Als 2018 die drohenden Fahrverbote fรผr Dieselfahrzeuge รผber vor allem westdeutsche Stรคdte hereinprasselten, รผbernahmen auch die beiden Autoliebhaberparteien AfD und CDU in Leipzig die aufgeregte Diskussion. Die AfD-Fraktion beantragte gleich im Februar 2019 die โRechtskonforme Aufstellung von Luftmessstationenโ. Schรผtzenhilfe gab es im Mรคrz durch einen รnderungsantrag der CDU-Fraktion.
โDie Messstation ,Am Halleschen Torโ befindet sich in einem Abstand zur Fahrbahnkreuzung von unter 4,0 m. Damit entspricht die Abgasmessung nicht den aktuellen EU-Vorgaben, welche die Grundlage fรผr aktuelle, gesetzliche Fahrverbote sind. Damit ist der derzeitige Messstandort ,Am Halleschen Torโ fรผr die Beurteilung der Schadstoffsituation am Leipziger Innenstadtring ungeeignetโ, befand die AfD-Fraktion. โDa seitens des Freistaates dazu bisher nicht reagiert wurde, sollte die Initiative fรผr eine geeignete Standortsuche von der Stadt Leipzig ausgehen.โ (Fehler im Original, d. Red.)
Da hatte man augenscheinlich nicht mal im zustรคndigen Amt nachgefragt. Denn seit 2010 sucht das Leipziger Umweltdezernat zusammen mit dem zustรคndigen Landesamt schon nach einem geeigneten Ausweichstandort. รbrigens nicht, weil die Station am Hallischen Tor zu hohe Werte misst, sondern eher aus gegenteiligem Grund: Weil die Kreuzung Am Hallischen Tor nicht mehr der Straรenabschnitt mit den hรถchsten Belastungswerten bei Feinstaub und Stickstoffdioxid ist.
Aber selbst der รnderungsantrag der CDU im Mรคrz suggerierte, dass der falsche Standort der Messstation zu hohe Messwerte ergeben kรถnnte und damit die Luftreinhalteplรคne der Stadt konterkarieren wรผrde.
โDamit bestรคtigte sich die in der DS V/3381 dargelegte Negativprognose (S. 5, Folgen bei Ablehnung)โ, zitierte die CDU-Fraktion aus einer frรผheren Auskunft der Stadtveraltung: โ,Die andere Option wรคre, die Messstation am aktuellen Standort zu belassen. Dabei muss in Kauf genommen werden, dass der nach Anlage 3 der 39. BimSchV vorgegebene Mindestabstand von 25 Meter zum Rand verkehrsreicher Kreuzungen nicht eingehalten ist und dadurch bedingt die Messergebnisse tendenziell zu hรถheren Werten neigen als bei rechtskonformer Positionierung.โ Genau dieser Zustand sollte im Interesse der Rechtssicherheit und der รถffentlichen Akzeptanz des neuen Luftreinhalteplanes NICHT mehr in Kauf genommen werden!โ
Aber das Ordnungsdezernat hat mittlerweile von beiden Alternativstandorten in Nรคhe des Hallischen Tores wieder Abstand genommen โ an dem vorm Hotel Astoria genauso wie am Kleinen Willy-Brandt-Platz. Auch weil man damit noch niedrigere Messwerte bekommen wรผrde als am Hallischen Tor.
Die AfD-Fraktion im Sรคchsischen Landtag hatte schon im Dezember 2018 Panik geschoben โ oder Panik gemacht, weil man davon ausging, das Fahrverbotsthema jetzt auch auf Sachsen รผbertragen zu kรถnnen. Im Sommer 2018 hatte die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zwar auch die Leipziger Grenzwertรผberschreitungen bei Stickstoffdioxid betrachtet โ aber Leipzig schrammt mit seinen Jahresmesswerten mittlerweile dicht an der Grenzmarke entlang. Es macht einen gewaltigen Unterschied, ob in einer Groรstadt 40 Mikrogramm je Kubikmeter (wie in Leipzig) gemessen werden โ oder 60 bis 80 Mikrogramm wie in jenen Weststรคdten, die jetzt teilweise Fahrverbote eingefรผhrt haben.
Dass Leipzig seit Jahren sinkende Schadstoffwerte hat, hat einen Grund. Das ist die Einfรผhrung der Umweltzone im Jahr 2011, die von den Autoparteien damals vehement bekรคmpft wurde, die aber โ im Verbund mit dem Lkw-Durchfahrtverbot vom Autobahnring โ dazu fรผhrt, dass deutlich weniger Dieselfahrzeuge mit hohem Stickoxid-Ausstoร durch die Stadt fahren als in anderen Groรstรคdten.
