Manchmal geht es einem genauso wie den vorlauten Burschen in der „heute show“ oder bei „extra 3“: Man schlackert mit den Ohren, fragt sich verdattert, ob denn schon Weihnachten ist und neigt nur noch zu albernen Witzen über das Tempo der deutschen Politik. So geht es einem auch, wenn man die jüngste Verwaltungsvorlage zum Kauf von 28 neuen Elektrofahrzeugen liest. Denn sie erinnert an einen regnerischen Moment.

Der war kurz vor Weihnachten im fernen Jahr 2011. Da stellte BMW im Leipziger Rathaus gerade seinen frisch vom Band gelaufenen Elektro-BMW vor und übergab vor blitzenden Kameras dem OBM den Schlüssel für sein erstes elektrisches Dienstfahrzeug. Acht Jahre sind also vergangen seit diesem Moment, da auch in Leipzig alles so aussah, als würde jetzt wirklich das Zeitalter der E-Autos beginnen.

Schon im Juni 2011 hatte die Verwaltung ihre erste E-Auto-Flotte bekommen.

Doch inzwischen gelten selbst die damals vorgestellten Modelle als überholt. Aber das E-Auto-Zeitalter hat immer noch nicht begonnen. Stattdessen haben wir Jahre des Eiertanzes um Dieselfahrzeuge und eingebaute Betrugssoftware erlebt, die diese alte Technologie in Deutschland (und anderswo) weiter am Markt halten sollte – auch gern vollmundig von Diesel-Lobbyisten mit dem Spruch untermalt, der Diesel habe Zukunft und sei sowieso umweltfreundlicher, weil der ökologische Rucksack, den E-Autos mitbringen, viel größer sei. Das ist echtes Lobbying, das auf dem deutschen Automarkt auch verfängt. Warum soll man sich ein Auto kaufen, das erst nach sechs Jahren so umweltfreundlich ist wie ein Diesel?

Eine Frage, mit der sich Stefan Hajek am 12. November in der „Wirtschaftswoche“ schon ausgiebig beschäftigt hat. Sein Ergebnis – dessen Rechengrundlage er ausgiebig darstellt: Nach drei Jahren haben die meisten E-Autos heute ihren ökologischen Rückstand zum Diesel abgebaut. Ab da macht sich positiv bemerkbar, dass das Auto kein CO2 ausstößt. Und zwar egal, ob es nun Ökostrom tankt oder nicht. Wenn es nur Ökostrom tankt, verbessert sich die Bilanz genauso wie bei kleineren (und damit leichteren) Batterien und Fahrzeugen.

Und was macht die Stadt Leipzig jetzt?

„Die Beschaffung von 28 Dienstfahrzeugen als Elektrofahrzeuge durch das Ordnungsamt über den bestehenden Ausführungsbeschluss durch das Hauptamt wird zur Kenntnis genommen. Die Deckung des Mehrbedarfes in Höhe von 122.650 EUR als Vorfinanzierung des Fördermittelanteils erfolgt innerhalb des PSP-Elemente ,bewegliches AV‘ (7.0000212).“

„Bewegliches AV“ ist bewegliches Anlagevermögen.

Und was heißt das jetzt, dieser Mehrbedarf von 122.650 Euro?

Die Autos kosten doch 33.800 Euro das Stück, insgesamt also 946.400 Euro. Davon werden aber zwischen 75 bis 90 Prozent vom Bund gefördert. Nach Rechnung des Ordnungsdezernats bedeutet das 416.000 Euro vom Bund. Aus dem Vorjahr hat man noch eine Verpflichtungsermächtigung von 248.000 Euro. Nur die oben erwähnten 112.000 Euro sind noch nicht gedeckt, schreibt das Ordnungsdezernat in seiner Vorlage.

In der legt sie die Anschaffung der Elektrofahrzeuge dem Stadtrat freilich wärmstens ans Herz: „Dem Anspruch entsprechend zur vorsorgenden Klima- und Energiestrategie sowie dem Erhalt und Verbesserung der Umweltqualität werden alle 28 Fahrzeuge als emissionsfreie, monovalente Elektrofahrzeuge der neuen Generation beschafft. Die Stadt Leipzig trägt damit dem städtischen Energie- und Klimaschutzprogramm Rechnung. (…) Zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes im Außendienst des Ordnungsamtes erfolgt die Ersatzbeschaffung von 24 Dienstkraftfahrzeugen (DKFZ) aufgrund Alters und Verschleiß und zum Ersatz der gemieteten DKFZ BMW i3 (Mietvertragsende 31.12.2019). Darüber hinaus werden vier weitere Fahrzeuge gemäß Stadtratsbeschluss Nr. VI-A-04658 zur Aufstockung des Stadtordnungsdienstes und der Operativgruppe beschafft.“

Was für Autos will der Leipziger Ordnungsdienst jetzt fahren? Es sind Nissan Leaf ZE1. Und die sollen richtig arbeiten: „Die DKFZ werden im Außendienst im Zwei-Schicht-System, ab 2019 teils im Drei-Schicht-Betrieb und am Wochenende eingesetzt.“

Der Ursprungsantrag zum Kauf von E-Fahrzeugen im Gesamtumfang von 1,3 Millionen Euro stammt übrigens von 2018: „Gemäß der Bereitstellung der notwendigen Mittel für den Haushaltsplan 2021/22 werden für die nächsten vier Jahre 25 Kleinwagen und 10 Lieferwagen benötigt. Diese sind für das Hauptamt, das Ordnungsamt, das Verkehrs- und Tiefbauamt sowie das Amt für Stadtgrün und Gewässer vorgesehen. Die alten Fahrzeuge werden verkauft oder versteigert.“

Dort wurde auch erklärt, warum die Stadt diese Fahrzeuge nicht mehr leasen will, sondern Kauf die bessere Option ist: „Leasing oder eine Anmietung der Elektrofahrzeuge erweist sich durch Ablöseforderungen bei Rückgabe und unter Berücksichtigung aktueller Kaufpreise als unwirtschaftlich. Gemietete sowie geleaste Fahrzeuge werden vom Bund zudem nicht gefördert. Auch stellt Carsharing bei Dienstfahrzeugen, die mehr als 15.000 Kilometer pro Jahr gefahren werden, hinsichtlich des aktuellen Preisgefüges keine Alternative zum Kauf der Fahrzeuge dar.“

Nur 5 Prozent der geförderten Ladeinfrastruktur für E-Autos wurden in Sachsen bislang auch gebaut

Nur 5 Prozent der geförderten Ladeinfrastruktur für E-Autos wurden in Sachsen bislang auch gebaut

 

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