Eigentlich sollte es ein klein wenig anders ablaufen am Montag, 17. Juni. Die Schilderfirma sollte mit Montagewagen am Kreisverkehr an der Beethovenstraße stehen. Die Montage des ersten Schilds „Fahrradstraße“ sollte fotogen ins Bild gesetzt werden. Aber die Jungs vom Schilderdienst waren schneller, auftragsgemäß hatten sie um 12 Uhr schon den größten Teil der Beethovenstraße im Musikviertel umgeschildert.
Die Schilder zum „Tempo 30“ waren durch „Fahrradstraße“ ersetzt worden. Ein Vorgang, der schon am Wochenende die Autofahrer in Wallung brachte, denn die LVZ hatte schon mal vorgeheizt. Wird jetzt auf der Beethovenstraße alles noch chaotischer?
Wohl eher nicht. Denn Radfahrer sind auf dieser Strecke schon seit Jahren in der Mehrzahl. Tausende fahren hier jeden Tag durch auf einer der am stärksten befahrenen Radrouten der Stadt – von Schleußig durch den Clara-Zetkin-Park über Beethovenstraße, Straße des 17. Juni und Härtelstraße zur Windmühlenstraße. Unterwegs liegen lauter Einrichtungen, die natürlich von den Studenten angesteuert werden. Das Fahrrad ist ihr Hauptfortbewegungsmittel.
Da war es nur eine Frage der Zeit, bis gerade diese Route endlich zur Fahrradstraße gemacht wurde. Und dabei geht es vor allem um eins, wie Dr. Christoph Waack, Radverkehrsbeauftragter der Stadt erklärt: Den Radfahrenden mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.
Und der 17. Juni passte einfach, auch wenn die Straße des 17. Juni natürlich nur an den 17. Juni 1953 erinnert. Aber selbst auf damaligen Bildern vom Aufstand sieht man viele junge und ältere Leute, die ihr Fahrrad neben dem Demonstrationszug schieben.
Die Route ist übrigens nicht die einzige, die seit Montag zur Fahrradstraße umgewidmet wurde. Die Stadt weist insgesamt vier weitere Straßen zu Fahrradstraßen aus. Die Beethovenstraße, die Wächterstraße, die Wilhelm-Seyffert-Straße, die Straße des 17. Juni und die Härtelstraße stehen künftig ausschließlich dem Radverkehr zur Verfügung.
Zusatzschilder zeigen jedoch an, wer die Fahrbahn neben den Radfahrern nutzen darf. Solche Ausnahmen – mitunter auch nur in eine Richtung – werden oft für Anlieger, den Lieferverkehr oder Motorräder gewährt, damit die Grundstücke per PKW erreichbar sind. Auch das Parken in diesen Straßen ist weiterhin möglich.
Wobei in der Beethovenstraße noch ein Problem besteht. Denn am Kreisel an der Tauchnitzstraße erlaubt ein Schild noch immer außerhalb der Nachtstunden, dass LKW ins Musikviertel und in die Beethovenstraße einbiegen dürfen. Was selbst beim Pressetermin auffällig wurde. Aller fünf Minuten drängte sich ein Sightseeing-Bus in die Straße. Mit dem Charakter einer Fahrradstraße und der Ausnahmeregelung für Anlieger und Anwohner hat das aber gar nichts zu tun.
Da muss also noch etwas passieren, um den Radfahrern hier wirklich die Priorität einzuräumen.
Denn darum geht es, wie Michael Jana, Leiter des Verkehrs- und Tiefbauamtes, betont: „Radfahrer können nun auf einer eigenen Trasse vom Zentrum Süd bis nach Schleußig fahren – von der Windmühlenstraße über das Musikviertel und durch den Clara-Zetkin-Park. Sicher, schnell und komfortabel. Wir setzen damit auch einen Stadtratsbeschluss um. Zudem stehen Fahrradstraßen auch im Einklang mit dem Radverkehrsentwicklungsplan, dessen Fortschreibung ansteht.“
Radfahrer dürfen in den genannten Straßen künftig jederzeit nebeneinander fahren, die Gehwege bleiben jedoch den Fußgängern und radfahrenden Kindern unter acht Jahren vorbehalten. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 Kilometer pro Stunde dürfen Autofahrer nur dann ausschöpfen, wenn Radfahrer dadurch nicht behindert oder gefährdet werden. Radfahrer bestimmen das Tempo in der Fahrradstraße, Kraftfahrer dürfen daher nur mit entsprechender Rücksichtnahme die Fahrbahn befahren. Auf den neuen Fahrradstraßen gilt rechts vor links – sofern nicht anders angeordnet – sowie das Rechtsfahrgebot.
„Durch die Einrichtung von Fahrradstraßen lässt sich der Radverkehr in unserer Stadt kostengünstig sicherer und komfortabler machen“, betont Dr. Christoph Waack. Der auch darauf verweist, dass der Einrichtung von Fahrradstraßen ein Stadtratsbeschluss zugrunde liegt. Im Rahmen des Radverkehrsentwicklungsplans 2010-2020 sollen im ganzen Stadtgebiet Straßen daraufhin untersucht werden, ob sie zur Fahrradstraße umgewidmet werden können. Voraussetzung, so Waack, ist das messbare Übergewicht der Radverkehrs.
In der Beethovenstraße ist es schon lange gegeben. Waack: „Das zulässige Nebeneinanderfahren von Radfahrenden ermöglicht eine bessere Kommunikation beim gemeinsamen Radfahren, reduziert die Durchschnittsgeschwindigkeit im Straßenraum und verstärkt das urbane Lebensgefühl in den Straßen des Musikviertels. Ich bin mir sicher, dass die neuen Verkehrsregelungen schnell von allen Beteiligten angenommen und als Bereicherung des Gebietes wahrgenommen werden.“
Die Beschilderungsarbeiten in den oben genannten Straßen in Zentrum Süd sollen etwa zwei Tage dauern.
Verkehrszählungen hatten ergeben, dass das Fahrrad in den jetzt beschilderten fünf Straßen das meistgenutzte Verkehrsmittel ist. Dies ist Grundvoraussetzung zur Errichtung einer Fahrradstraße. Studien zeigen, dass auf Fahrradstraßen weniger Unfälle passieren – etwa, weil alle Verkehrsteilnehmer stärker aufeinander Rücksicht nehmen müssen. Die Ausweisung von Fahrradstraßen soll dazu beitragen, dass mehr Menschen aufs Rad umsteigen.
Den letzten Anstoß, die Beethovenstraße zur Fahrradstraße zu machen, hat 2018 übrigens das Jugendparlament mit einem Antrag gegeben, dem die Verwaltung natürlich nur zustimmen konnte.
Jugendparlament beantragt, die KarLi zur Fahrradstraße zu machen
Jugendparlament beantragt, die KarLi zur Fahrradstraße zu machen
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