Am Wochenende meldete sich Maximilian Kรถnig, Kreisvorsitzender der Jungen Liberalen in Leipzig, zur Grenzwertdiskussion bei Stickoxiden zu Wort. Immerhin hagelt es ja in anderen GroรŸstรคdten mittlerweile Fahrverbote fรผr Diesel-Pkw, weil die Grenzwerte massiv รผberschritten werden. Besonders Umweltbรผrgermeister Heiko Rosenthal macht er fรผr mรถglicherweise drohende Fahrverbote verantwortlich.

โ€žHeiko Rosenthal muss sich nun dafรผr verantworten, warum Leipzig im vergangenen Jahr keine Fortschritte gemacht hatโ€œ, sagt Kรถnig. โ€žDer Luftreinhalteplan ist nicht konsequent genug und wurde durch das Umweltdezernat mangelhaft umgesetzt. Diesen wie nun angekรผndigt fortschreiben zu wollen, kommt zu spรคt. Die Gelassenheit des Umweltdezernates, das offenbar keine Fahrverbote fรผrchtet, kรถnnen wir angesichts der Klagen in anderen deutschen GroรŸstรคdten nicht nachvollziehen. Jetzt hat die Deutsche Umwelthilfe auch Leipzig im Visier. Selbst eine solch geringe รœberschreitung des Grenzwertes kann dann am Ende problematisch werden. Wenn es schlecht lรคuft, mรผssen schlussendlich alle Diesel-Fahrer die Versรคumnisse der Stadt ausbaden.โ€œ

Das lassen wir mal so stehen.

Tatsรคchlich ist die gemessene Stickoxid-Belastung an beiden Leipziger Messstellen in den vergangenen Jahren gesunken โ€“ auch durch die seit 2011 eingefรผhrte Umweltzone und das Durchfahrtsverbot fรผr Lkw. Nur an der Messstelle Lรผtzner StraรŸe wurde 2018 noch eine Durchschnittsbelastung von 42 ยตg/mยณ gemessen. Die Messstelle Leipzig-Mitte blieb mit 38 ยตg/mยณ unter dem vorgeschriebenen Grenzwert von 40 ยตg/mยณ.

Ohne die getunten Diesel-Pkw lรคgen die Werte natรผrlich noch niedriger.

Aber Maximilian Kรถnig wies auch darauf hin, dass es die Stรคdte selbst in der Hand haben, den Verkehr klimaschonender zu gestalten.

โ€žDabei wรผrde es genug Mรถglichkeiten geben, wie die Stadt einer weiteren รœberschreitung der Grenzwerte hรคtte vorbeugen kรถnnenโ€œ, so Kรถnig. โ€žWichtigster Punkt ist dabei die Stรคrkung des ร–PNV, denn die Verkehrsbetriebe sind nach wie vor den steigenden Einwohnerzahlen nicht gewachsen. Die jรผngste Entscheidung, niedrige Preise statt umfassender Investitionen zu fรถrdern, fรผgt sich dabei ins traurige Bild. Auch sollte die Stadt mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Fahrzeugflotte auf umweltfreundlichere Antriebe umstellen. Fรผr potenziell betroffene Diesel-Fahrzeuge von Privatpersonen muss ein kommunaler Fonds zur freiwilligen Hardware-Nachrรผstung eingerichtet werden!โ€œ

Wahrscheinlich wรคre so ein kommunaler Umrรผstungs-Fonds rechtlich gar nicht mรถglich. Aber die โ€žStรคrkung des ร–PNVโ€œ steht schon seit รผber zehn Jahren im Luftreinhalteplan, auch wenn 2009 ein Netzausbau noch nicht das amtliche Wohlwollen erlangt hatte. Das kam erst vor drei Jahren, als die Ratsfraktionen darauf drรคngten, endlich auch Zuwachs im ร–PNV zu planen, was dann mit den Mobilitรคtsszenarien erstmals Gestalt annahm.

Was aber auch dafรผr sorgte, dass der fรคllige neue Nahverkehrsplan sich um (mindestens) zwei Jahre verschob. Kรถnig unterstellt freilich auch, dass gedeckelte Preise die Attraktivitรคt des ร–PNV nicht erhรถhen. Von โ€žniedrigen Preisenโ€œ kann keine Rede sein, auch wenn die LVB gern vorrechnen, was ihnen an Geld entgeht, wenn es mal zwei Jahre keine Fahrpreissteigerung gibt.

