Ob die um zirka 22:30 Uhr auf dem Ring vorbeihupenden Autos nun Zustimmung oder Ablehnung signalisieren sollen, bleibt offen. Gegenüber der Zentralhaltestelle der LVB, direkt auf dem Bahnhofsvorplatz, musiziert und singt es, wo sonst die Taxen warten. Unterdessen fehlen den Autofahrern ab sofort am Hauptbahnhof für 48 Stunden zwei Fahrspuren, aus vier wurden zwei, eine Radspur ist entstanden. Die Taxen warten derzeit auf dem Kurzzeitparkplatz an der Westseite des Hauptbahnhofes. Und eine aktuelle Gerichtsentscheidung vom Freitag sagt: am Sonntag sind drei Stunden lang alle vier Spuren für die Autos weg.

Da wo sich bereits heute abgeparkte Fahrräder stapeln, haben der Fahrradclub Leipzig (ADFC) und die Fridays for Future nicht nur ein Programm für dieses Wochenende vorbereitet, sondern eine Vision für die Zukunft in Planung. Oder wie es der ADFC Leipzig formuliert: „Wir haben nichts zu verlier‘n, außer unsrer Angst. Es ist unsre Zukunft“. Und die wird in jedem Fall ein steigendes Radverkehrsaufkommen in Leipzig mit sich bringen und einen erhöhten Platzbedarf für den ÖPNV.

Auch und gerade am Nadelöhr Hauptbahnhof Leipzig – da, wo sich seit Jahren eher nicht Hase und Igel gute Nacht sagen, sondern von Autos gejagte Radfahrer in vor die Bahnhofshalle tretende Fußgänger brettern und die Bahnen eigentlich pro Richtung einen Gleiskörper mehr gut vertragen könnten. Während sich auch die Bahnfahrer zunehmend an überfüllten Wartebereichen samt quer kreuzenden Fußgängern und Radlerinnen fehlendem Überblick gegenüber sehen.

Die Vision des ADFC Leipzig zum Bahnhofsvorplatz. Bild: ADFC Leipzig
Die Vision des ADFC Leipzig zum Bahnhofsvorplatz. Bild: ADFC Leipzig

Nicht grundlos hat zudem der Stadtrat Leipzig erst am Mittwoch, den 26. Juni 2019, beschlossen, dass am oder im Hauptbahnhof Leipzig eine sichere Abstellmöglichkeit für bis zu 2.000 Fahrräder am Tag bis 2023 ermöglicht werden soll. Denn derzeit wächst tatsächlich jede Verkehrsart an, außer der Autoverkehr (pro Kopf und gesamt).

Der Bereich vor dem Hauptbahnhof Leipzig ist für Bahn-Reisende das Einfallstor in die Stadt Leipzig, neue Leihräder und die innerstädtischen Bahnhofsbesucher und Pendler fordern Raum für ihre Mobilität. Zudem steigt direkt vis á vis des Stadtzentrums auch der Fußverkehr immer weiter an.

Die Lösungsideen sind verschieden

Was stört, sind eher die Autos in diesem Bereich, was Autofahrer ungern hören werden und die CDU schon dazu brachte, eine sogenannte „Troglösung“ vorzuschlagen. Heißt, für sehr viele (100, 200?) Millionen Steuergeld-Euros den Autoverkehr hier unterirdisch durch einen Tunnel am Hauptbahnhof vorbeizuführen, um der Lage oberirdisch Herr zu werden. Was letztlich bedeutet, dass eigentlich jede Ratsfraktion die Problemstelle Hauptbahnhof jetzt und für die Zukunft erkannt und verstanden hat.

Wäre da nicht auch noch der Klimaschutz und die Frage nach einer weiteren Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs, statt weiterer Wohlfühlstrecken für private Autofahrten durchs Stadtzentrum Leipzigs.

