Die deutsche Automobilindustrie steckt in einer veritablen Krise. Die Krise um die Tricksereien beim Diesel hat die eigentliche Krise nur verdeckt. Zu spät, zu zögerlich, zu mutlos haben die deutschen Autobauer umgeschaltet und auf umweltfreundliche Technologien gesetzt. Aber eben nicht aus Überzeugung, wie die völlig stillose Ausladung des Frankfurter Oberbürgermeisters Peter Feldmann zur IAA zeigte.

Traditionell hält neben der Bundeskanzlerin auch der Frankfurter OBM eine Rede zur Eröffnung der Internationalen Automobilausstellung, auf der die neuen Fahrzeugmodelle der Saison vorgestellt werden. Was Feldmann in seiner Rede plante, wusste man beim Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA) noch nicht, als man ihn mit der fadenscheinigen Ausrede „Zeitmangel“ kurzerhand auslud.

Seine Rede hat Feldmann dann einfach auf Facebook veröffentlicht. Wir haben sie unterm Text verlinkt.

Ob der am Donnerstag, 12. September, verkündete Rücktritt von VDA-Chef Bernhard Mattes damit in direktem Zusammenhang steht, ist noch offen. Aber es passt zusammen. Kaum einer hat sich in den letzten Monaten so oft über die mangelnde Kommunikation mit der Bundesregierung beklagt wie Feldmann. Und das, obwohl kein Verband so bereitwillig Zutritt zum Bundesverkehrsminister bekommt wie der VDA.

Doch dieser seltsame Schulterschluss hat eben auch zur Folge, dass die Bundesregierung ihre Steuerungsfunktion gegenüber den Autoherstellern seit Jahren nicht wahrnahm. Und die setzen – auf die eigentümliche deutsche Art – auf ihre engste Freundschaft zu den autoliebenden Deutschen. Statt Autos zu bauen, deren Antriebe deutlich umweltfreundlicher sind, hat man sogar noch massiv auf immer größere Automodelle gesetzt, ganz zentral auf die für immer engere Platzverhältnisse in den Städten völlig ungeeigneten SUV. Oder um Peter Feldmann direkt zu zitieren: „Frankfurt braucht mehr Busse und Bahnen, aber nicht mehr SUVs.“

Damit kam man selbst auf dem heimischen Markt immer weiter ins Hintertreffen, denn bei den kleinen, sparsamen Automodellen liefen ausländische Autohersteller den heimischen Autobauern den Rang ab.

Das wurde nur lange Zeit durch die enorm hohen Exportraten bei Luxusmodellen kaschiert. Aber seit die Absatzmärkte USA und China für die deutschen Exporteure wegbrechen, stecken die Luxusautobauer in der Klemme. Sie haben eine Karte überreizt, von der eigentlich seit Jahren klar war, dass das schiefgehen würde.

Die Zukunft gehört nicht den schweren, spritschluckenden Fahrzeugen, sondern den sparsamen und kleinen. Und: Der Markt schrumpft. Denn gerade junge Stadtbewohner verzichten immer öfter aufs Auto. Und nicht nur eine Stadt wie Frankfurt am Main versucht die Platzfresser immer weiter aus dem Straßenraum zu verdrängen, um endlich wieder Platz für die Verkehrsarten des Umweltverbundes zu schaffen: endlich komfortable Wege für Radfahrer, bessere Angebote mit Straßenbahn und Bus und mehr Platz für Fußgänger.

Im Zeichen des Klimawandels können Städte gar nicht anders. Und die Stickstoffproblematik, die in hochbelasteten Städten zu Fahrverboten führt, verschärft das Ganze noch.

Nur ein Verband stellte sich kraft der deutschen Autoliebe immer stur und versuchte über einen nur allzu willigen Bundesverkehrsminister immer weiter seine Interessen durchzudrücken und die Weichenstellung für die Zukunft zu verhindern: der VDA.

Dass die Ausladung von Peter Feldmann auch eine Brüskierung der Klimaaktivisten war, nahm Fridays For Future dann ebenso zum Anlass, den eigenen für Freitag, 13. September, geplanten Redebeitrag zur IAA zu stornieren.