Warum Leipziger ihr Verkehrsmittel wechseln. Grafik: Stadt Leipzig, Bรผrgerumfrage 2017
Warum Leipziger ihr Verkehrsmittel wechseln. Grafik: Stadt Leipzig, Bรผrgerumfrage 2017

Die jรคhrlichen Bรผrgerumfragen deuten darauf hin, dass das Preisargument fรผr Menschen mit niedrigen Einkommen sehr wohl ein sehr starkes ist, wenn es darum geht, zwischen StraรŸenbahn und Fahrrad zu entscheiden. 23 Prozent der Befragten nannten 2017 finanzielle Grรผnde als Grund fรผr ihren Verkehrsmittelwechsel. Hรคufiger wurden noch der Wechsel von Wohn- und Arbeitsort (42 Prozent) und โ€žgesundheitliche Grรผndeโ€œ (25 Prozent) genannt. Umwelt oder City-Tunnel spielten fast gar keine Rolle, was verblรผffen kann โ€“ aber nicht muss.

Augenscheinlich sind es ganz handfeste alltรคgliche Bedingungen, die Menschen entscheiden lassen, womit sie sich fortbewegen.

Zum Beispiel die Tatsache, dass man sich den ร„rger einer Parkplatzsuche ersparen kann, wenn man mit der StraรŸenbahn oder dem Rad in die City fรคhrt. Gerade die City ist ein gutes Beispiel dafรผr, wie das Auto an Attraktivitรคt verliert, wenn man mit anderen Verkehrsmitteln besser hinkommt. Und eine spezielle Grafik zu den Wechslern zeigt, dass vor allem der Umstieg vom Pkw auf ร–PNV dazu gefรผhrt hat, dass der ร–PNV-Anteil beim City-Besuch binnen fรผnf Jahren von 39 auf 42 Prozent stieg.

Der Nebeneffekt sind dann leider รผberfรผllte Bahnen und Haltestellen. Die fรผnf Jahre von 2012 bis 2017 haben tatsรคchlich gezeigt, dass die LVB rund um die City ein massives Kapazitรคtsproblem haben.

Interessant ist auch die Grafik zu den Wechseln bei โ€žEinkรคufenโ€œ, denn auch hier verlor der Pkw (von 51 auf 49 Prozent). Hier aber stiegen die wechselnden Pkw-Fahrer nicht auf die StraรŸenbahn um, sondern verstรคrkten den FuรŸverkehr, der bei Wegen zum Einkauf von 23 auf 27 Prozent wuchs. Was in diesem Fall damit zu tun hat, dass die Supermรคrkte am Stadtrand deutlich an Attraktivitรคt verloren, dafรผr im ganzen Stadtgebiet neue Nahversorger entstanden, wo man eben von der Wohnung aus zu FuรŸ hingelangen kann.

Und ebenso interessant ist das Wechselgeschehen bei Wegen zur Arbeit, wo StraรŸenbahn, Bus und S-Bahn ganz unรผbersehbar von wechselnden Autofahrern profitieren, sodass der Anteil der Autofahrer im Berufsverkehr von 48 auf 45 Prozent sank. Aber gleichzeitig wechselten viele ร–PNV-Nutzer aufs Fahrrad, sodass vor allem der Fahrrad-Anteil von 18 auf 21 Prozent stieg.

Und auch da kann man auf den von Kรถnig zitierten Luftreinhalteplan zu sprechen kommen, in dem seit 2009 eigentlich ein systematischer Ausbau des Radwegenetzes verankert war โ€“ aber auch das blieb im Verfahren stecken, wurden weder die nรถtigen Radnetzplanungen bewerkstelligt noch die versprochenen Gelder bereitgestellt. Und gerade Radverkehr trรคgt massiv zur sauberen Luft bei. Aber das Beispiel Innere Jahnallee hat ja gezeigt, was fรผr ein Gezeter losbricht, wenn auch nur die Forderung, hier geparkte Dieselautos durch Radwege zu ersetzen, ausgesprochen wird. Ein Gezeter, das Leipzigs Verwaltung sofort genutzt hat, um hier wieder mit bequemen โ€žAberโ€œ zu erklรคren, dass man das alles erst mal in aller Ruhe prรผfen mรผsse.

