Die Leipziger Stadtverwaltung hantiert zwar immer wieder mit Zahlen von Radfahrern auf diversen stark befahrenen Straßen. Aber in Wirklichkeit weiß man gar nicht, wie viele Radfahrer tatsächlich jeden Tag auf welcher Piste unterwegs sind. Man rechnet es nur immer wieder modellhaft anhand punktueller Verkehrszählungen hoch. Wirklich messen will man das erst jetzt an einzelnen Messpunkten, teilt das Verkehrs- und Tiefbauamt mit.
„Leipzig fährt Rad – aber wie viel? Auf welchen Strecken? Und wie wird sich der Radverkehr in den kommenden Jahren entwickeln?“, fragt sich das Amt und installiert jetzt erst das, was es zumindest an 22 Stellen auch schon für die Kraftfahrzeuge gibt: Neue Messstellen sollen helfen, den Radverkehr in Leipzig zu analysieren. Deshalb hat die Stadt jetzt drei Dauerzählstellen installiert, die eine Dokumentation an 365 Tagen im Jahr erlauben – unabhängig von Jahreszeit und Witterung.
Gerade wurden zwei Zählstellen in der Karl-Liebknecht-Straße auf Höhe der Braustraße sowie in der Semmelweisstraße auf Höhe der S-Bahn-Brücke in Betrieb genommen. Die Radfahrer werden automatisch erfasst, wenn sie über die im Boden eingelassene Messstelle fahren. Dies funktioniert mittels elektromagnetischer Induktion. Das System erkennt Fahrräder und filtert andere Verkehrsteilnehmer wie etwa Autos und Motorräder aus. Bisher wurde das Radaufkommen nur an exemplarischen Tagen manuell gezählt. Künftig sind auch Aussagen über die Entwicklungen des Radverkehrs im Tages-, Wochen- und Jahresrhythmus möglich.
Dass nur exemplarisch gezählt wird, weist die Karte zu den Radverkehrsströmen in der Stadt (siehe unten) freilich nicht aus. Dort suggerieren scheinbar kopfgenaue Zahlen, dass hier tatsächlich gezählt und gemessen wird.
Manche Zahlen auf der Karte, gültig für August 2018, scheinen plausibel. Aber mit der Karl-Liebknecht-Straße, wo jetzt zwei Zählstellen eingerichtet wurden, geht es los: 7.100 Fahrräder in 24 Stunden weist die Karte an der Stelle der neuen Messstelle aus, weiter stadtauswärts – etwa Höhe Kurt-Eisner-Straße – aber werden 9.360 Radfahrer ausgewiesen. Obwohl jeder Besuch in der Straße zeigt, dass die Zahl der Radfahrer stadteinwärts zunimmt, weil die meisten nun einmal stadteinwärts wollen.
Die Zahlen freilich zeigen auch, dass die KarLi eine der am stärksten von Radfahrern genutzten Straßen ist. Stärker frequentiert wird nur noch der Weg durch den Clara-Zetkin-Park mit 12.820 Radfahrern, von denen die meisten an jenem Nadelöhr am Martin-Luther-Ring landen, das das Jugendparlament mit zwei Anträgen schon thematisiert hat. Die vorhandenen Radhauptrouten sind voller Nadelöhre.
Ein anderes Nadelöhr ist die Innere Jahnallee, für die die Karte von 2018 aber nur 2.380 Radfahrer am Tag ausweist, eine Zahl, die so nicht stimmen kann, erst recht wenn man sieht, wie die Radfahrerzahlen in der Jahnallee stadtauswärts auf einmal anschwellen auf 4.030 und 5.620.
Aber bislang kann man diesen scheinbar genauen Zahlen immer nur die eigenen Erfahrungen vor Ort entgegensetzen. Bauchgefühl steht gegen scheinbare Präzision.
Was an anderen Stellen im Stadtgebiet so weitergeht. Etwa in der Windmühlenstraße, wo die Karte 5.370 Radfahrende in 24 Stunden ausweist. Im Vergleich etwa mit der Georg-Schumann-Straße, wo eher lächerliche 1.550 ausgewiesen werden, erscheint das viel. Für die Bedeutung dieser Straße hingegen scheint es wenig.
An der Semmelweisstraße, wo die beiden anderen Messpunkte eingerichtet werden, stehen bislang nur 970 Radfahrer in der Statistik. Was vergleichsweise so auch nicht mehr stimmen kann, wenn selbst auf der südlicher gelegenen Richard-Lehmann-Straße 2.670 Radfahrer in 24 Stunden errechnet wurden.
Das Problem ist wirklich: Man hat nicht einmal verlässliche Dauerbelastungszahlen für die Hauptrouten, weiß auch nicht wirklich, wo Radfahrer natürlicherweise auf weniger belastete Strecken ausweichen. Dass am Heuweg nur 610 Radfahrer für den Tag gezählt werden, ist ein Witz, denn der Heuweg ist eine der beliebtesten Ausweichstrecken für Radfahrer. Deutlich beliebter als die mit 840 Radfahrern ausgewiesene Gustav-Esche-Straße. So kann man das ganze Zahlenwerk durchgehen: Wo bleiben die 5.160 Radfahrenden aus der Kurt-Schumacher-Straße, wenn dann in der Eutritzscher Straße nur noch 1.200 auftauchen?
Eine Karte, die eigentlich sehr deutlich zeigt, dass man noch längst keine belastbare Matrix hat, um den Radverkehr in Leipzig wirklich zu berechnen oder gar zu simulieren.
Die Dauerzähler sind jeweils an zentralen Verbindungsachsen positioniert, etwa zwischen der Innenstadt und den Ortsteilen, betont die Verwaltung. Bereits seit 2017 ist die Zählstelle Manetstraße auf dem Verbindungsweg zwischen Neuem Rathaus und Johannapark in Betrieb. Das Konzept des Verkehrs- und Tiefbauamtes sieht insgesamt sechs derartige Radzähler vor. Diese werden sukzessive aufgebaut und kosten rund 9.000 Euro pro Stück.
Liegen dann irgendwann genügend Daten der Messstellen vor, sollen diese auf den Internetseiten der Stadt Leipzig veröffentlicht werden.
Warum die neue Leipziger Zeitung geradezu einlädt, mal über den Saurier Youtube nachzudenken
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