Ach, ist das peinlich. So verdirbt ein Schusselfehler eine ganze Rechnung. So versiebt man Mathearbeiten. Am 22. Januar hatte ich in dem Beitrag „Leipziger Verkehrsbetriebe haben zwei Drittel ihrer Unterwerke schon auf 750 Volt Spannung hochgerüstet“ versucht nachzurechnen, was die LVB mit der Vergleichszahl meinten, dass der Stromverbrauch pro Straßenbahnfahrgast dem Verbrauch eines sparsamen Diesels auf 100 km entspricht.
Ich habe da den Energiewert für einen fiktiven Diesel mit 1,4 Liter Verbrauch auf 100 Kilometer gerechnet. Die haben nämlich 15 kWH als Energieinhalt. Was ich dummerweise dann in 1.500 Wh umgedaddelt habe.
Das ist natürlich falsch. Ich hab mich um eine Zehnerstelle vertan.
Worauf mich jetzt endlich unser Leser Martin Simmel hingewiesen hat.
Er schrieb:
Betreff: Eigentor?
Meines Erachtens enthält die Vergleichsrechnung gleich zwei Fehler.
Zum einen geht es um den Begriff „Fahrgast“. Ein Fahrgast steht für eine einzelne Fahrt einer Person. Wenn ich heute mit der Straßenbahn eine Strecke fahre und morgen erneut, zähle ich als zwei Fahrgäste. Der berechnete Wert steht also für den anteiligen mittleren Energieverbrauch einer Fahrt eines Fahrgasts.
Als zweites hat sich ein Umrechnungsfehler beim Energieinhalt eines Liters Diesel eingeschlichen. 15 kWh entsprechen nicht 1.500 Wh sondern 15.000 Wh. Damit reduziert sich das Verbrauchsäquivalent eines Fahrgasts von 1,4 auf 0,14 Liter Diesel. Bei einem Verbrauch von 6 l/100 km kommt ein Auto damit fast 2,5 km weit. Dies dürfte vermutlich weniger sein als der durchschnittliche Fahrgast zurücklegt, so dass die Energiebilanz in diesem Fall für die Straßenbahn spricht. Wenn das Auto allerdings mit mehreren Personen besetzt ist (was leider nur selten der Fall ist), steigt der Vergleichswert auf 5 km, 7,5 km oder 10 km (bei 2, 3 oder 4 Personen). Ein voll besetztes Auto dürfte pro Person also weniger verbrauchen als ein durchschnittlicher Fahrgast der LVB.
Es gibt sicher viele Gründe für die Öffis, so drastisch wie dargestellt sind die Vorteile im Energieverbrauch gegenüber einem Auto allerdings nicht …
Freundliche Grüße
M. Simmel
++++
So weit der Brief. Es stimmt: 15 kWH entsprechen nun einmal 15.000 Wh. Und auch der nächste Schritt lautet dann: Die 466 Wh pro Straßenbahnfahrgast der LVB entsprechen nicht (wie auch von den LVB so angenommen) 1,4 Liter Diesel, sondern – da hat Martin Simmel recht – 0,14 Liter.
Man kommt also mit dem Äquivalent für den anteiligen Fahrstrom eines LVB-Fahrgastes im fiktiven 1,4-Liter-Diesel nicht 100 Kilometer weit, sondern nur 10 Kilometer.
Martin Simmel hat lieber einen normalen Durchschnittsdiesel mit 6 Liter Verbrauch auf 100 Kilometer genommen. Damit kommt man dann sogar nur noch 2,5 Kilometer weit.
Das mit dem definierten Fahrgast stimmt soweit. Der eine fährt nur einmal mit Einzelfahrschein, andere fahren 100 Mal im Jahr, ein Abo-Kunde vielleicht auch 600 oder 800 oder 1.000 Mal. Entsprechend summieren sich dann die anteilig errechneten 466 Wh pro Fahrt.
Wahrscheinlich ist es tatsächlich so, dass ein sparsamer Diesel auf ähnliche Energieverbrauchswerte kommt wie ein Fahrgast, der mit der Straßenbahn zum Beispiel 2,5 Kilometer weit fährt.