Obwohl die Umfragen auch bestรคtigen, dass der einzelne Verkehrsmittelanteil immer genau dann zunimmt, wenn auch das Angebot wรคchst. Und das gilt fรผr den ร–PNV genauso wie fรผr den Radverkehr, beides Findelkinder der Leipziger Verkehrspolitik. Oder mal so formuliert: Beide Verkehrsarten bleiben in Leipzig weit unter ihren Mรถglichkeiten, weil die Verwaltung auf Zeit spielt und zรถgert und zaudert.

Die neue Leipziger Zeitung Nr. 63: Protest, Vertrauen und eine gute Frage

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Es gibt 3 Kommentare

โ€œWie ist das eigentlich aktuell mit der Fahrrad-Mitnahme in der S-Bahn?โ€
Aktuell eher unproblematisch.
Problematisch war vor allem am Morgen die Strecke nach Halle. Hier fรคhrt nun zusรคtzlich um 7:11Uhr vom Querbahnsteig ein Verstรคrkerzug, sodass sich die Situation insgesamt entspannt hat.

Wie ist das eigentlich aktuell mit der Fahrrad-Mitnahme in der S-Bahn?
(L-IZ dazu l-iz.de/wirtschaft/mobilitaet/2018/08/ZVNL-Geschaeftsfuehrer-Oliver-Mietzsch-zur-Sicherheit-in-den-S-Bahnen-Radabstellanlagen-und-einem-Fahrradverleihsystem-im-S-Bahn-Gebiet-229147 )

Eigentlich ist das ganz praktisch, viele S-Bahn-Stationen lassen sich innerhalb von 10 min mit dem Rad erreichen und der Zielort liegt meist auch in diesem Umkreis.
Dazu mรผsste man sich aber darauf verlassen kรถnnen, dass der Zug nicht รผberfรผllt ist und fรผr die nicht ganz so sportlichen, dass der Fahrstuhl zum Bahnsteig funktioniert.
(Wobei im Sรผdwesten da ein bis zwei Haltepunkte fehlen, Knautkleeberg, Windorf, GroรŸ- und Kleinzschocher und so..)

Womit dann aber auch wieder einmal die Leipzig-Pass-Mobilcard (Sozial-Ticket) zu hinterfragen wรคre.
Eine Mitnahme von โ€˜Sachenโ€™ also auch Fahrrรคdern ist hier ausdrรผcklich ausgeschlossen.
(Von der Beschrรคnkung auf das Stadtgebiet der Zone 1 hier mal abgesehen..)

23.000 Leipziger nutzen die Leipzig-Pass-Mobil-Card, rund 130.000 Menschen hรคtten Anspruch darauf.
(Quelle: l-iz.de/wirtschaft/mobilitaet/2019/01/Sozialdezernat-lehnt-ein-20-Euro-Sozialticket-aus-Kostengruenden-ab-255864 )

Wobei auf der Seite der Stadt Leipzig von ca. 70.000 potentiellen Anspruchsberechtigten ausgegegangen wird. (Datum gibtโ€™s da nicht, vermutlich veraltete Zahlen)
https://www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales/soziale-hilfen/leipzig-pass/leipzig-pass-mobilcard/
Dort auch die Einkommensgrenze:
โ€œVoraussetzung fรผr die Leipzig-Pass-Mobilcard ist der Leipzig-Pass. Wo ist dieser erhรคltlich, welche Einkommensgrenzen gelten?
Der Leipzig-Pass ist in allen Bรผrgerรคmtern gegen Vorlage des Einkommensnachweises und des Mietvertrages erhรคltlich. Grundsรคtzlich gilt als Einkommensgrenze das 1,5fache des Regelsatzes (=613,50[*] Euro fรผr eine alleinstehende Person, abgestuft fรผr weitere Haushaltsangehรถrige) zuzรผglich der Bruttowarmmiete. Bei einem Alleinstehenden mit einer Bruttowarmmiete von zum Beispiel 328 Euro liegt die Einkommensgrenze bei 941,50 Euro/ Monat.โ€

*(alter Wert?) Regelsatz bis 1.1.2019: 416 โ‚ฌ * 1,5 = 624 โ‚ฌ, aktuell 424 โ‚ฌ * 1,5 = 636 โ‚ฌ,
Angemessener Wohnraum lt. Richtlinie der Stadt Leipzig (1.4.2018):
Brutto-Kaltmiete 279,60 โ‚ฌ + Heizung- und Warmwasserkosten 55,78 โ‚ฌ =
Bruttowarmmiete 335,38 โ‚ฌ fรผr 1 Person fรผr 45 qm.
Kaltmiete 215,50 โ‚ฌ / 45 qm = 4,79 โ‚ฌ/qm.

