Es geht den Görlitzern beim ÖPNV eigentlich nicht anders als den Leipzigern. Auch in Görlitz ist absehbar, dass das Fahrpersonal knapp werden wird. Und so taten sich jetzt die Görlitzer und die Leipziger Verkehrsbetriebe zusammen, um ein Projekt anzuschieben, das über die Neubeschaffung moderner Straßenbahnen ein Stück weit hinausgeht.
Die Görlitzer und die Leipziger Verkehrsbetriebe haben am Freitag, 7. Juni, eine Absichtserklärung zur Beschaffung neuer Straßenbahnen unterzeichnet. Gemeinsam wollen beide Verkehrsunternehmen damit in einen Beschaffungsprozess für moderne Straßenbahnen gehen. Dabei nutzen die Görlitzer Verkehrsbetriebe die Erfahrungen und das Wissen der Leipziger Kollegen, um eine gemeinsame Ausschreibung auf den Weg zu bringen und auf dem Markt zu platzieren. Die LVB haben das ja mit der Entwicklung und Ausschreibung des neuen XL-Fahrzeugs von „Solaris“ vorexerziert.
Dabei ist eine Menge Knowhow in das Pflichtenheft eingeflossen, mit dem alle Funktionalitäten der gewünschten neuen Bahn genau beschrieben werden.
Davon können die deutlich kleineren Görlitzer Verkehrsbetriebe, die schon froh sind, wenn sie ihr Linienangebot bis 2028 mit Willen des Stadtrates aufrechterhalten dürfen, natürlich profitieren.
Aber es geht um ein bisschen mehr in beiden Städten, nämlich um die Frage, wie man noch mehr Angebot auf die Schiene bekommt, wenn man nicht mehr Fahrpersonal findet oder gar welches einsparen muss.
Die beiden traditionsreichen Straßenbahnstädte wollen jetzt in einem gemeinsamen Innovationsprojekt nämlich Möglichkeiten des automatisierten Fahrens einer Straßenbahn ausloten sowie die Digitalisierung als Chance nutzen. Das wären dann Straßenbahnen ohne Fahrer. Ein Projekt, das sich im kleineren Streckennetz von Görlitz etwas leichter austesten lässt als im stellenweise überlasteten Leipzig. Und wenn’s klappt, fahren dann automatisierte Bahnen auch in Leipzig. Vielleicht tatsächlich schon 2025.
„Das Land Sachsen setzt höchste Priorität darauf, die Braunkohlereviere in der Region Görlitz und Leipzig für die Zukunft zu entwickeln. Dabei kann die Stadt Görlitz eine exzellente Pionierfläche für neue ÖPNV-Konzepte im Zeitalter der Digitalisierung sein. Nachdem ich mit Ulf Middelberg schon seit längerer Zeit immer wieder dazu im Gespräch war, freue ich mich, dass es nun konkret wird. Für meine Heimat unterstütze ich diese richtungsweisende Kooperation“, erklärte beim Termin der Landtagsabgeordnete Octavian Ursu (CDU), der am 16. Juni in Görlitz in die Stichwahl zum Oberbürgermeister gehen wird. Sein Kontrahent ist dort der AfD-Kandidat Sebastian Wippel.
Und auch Ulf Middelberg, Sprecher der Geschäftsführung der Leipziger Verkehrsbetriebe, sieht in der Vereinbarung großes Potenzial für beide Städte. „Für unsere Kunden suchen wir sinnvolle Innovationen und besten Komfort, für Leipzig ein Fahrzeug, das im gesamten Lebenszyklus hochwirtschaftlich ist. Gemeinsam mit den Görlitzer Kollegen gehen wir hier für die Region voran, die vor erheblichen Strukturveränderungen steht. Dafür brauchen wir natürlich auch positive Begleitung und Fördermittel vom Land.“
Dass der Görlitzer Stadtrat hinter den Beschaffungsprogrammen der GVB steht, betonte Andreas Trillmich, Geschäftsführer der Görlitzer Verkehrsbetriebe: „Die Stadt Görlitz hat richtungsweisende Entscheidungen für den Görlitzer ÖPNV getroffen und den Weg für Investitionen und Innovationen freigemacht. Als kommunales Verkehrsunternehmen stehen wir jetzt vor der großen Aufgabe, moderne und barrierefreie Stadtbahnwagen für unsere Kunden zu beschaffen. Umso mehr freuen wir uns über die partnerschaftliche Unterstützung unserer Kollegen aus Leipzig. Zudem prüfen wir in diesem Beschaffungsprozess mit den Städtischen Verkehrsbetrieben in Zwickau zusammen zu arbeiten.“
Dann wären schon mal drei Städte im Boot. Was schon verblüfft. Bislang gingen die sächsischen Verkehrsunternehmen augenscheinlich tapfer alle ihren eigenen Weg. Obwohl die Aufgabenstellungen in den (Straßenbahn-)Städten sich eigentlich alle ähneln. Alle haben sie dieselben Herausforderungen,
In ihrer Absichtserklärung zu einer Entwicklungspartnerschaft für innovative Straßenbahnen formulieren beide Unternehmen nicht nur die gemeinsamen Ziele und das gemeinsame Vorgehen. Die Zusammenarbeit soll auch Ressourcen, Erfahrungen und Marktchancen bündeln. Und einen Termin, wann man die neuen Bahnen aufs Gleis setzen möchte, hat man auch schon vor Augen: Die neuen Fahrzeuge sollen spätestens ab Mitte der 2020er Jahre in Görlitz und Leipzig unterwegs sein. In Leipzig deckt sich das mit dem neuen Beschaffungsprogramm ab 2025, wenn die in den 1990er Jahren gekauften NGT8-Bahnen (rechts im Bild zu sehen) das Ende ihrer Dienstzeit erreicht haben und durch deutlich breitere und größere Fahrzeuge ersetzt werden sollen.
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