Eltern haben wohl zu Recht einige Befürchtungen, wenn sie ihre Kinder in Städten wie Leipzig oder Dresden mit dem Rad fahren lassen. Denn wo das Radwegenetz noch immer Lücken und unübersichtliche Stellen aufweist, reicht Vertrauen in das Können der Kinder oft nicht aus. 80 Prozent der Sachsen können ihre Kinder nicht mit einem guten Gewissen allein Rad fahren lassen, stellt jetzt der ADFC Sachsen fest.
In Dresden und Leipzig beträgt der Wert 83 %, in Freital 88 % und in Zwickau sogar 92 %. Zwei Drittel sagen, dass es selbst auf Gehwegen für Kinder auf dem Rad zu gefährlich sei. Dies zeigt eine Umfrage des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) mit fast 10.000 Befragten in Sachsen.
Zwischen September und November 2018 befragte der ADFC rund 10.000 Radfahrende in Sachsen. 71 % von ihnen gaben an, sich auf dem Rad gefährdet zu fühlen. Noch höher schätzten sie die Gefährdung von Rad fahrenden Kindern ein. 80 % können nicht mit einem guten Gewissen Kinder allein fahren lassen und 66 % finden, dass es selbst auf Gehwegen für Kinder gefährlich ist. Im gesamten Freistaat finden nur 32 %, dass die Radwege für Kinderanhänger und Lastenräder geeignet sind. In Grimma sind es 56 %, in Dresden 30 % und in Limbach-Oberfrohna nur 8 %.
Dabei gibt es innerhalb Sachsens erhebliche Unterschiede. So sagen in Coswig 82 % der Befragten, dass es üblich sei, Kinder allein mit dem Rad zur Schule fahren zu lassen. In Dresden jedoch liegt dieser Wert bei nur 45 %, in Leipzig bei 37 % und in Zwickau sogar nur bei 10 %. Sachsenweit schätzen 40 % ein, dass es in ihrem Ort üblich ist, Kinder allein mit dem Rad zur Schule fahren zu lassen. Darüber haben in Sachsen 79 % den Eindruck, dass es nicht gewünscht ist oder unterstützt wird, wenn Kinder ihren Weg zur Schule mit dem Rad zurücklegen. Auch hier gibt es große regionale Unterschiede: So liegt dieser Wert in Zwickau bei 96 % und in Chemnitz bei 90 %; in Coswig dagegen sind es 47 % und in Weißwasser 55 %.
Konrad Krause, Geschäftsführer des ADFC Sachsen, zeigt sich erschüttert über diese Zahlen: „Es ist für mich ein Alarmsignal, wenn Eltern die Wege in der Stadt als so gefährlich einschätzen, dass vier von fünf sich nicht trauen, ihr Kind allein mit dem Rad fahren zu lassen. Uns zeigt das, dass noch viel für eine radfreundliche Infrastruktur getan werden muss. Schließlich bringt es für die Kinder viele Vorteile.“
Kinder, die regelmäßig auch nur kurze Strecken mit dem Fahrrad zurücklegen, sind gesünder und seltener übergewichtig. Studien belegen außerdem, dass Kinder, die mit dem Rad zur Schule fahren, konzentrierter und aufmerksamer im Unterricht mitarbeiten.
„Nichts ist wichtiger als die Gesundheit unserer Kinder. Schulen, Stadtverwaltungen und Politik müssen Hand in Hand für sichere Schul- und Freizeitwege kämpfen. In den Niederlanden fahren beispielsweise viel mehr Kinder mit dem Rad zur Schule als in Deutschland“, sagt Krause.
In der Bundesrepublik legen nur 13 % der Schüler ihren Schulweg mit dem Rad zurück, in den Niederlanden sind es dagegen 35 %. Dafür ist es in den Niederlanden weitaus unüblicher, dass Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule fahren.
Die Umfrage zeigt außerdem bemerkenswerte regionale Unterschiede: So wird die Fahrradinfrastruktur in den Landkreisen Leipzig, Nordsachsen, Bautzen und Görlitz als deutlich kinderfreundlicher eingeschätzt als in den Landkreisen Zwickau, Mittelsachsen, dem Erzgebirgskreis oder Chemnitz.
Der Hintergrund: Kinder bis zum vollendeten 8. Lebensjahr müssen auf dem Gehweg fahren, bis zum vollendeten 10. Lebensjahr dürfen sie ihn noch benutzen. Erwachsene, die Kinder mit dem Rad begleiten, dürfen nicht auf dem Gehweg fahren. Sind die Kinder älter als zehn Jahre alt, müssen sie auf der Straße fahren.
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