Ach du Schreck: Dann bin ich ja ein richtiger Verschwender, wenn ich als emsiger Abo-Kunde – mal geschätzt – so 1.000 Mal im Jahr Straßenbahn fahre, hin und zurück, mit Umsteigen und pipapo habe ich dann also nicht nur 466 Wh, sondern fette 466 kWh auf meinem Konto.
Wobei mein Konto übrigens schmilzt, wenn noch viel mehr andere Leute mitfahren, wenn die Fahrgastzahlen der LVB also steigen.
Aber ist der Bursche in seinem Diesel wirklich so unschuldig, wie er jetzt dreinschaut?
2017 haben Leipzigs Statistiker mal die Bürger gefragt, wie viel sie eigentlich mit ihren Autos fahren. Dieselfahrer kommen im Jahresschnitt auf 28.082 gefahrene Kilometer. Diesel ist das Arbeitsfahrzeug der Leipziger. Benziner kommen im Schnitt nur auf 12.256 Kilometer. Frauen fahren weitere Strecken mit Diesel (30.633) als Männer (25.989).
Rechnen wir wieder mit einem 6-Liter-Verbrauch auf 100 Kilometer, verbraucht der durchschnittliche Dieselfahrer also 1.685 Liter Diesel im Jahr, multipliziert mit den 10,7 kWh Brennwert je Liter sind das 18.028 kWh Energieverbrauch im Jahr, wenn immer nur einer alleine fährt. Bei zwei Personen werden 9.000 kWh daraus, bei vier Personen rund 4.500 kWh pro Kopf.
Sie sehen: Ich versuch’s ja wirklich. Aber das sind immer noch zehn Mal mehr als bei einem notorischen Abo-Kunden der LVB.
Bei einem fiktiven 1,4-Liter-Auto käme der Einzelfahrer noch auf 4.206 kWh, bei voller Dauerbesetzung bleiben pro Kopf auch noch über 1.000 kWh Energieverbrauch im Jahr. Was aber eben an der langen gefahrenen Strecke liegt.
Benzinfahrer verbrauchen allein aufgrund der weniger gefahrenen Kilometer weniger. Bei durchschnittlich 12.256 Kilometern im Jahr sind das bei einem 6-Liter-Auto und dem Brennwert 11,1 kWH / Liter 8.162 kWH für den Einzelfahrer und je nach Dauerbegleitung weniger pro Kopf. Bei vier Leuten Dauerbesetzung sind es noch über 2.000 kWh. Erst bei einem fiktiven 1,4-Liter-Benziner und Vollbesetzung kommt man in die Nähe von meinem Jahresanteil am LVB-Fahrstrom. Dann hätte jeder der vier Insassen des Pkw noch 476 kWH zu verantworten.
Rechnen Sie bitte einfach nach. Vielleicht denke ich ja schon wieder falsch. Aber mir kommt es nun einmal so vor, dass Pkw erst dann auch beim Energieverbrauch konkurrenzfähig werden zur Straßenbahn, wenn sie höchst sparsam sind (1,4 Liter) und immer und zu jeder Zeit auch voll besetzt fahren.
Wobei ich diese 1,4 Liter nicht sehe. Denn der Durchschnittsverbrauch von Benzinern lag 2017 wieder bei 7,8 Liter, der von Dieselautos lag bei 7 Liter auf 100 Kilometer. Da kann ich sogar 2.000 Mal im Jahr Straßenbahn fahren und bleibe im Energieverbrauch immer noch unter sämtlichen Werten für vollbesetzte Pkw.
Und noch eine Kurve: Wie sieht es bei Elektroautos aus?
Der ADAC hat im Oktober mal Testergebnisse mit E-Autos veröffentlicht. Die kommen auf Werte von 14,7 bis 28,1 kWh je 100 Kilometer. Bei Benzin und Diesel haben wir gesehen: Die brauchen eher Sprit mit 60 bis 70 kWh auf 100 Kilometer. Die E-Autos landen also eher im Bereich echter sparsamer Spritfahrer und können, wenn sie voll besetzt sind, ungefähr in den Verbrauchsbereich eine Straßenbahn-Vielfahrers vorstoßen.
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