Carla Reemtsma und Kira Geadah wollten für Fridays For Future auf der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt sprechen.

„Wir standen dem Auftritt von Anfang an kritisch gegenüber, da wir die Befürchtung hatten, dass kein tatsächliches Interesse an Austausch und Veränderung besteht, sondern unser Auftritt nur genutzt wird, um die IAA als klimafreundlich und zukunftsbereit darzustellen, sie zu greenwashen“, erklärt Kira Geadah zur Absage. „Schließlich hatten wir uns jedoch trotzdem dazu durchgerungen, Gesprächsbereitschaft zu zeigen, die Rede zu halten und das Gespräch mit Herrn Mattes zu führen.“

Aber es ging FFF ganz ähnlich wie dem Frankfurter Oberbürgermeister.

„Anfang dieser Woche hat sich gezeigt, dass keine tatsächliche Gesprächsbereitschaft seitens des VDA besteht, denn der als Kritiker der IAA bekannte Frankfurter Oberbürgermeister wird nicht wie üblich die Messe eröffnen“, ergänzt Carla Reemtsma. „Für uns ist die einzige logische Folgerung, dass wir nicht auf der IAA sprechen werden. Das Idealbild der Automobilindustrie – schnellere, größere und vor allem mehr statt weniger Autos – lässt keinen Platz für eine klimagerechte Zukunft. Sollten wir falschliegen und tatsächlich Gesprächsbereitschaft bestehen, freuen wir uns, Bernhard Mattes und seine Kolleg/-innen vom VDA zum inhaltlichen Dialog auf einer unserer Demonstrationen vor dem Messegelände begrüßen zu dürfen.“

AfD gegen Fridays for Future: Ein Klima-Quiz geht nach hinten los + Video Lesch & Rahmstorf

AfD gegen Fridays for Future: Ein Klima-Quiz geht nach hinten los + Video Lesch & Rahmstorf

Hinweis der Redaktion in eigener Sache: Eine steigende Zahl von Artikeln auf unserer L-IZ.de ist leider nicht mehr für alle Leser frei verfügbar. Trotz der hohen Relevanz vieler unter dem Label „Freikäufer“ erscheinender Artikel, Interviews und Betrachtungen in unserem „Leserclub“ (also durch eine Paywall geschützt) können wir diese leider nicht allen online zugänglich machen.

Trotz aller Bemühungen seit nun 15 Jahren und seit 2015 verstärkt haben sich im Rahmen der „Freikäufer“-Kampagne der L-IZ.de nicht genügend Abonnenten gefunden, welche lokalen/regionalen Journalismus und somit auch diese aufwendig vor Ort und meist bei Privatpersonen, Angehörigen, Vereinen, Behörden und in Rechtstexten sowie Statistiken recherchierten Geschichten finanziell unterstützen.

Wir bitten demnach darum, uns weiterhin bei der Erreichung einer nicht-prekären Situation unserer Arbeit zu unterstützen. Und weitere Bekannte und Freunde anzusprechen, es ebenfalls zu tun. Denn eigentlich wollen wir keine „Paywall“, bemühen uns also im Interesse aller, diese zu vermeiden (wieder abzustellen). Auch für diejenigen, die sich einen Beitrag zu unserer Arbeit nicht leisten können und dennoch mehr als Fakenews und Nachrichten-Fastfood über Leipzig und Sachsen im Netz erhalten sollten.

Vielen Dank dafür und in der Hoffnung, dass unser Modell, bei Erreichen von 1.500 Abonnenten oder Abonnentenvereinigungen (ein Zugang/Login ist von mehreren Menschen nutzbar) zu 99 Euro jährlich (8,25 Euro im Monat) allen Lesern frei verfügbare Texte zu präsentieren, aufgehen wird. Von diesem Ziel trennen uns aktuell 500 Abonnenten.

Alle Artikel & Erklärungen zur Aktion Freikäufer“

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar