Hanomag – da denkt man an eine echte Oldtimer-Legende. Eher an Lkw und Zugmaschinen, weniger an Pkw. Doch auch solche rollten einst bei der Hannoverschen Maschinenbau AG aus der Werkhalle. So auch der Hanomag N63, von dem in den Jahren 1931/1932 wohl um die 500 Stück gebaut wurden. Eine Handvoll tuckert wohl heute noch durch die Lande. Aber nur einer in strahlendem Weiß. Und das auch noch elektrisch. Ein echtes Pilotprojekt aus Leipzig.

Die Auto-Technologie wird völlig auf den Kopf gestellt. Statt die Luft zu verpesten, reinigt das Auto die Luft.

Die Idee griff Immo Warnecke wieder auf, als es bei seinem gerade so liebevoll restaurierten Hanomag um die Motorisierung ging. Warum nicht konsequent sein und das Auto nicht gleich auf eine moderne Antriebsart mit Batterie und E-Motor umstellen? Dann bläst das Auto erst gar keine Schadstoffe raus, sondern rollt ohne Abgase durch die Stadt oder – wie am Donnerstag, 16. Mai – erstmals über den Hof vor der Werkstatt.

Genau das hat er nun auch getan, hat statt des alten 22-PS-Benzinmotors, mit dem man auch in den 1930er Jahren nur 50 bis 60 km/h fahren konnte, einen 48-Volt-Elektromotor mit 15 KW (20,4 PS) eingebaut und aus einer alten Knatterkiste ein lautlos fahrendes E-Auto mit der Original-Karosse von 1932 gemacht. Mit zwei Reserve-Plätzen im Auto, wo noch weitere Batteriesätze untergebracht werden könnten.

„Wenn man das braucht“, sagt Warnecke. Denn im Stadtverkehr braucht man in der Regel auch keine Batterien für 360 Kilometer. Bei durchschnittlichen Strecken zwischen 20 bis 50 km reicht auch eine Speicherleistung für 120 bis 130 Kilometer, wie sie jetzt eingebaut ist. „Damit kommt man locker drei Tage durch.“

Und dann hängt man das Auto einfach an die nächste Steckdose und kann es binnen 10 Stunden wieder volltanken, etwas, was bei einer normalen Autonutzung leicht möglich ist. Denn für gewöhnlich steht ein Auto 90 Prozent der Zeit nur auf einem Parkplatz. Aber auch das würde ja – über den gezogenen Strom – noch Emissionen erzeugen. Deswegen hat sich Immo Warnecke auch gleich eine kleine Garage mit Solarzellen auf dem Dach auf den Hof gestellt. Das bringt genug Leistung, um das Auto binnen 24 Stunden komplett aufzuladen. Und es werden keine weiteren Emissionen erzeugt.

Aus dem einstigen Benziner von 1932 wurde also – einfach durch Umrüsten auf einen E-Motor etwa im Preisbereich von 10.000 Euro – nicht nur ein emissionsfreies Elektroauto. Durch den eingebauten Giftgasabsorber und den Feinstaubfilter wurde aus dem Auto auch gleich noch ein Luftreiniger. Der Absorber sitzt direkt unter der Motorhaube, gleich neben der Batterie. Der saugt die Luft durch drei leuchtend gelbe Blüten direkt vor dem Kühler an. Der Filter sitzt als Koffer am Heck.

Und beide verbrauchen so wenig Strom, dass man sie sogar laufen lassen kann, wenn das Auto steht. Wobei die beiden Geräte (neben der Hupe) das Einzige sind, was an diesem Fahrzeug etwas Lärm erzeugt. Man kann sie also auch beim Fahren laufen lassen und braucht Fußgänger beim Annähern nicht erst anzuhupen.

Absorber und Filter kosten je um die 500 Euro und können längst auch in Serie gefertigt werden. Was Heinrich Iglseder den jetzt von Fahrverboten bedrohten Städten eigentlich nur ans Herz legen kann. Warum nicht die am stärksten von Feinstaub belasteten Straßen mit solchen Filtern ausstatten und die schmutzigen Partikel direkt vor Ort aus der Luft saugen? Noch sinnvoller wäre natürlich, den kompletten Fuhrpark einer Stadt mit solchen Filtern auszustatten. Dann werden die Autos selbst zu Luftreinigern, bekommen eigene Grüne Lebern und Lungen.

Noch macht das niemand. Der Hanomag N63 ist tatsächlich das erste Auto, das auf diese Weise auch gleich noch als Luftreiniger unterwegs ist.

Und man sieht es auch. Davon erzählt nicht nur die weiße Lackierung, die auch für einen Hanomag eher ungewöhnlich ist. Aber hier kam die Leipziger Malerin Carolin Okon zum Zug, die mit Immo Warnecke schon mehrere Kunstprojekte verwirklichen konnte. Nur dass sie diese Aufgabe diesmal als echte Herausforderung empfand, denn für gewöhnlich „zerstöre“ sie Autos, wenn sie sie zum Kunstobjekt macht, sagt sie. Aber das wollte sie ja gar nicht.

Also sammelte sie bei den Machern über Monate Anregungen, was das Auto eigentlich erzählen sollte, wenn es in den Straßen unterwegs ist. Ergebnis sind zwei lässig im Grün posierende junge Frauen, umgeben von einem Meer leuchtender Blüten. So leuchtend, dass im März, als Carolin Okon an die Bemalung ging, sich sofort eine Biene draufsetzte. Also gewissermaßen eine Werbung für das, was Leipzig in diesem Jahr endlich mit frisch gesäten Blühwiesen schaffen will. Der Name für das Auto-Projekt lag also auf der Hand: Flora.

Schmetterlinge sind zu sehen, Grünalgen, Magnolien. Die Idee des Autos hat sich quasi einmal umgekrempelt: Aus einem Fahrzeug, das Schmutzpartikel ausstößt, wird eins, das den Schmutz aus der Luft saugt. Und das mit der blühenden Bemalung auch gleich seine Geschichte erzählt. Und – wie Iglseder betont – natürlich anregen soll, Autos künftig nur noch so zu bauen. Emissionsfrei, weil sie mit Solarstrom tanken. Und gleichzeitig als fahrende grüne Lungen, die hinter sich sauberere Luft rauslassen, als sie vorn einsaugen.

Und auch die von Immo Warnecke gebaute Garage braucht keinen Strom: Sie arbeitet autark mit Solarstrom.

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