Also, wer weniger als 636 โ‚ฌ + 335,38 โ‚ฌ = 971,38 โ‚ฌ zur Verfรผgung hat, ist mindestens anspruchsberechtigt.
(Welche Bruttowarmmiete fรผr nicht Hartz IV-Empfรคnger anerkannt wird, ist mir nicht klar..)

Und eh jetzt, die Befรผrworter von Fahrrad-Parkplรคtzen und -Ausleihstationen kommen ^^
Wer sich kein Auto leisten kann (oder will), wird sein Fahrrad nicht einsam und alleine an S-Bahn-Stationen den Dieben aussetzen und
Extra-Geld fรผr Leihfahrrรคder (bzw. bewachte Parkplรคtze) muss man auch erstmal finanzieren.

Das aktuelle KdU-Blatt:
https://www.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/Jobcenter/Leistung/Hinweisblatt-KdU-2018.pdf

Zu den Mess-Stationen, weil da mal von 2 und auch mal von 4 die Rede ist..
Habโ€™ ich da mal geschaut,
und hier findet man die รœbersicht:
https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/infosysteme/luftonline/Uebersicht.aspx

Und nach Klick auf die Torten, die 4 Stationen:
2 Hintergrundstationen:
Luftschadstoffe Leipzig-West
Adresse: N.-Rumjanzew-Str. 100 / Schรถnauer Str.
gemessen wird: NO, NO2, O3, PM10_TEOM

Luftschadstoffe Leipzig-Thekla
Adresse: Kiebitzstr., Abwasserpumpwerk
gemessen wird: O3

und die 2 Verkehrsstationen:
Luftschadstoffe Leipzig-Mitte
Adresse: Willy-Brandt-Platz / Am Hallischen Tor
gemessen wird: BEN, NO, NO2, PM10_TEOM, SO2

Luftschadstoffe Leipzig-Luetzner StraรŸe
Adresse: Lรผtzner Str. 36
gemessen wird: NO, NO2, PM10_TEOM

Wird wohl stรผndlich aktualisiert, PM10 ist der Feinstaub, O3 das Ozon, SO2 Schwefeldioxid, BEN ist Benzol, Stickstoffmonoxid (NO) und Stickstoffdioxid (NO2) wird getrennt ausgewiesen..

Wenn man sich die stรผndlichen Werte zu NOx mal so anschaut, kann man daran den Berufsverkehr ablesen und da wird der diskutierte โ€˜Grenzwertโ€™ von 40 ยตg/mยณ (nur fรผr NO2) in Mitte und in der Lรผtzner mehrfach รผberschritten.
Vorlรคufige, noch nicht validierte Einstundenmittelwerte vom 04.02.19 08:00 in [ยตg/mยณ]:
Mitte:
BEN: 2,2 NO: 155 NO2: 75 PM10_TEOM: 20 SO: 22,3

Lรผtzner:
NO: 81 NO2: 66 PM10_TEOM: 15

(Aber der diskutierte Grenzwert ist ja auch nicht stรผndlich gemeint, sondern wird รผbers Jahr gemittelt.)
Also, wer im Berufsverkehr ohne Atemschutz unterwegs ist, sollte fรผr seine persรถnliche Stickoxid-Bilanz sich auch mal nachts, wenn kein Verkehr ist, an die StraรŸe stellen.

Fรผr Vegetation gilt รผbrigens ein Grenzwert von 30 ยตg/mยณ, also mehr Bรคume an die StraรŸen!!!

Die Grenzwerte findet man hier:
https://www.umwelt.sachsen.de/umwelt/download/luft/Grenz-_Zielwerte_und_Alarmschwellen.pdf

Und NO2 darf da in drei aufeinander folgenden Stunden im Stundenmittel nicht den Grenzwert von 400 ยตg/mยณ und nicht mehr als 18 mal im Jahr den Grenzwert im Stundenmittel von 200 ยตg/mยณ รผberschreiten.

Also, fรผr Menschen, die hauptsรคchlich im Berufsverkehr unterwegs sind, ist irgendwie diese ganze Debatte, ob nun 40 oder 50 รผbers Jahr und aus 24 Stunden und pro Stunde gemittelt, fรผr ihre persรถnliche Schadstoffaufnahme irgendwie am Thema vorbei..

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