Der ADFC schlägt nun eine vollständige Auslenkung des Autoverkehrs aus dem Bereich vor (siehe Skizze), um so quasi kostenneutral Raum für alle andere Verkehrsteilnehmer zu schaffen. So würde sich der Vorplatz des Hauptbahnhofes organisch via kleinen Willy-Brandt-Platz mit der Innenstadt verbinden und wäre für Pkws nicht mehr befahrbar. Mehr Platz also für den ÖPNV, Fußgänger und Radler. Dafür müssten die Autos über den südlichen Ring verkehren oder sich hinter dem Leipziger Hauptbahnhof entlangbewegen.

Wut und Vergleiche

Dass diese Idee auf heftigen Widerstand vor allem von eher älteren LVZ-Lesern stößt, wurde schon vor der nun laufenden 48-Stunden-Vorführung anhand von unzähligen Online-Kommentaren klar. Der ADFC Leipzig selbst schrieb nicht grundlos vorab zur Demonstrationsanmeldung: „Fridays For Future Leipzig und ADFC Leipzig lassen es vor den Sommerferien noch mal so richtig krachen …“

Die unzähligen, manchmal hasserfüllten Kommentare waren eine erste Reaktion, das Wochenende wird hingegen zeigen, was real geschieht. Vor allem, wenn am Sonntag, den 30. Juni 2019, zwischen 18 und 21 Uhr mal alle Spuren des Außenrings vor dem Bahnhof für den Autoverkehr gesperrt sein werden. Wie die Stadt Leipzig und ADFC-Rechtsanwalt und Neu-Stadtrat Jürgen Kasek (Grüne) übereinstimmend mitteilen, wurde dazu ein Vergleich vor dem Verwaltungsgericht Leipzig geschlossen.

„Zentrales Anliegen des ADFC Leipzig e.V. sei, die Verkehrsfläche vor dem Hauptbahnhof ohne Kfz-Verkehr erlebbar zu machen. Das Gericht hat daher eine kurzzeitige Sperrung der vier Fahrspuren vor dem Hauptbahnhof vorgeschlagen. Auf Anraten des Gerichts wurde mit dem Veranstalter dann der Vergleich geschlossen.“, teilte die Stadtverwaltung am Freitag mit. Der ADFC erklärte sich damit einverstanden, obwohl man die Fläche am Sonntag gern länger für die wortwörtliche Demonstration der Autofreiheit genutzt hätte.

Was die Parteien zum Thema zu sagen haben, wird am Samstag ab 14 Uhr deutlich werden. Dann veranstalten Fridays for Future und der ADFC eine Podiumsdebatte auf dem Bahnhofsvorplatz mit Vertretern der Stadtratsfraktionen.

Gesang und Platznahme ab dem 28. Juni 2019 vor dem Hauptbahnhof Leipzig. Video: L-IZ.de

Das Programm der kommenden Stunden

Samstag, 29. Juni 2019

9 Uhr: Yoga for Future
11 Uhr: Pressekonferenz
14 Uhr: Podiumsdiskussion: „Kommt die Verkehrswende?“ mit den Ratsfraktionen
14 Uhr: Fahrradparcours für Kinder
16 Uhr: „Fairtradetown Leipzig“. Gemeinsames Kaffeetrinken mit KonsumGlobal Leipzig
21 Uhr: Tanzen gegen den Klimawandel

Sonntag, 30. Juni 2019

9 Uhr: Kinderprogramm
9 Uhr: Yoga for Future
14-18 Uhr Sommerfest des ADFC Leipzig
16 Uhr: „Fairtradetown Leipzig“. Gemeinsames Kaffeetrinken mit KonsumGlobal Leipzig
20 Uhr: Abbau

Durchgehend: Reden, Solidaritätsbekundungen, Zeichen hinterlassen (Fußabdruck), Transpis malen ….

Zur Aktion des ADFC Leipzig im Netz

Autofrei am Hauptbahnhof: 48-Stunden-Demo zeigt Alternativen auf + Video

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