozent erhöhen. Aber eben alles erst nach 2024.
Der Ausschuss Verkehr und Mobilität hat im Grunde den Hinweis aus der Diskussion zum Nahverkehrsplan aufgenommen, dass man die kommenden Netzerweiterungen nicht erst nach 2022 aufnehmen kann.
Damals wurde eindeutig geäußert: „Die Planungsaktivitäten dienen der Leistungssteigerung des Straßenbahnnetzes (Umbau Promenadenring und zentraler Zulaufstrecken) und betrachten zusätzliche Anbindungen (z. B. Südsehne, Thekla-Süd, Herzklinikum, S-Bf. Wahren).“ Und zwar alles vor 2024 mit Machbarkeitsstudien und Nutzen-Kosten-Untersuchungen. Der Promenadenring ist das Nadelöhr. Und das bleibt er auch, wenn auf drei Linien breitere Bahnen fahren können.
Der Einsatz größerer Fahrzeuge – im LVB-Sprachgebrauch NGT 12+ – auf den Linien 16, 15, 11 und 3 ist ab 2024 ff. geplant.
Heißt im Klartext: Die Baumaßnahmen auf den Hauptlinien müssten bis dahin abgeschlossen sein.
Im Maßnahmenplan zur Mobilitätsstrategie steht die Gleisschleife Hänichen (Windmühlenweg inkl. P+R) für das Jahr 2022 und 3,6 Millionen Euro im Plan.
Die Jahnallee (Interim, Zeppelinbrücke – Bowmanstraße) steht für 2023 im Plan für 3 Millionen Euro.
Die Georg-Schumann-Straße (Böhmestraße – Delitzscher Straße (Chausseehaus)) soll dann 2024 für 8 Millionen Euro gebaut werden.
Ziemlich spät aber ist der Abschnitt Prager Straße (An der Tabaksmühle bis Friedhofsgärtnerei) in den Jahren 2024 bis 2025 für 6,9 Millionen Euro geplant.
Ausschuss Verkehr und Mobilität nagelt den OBM auf knallharten Lieferplänen zur Mobilitätsstrategie 2030 fest
Machtgefälle im Kopf. Die neue „Leipziger Zeitung“ Nr. 80 ist da: Was zählt …
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