So richtig wollte das die AfD-Fraktion im Landtag nicht glauben und stellte im Dezember 2018 eine entsprechende Anfrage, in der sie vor allem die โverkehrsnahen Messstationenโ mit schiefem Blick betrachtete. Aber die Zahlen, die der AfD-Abgeordnete Carsten Hรผtter damals vom zustรคndigen Staatsminister Thomas Schmidt (CDU) bekam, waren eindeutig: Wirklich in den Grenzwertbereich von 40 Mikrogramm kamen nur drei Messstellen in ganz Sachsen. Das eine war die Dresdner Bergstraรe mit jeweils 40 Mikrogramm in den Jahren 2017 und 2018 (womit der Grenzwert punktgenau eingehalten wurde), die beiden anderen waren die Messstation Leipzig-Mitte (am Hallischen Tor) mit 40 Mikrogramm im Jahr 2017 und 39 Mikrogramm im Folgejahr und die Messstelle in der Lรผtzner Straรe mit 37 bzw. 43 Mikrogramm. Die Messstelle in der Lรผtzner Straรe war also das einzige Problemkind โ und das Leipziger Umweltdezernat versuchte das Rรคtsel irgendwie zu lรถsen, warum hier die Schadstoffmesswerte auf einmal stiegen. Als Erklรคrung benannte man die Sperrung der Karl-Heine-Straรe wegen Brรผckenbau und die darauf folgende Umleitung der Fahrzeuge รผber die Lรผtzner Straรe.
So richtig wollte Hรผtter den Zahlen nicht glauben und fragte im August 2019 noch einmal nach.
Aber es hat sich nichts geรคndert. Im Gegenteil: Die Messwerte fรผr Stickstoffdioxid sinken an den drei erwรคhnten Messstellen weiter. An der Bergstraรe in Dresden wurden im ersten Halbjahr 2019 durchschnittlich 35 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter gemessen, in Leipzig-Mitte waren es 35 Gramm und in der Lรผtzner Straรe 36. Und der 2018er-Wert fรผr die Lรผtzner wurde nachtrรคglich auf 42 abgesenkt.
Man darf auch nicht vergessen, dass Stรคdte wie Leipzig und Dresden mit ihren vor zehn Jahren verabschiedeten Luftreinhalteplรคnen auch fest mit eingerechnet hatten, dass die Autokonzerne die versprochene Schadstoffreduktion ihrer Fahrzeuge einhalten und die โBlaue Plaketteโ mit der Euro-Norm 5 auch tatsรคchlich an Dieselfahrzeugen klebt, die deutlich weniger Stickoxide ausstoรen. Was ja โ wie wir wissen โ ein Trugschluss war. 2015 flog dann die Dieselaffรคre auf. Und das hat augenscheinlich ebenfalls Auswirkungen, weil etliche der neueren zugelassenen Dieselfahrzeuge wohl wirklich niedrigere Schadstoffwerte in den Abgasen haben. Was das weitere Absinken der Messwerte auch in Leipzig erklรคren kรถnnte.
Leipzigs Umweltdezernat sucht weiter nach einem neuen Standort fรผr die Messstation Mitte. Aber ein Problem hat diese Messstation eindeutig nicht: Sie misst keine zu hohen Werte. Und eine Panik vor drohenden Fahrverboten ist auch nicht angebracht. Weder Leipzig noch Dresden รผberlegen, solche Fahrverbote fรผr Dieselfahrzeuge auszusprechen.
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Es gibt 2 Kommentare
Abstandsprobleme?
Einfach den motorisierten Schadstoff-Verkehr im 25 m Umfeld der Messstationen verbieten.. ^^
Gerade deswegen, weil
* der Luftreinhalteplan Leipzigs mit allerlei Unfug und unrealisierten Absichtsbekundungen aufwartet
und
* die Autoindustrie dem als โsauberโ verkauften PKW im Realfall dann doch wieder mehr Schadstoffaustoร โzugestehtโ
sollte es verwundern, wenn die Schadstoffwerte zurzeit bestรคndig sinken, obwohl vor allem eine Messstelle (Leipzig Mitte) in einem besonders starkem Emissionsgebiet installiert wurde!
Offensichtlich gibt es noch andere Abhรคngigkeiten, die man noch nicht genau mit Zahlen belegen kann.
Die Wetterlage dรผrfte eine entscheidende davon sein.