Als Leipzigs Verwaltung am 7. Februar den neuen Luftreinhalteplan 2018 öffentlich machte, gab es postwendend Kritik – und zwar von verschiedenen Seiten. Auch die IHK meldete sich zu Wort und kritisierte, dass der Plan allein mit Verkehrsflussregelungen versuche, die Stickoxid-Belastung in einigen Straßenabschnitten drücken zu wollen. Jetzt legt die Initiative „Mobilität Leipzig 700plus“, deren Mitglied die IHK ist, mit einem Offenen Brief an Oberbürgermeister Burkhard Jung nach.
„Die gestern von der Verwaltung verkündeten Maßnahmen zum Luftreinhalteplan beziehen sich wieder nur vornehmlich auf den Verkehr und sind keine Lösung für die Mobilitätsprobleme einer wachsenden Stadt. Andere Verursacher der Luftverschmutzung werden entweder gar nicht benannt oder absichtlich verschwiegen“, hatte Kristian Kirpal, Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig, am 8. Februar das vorgelegte Papier kritisiert.
„Dabei werden sowohl die Maßnahmen des Luftreinhalteplanes als auch des Lärmaktionsplanes miteinander vermischt. Zu beiden Plänen und den zu befürchtenden Beeinträchtigungen für den Wirtschaftsverkehr hatte die IHK zu Leipzig bereits deutliche Kritik geäußert. Die jetzt angekündigten Verkehrseinschränkungen z. B. in der Wundtstraße, der Inneren Jahnallee oder im Zentrum Nord verlagern den Verkehr in andere Straßen und behindern dann dort den Verkehrsfluss. Probleme werden dadurch nicht gelöst, sondern nur an andere Stellen verschoben. Wenn zukünftig die halbe Stadt im Stau steht, erreicht man am Ende die gleichen Effekte wie bei Fahrverboten.“
Und er fügte noch hinzu: „Angesichts einer nur geringfügigen Messwertüberschreitung von durchschnittlich zwei Mikrogramm Stickoxid je Kubikmeter im Jahresdurchschnitt 2018 in der Lützner Straße muten diese Maßnahmen an wie ein ‚Schießen mit Kanonen auf Spatzen‘. Die IHK fordert daher von der Stadt eine weniger einseitige Argumentation und Problemlösung.“
Dass der Eindruck entstand, dass vor allem mit Eingriffen in den Verkehrsfluss versucht werden soll, die Stickoxid-Grenzwerte unter 40 μg/m³ im Jahresdurchschnitt zu drücken, hat mit den sogenannten A-Maßnahmen im Luftreinhalteplan zu tun. Mit den A-Maßnahmen soll die Stickoxidbelastung vor allem in der hoch belasteten Inneren Jahnallee schnell gesenkt werden. Autofahrer sollen mit veränderten Ampelschaltungen dazu animiert werden, lieber die Route über das Tangentenviereck zu nutzen.
Und das nehmen Kristian Kirpal (IHK), Claus Gröhn (Handwerkskammer) und Hubertus Milke (Ingenieurkammer) in ihrem Offenen Brief auch zum Anlass, genau diese Verkehrsverlagerung, die ja keine echte Verkehrsreduktion ist, zu kritisieren: „Wir fordern die Leipziger Stadtverwaltung deshalb auf, bis zu einer gesetzlichen Neuregelung auf einschränkende Maßnahmen im Verkehrsablauf zu verzichten. Längere Rot-Ampelphasen zur Verkehrsflussdosierung (geplant z. B. in der Jahnallee), Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 30 Stundenkilometer (geplant auf der Berliner Straße) sowie die Reduzierung von Fahrspuren und Abbiegeverbote (geplant im Bereich von Wundtstraße bzw. Martin-Luther-Ring/Harkortstraße) sind aus unserer Sicht nicht nur kontraproduktiv sondern wachsen sich zunehmend zu einem Wirtschafts- und Wohlstandsrisiko aus. Verkehrsströme werden sich hierdurch nur verlagern und dafür andere Stellen im Straßennetz überlasten. Für die Einhaltung der geltenden Grenzwerte und damit für eine bessere Luft ist es jedenfalls zielführender, den Verkehr zu verflüssigen, als ihn durch restriktive Eingriffe zu behindern.“
Natürlich kommen im Luftreinhalteplan auch wieder Dutzende anderer Maßnahmen vor, die helfen sollen, die Schadstoffbelastung der Luft zu verringern. Über die wurde und wird so gut wie gar nicht diskutiert, weil der direkte Bezug zur Schadstoffsenkung oft erst deutlich wird, wenn sie tatsächlich umgesetzt werden.
So wie zum Beispiel Maßnahme C3 „Einrichtung von Radschnellwegen“, irgendwie ab 2020 im Plan und – das fällt im gesamten Luftreinhalteplan auf – natürlich mit einer Kostennote „Mittel / hoch“ versehen. So eine Angabe findet man zu praktisch allen Maßnahmen, die wirklich dazu beitragen, die Luftschadstoffbelastung zu senken, weil sie den Leipzigern andere Mobilitätsangebote machen. Die A-Maßnahmen lassen sich hingegen mit relativ geringem finanziellen Aufwand umsetzen. Und die Autoren des Offenen Briefes haben natürlich recht: Dadurch verlagert sich der Kraftverkehr nur, er wir noch nicht geringer, die Luftbelastung findet nur in einem anderen Straßensegment statt.
Andere Maßnahmen wie C2 „Einsatz von Elektrobussen auf autonom befahrenen Strecken im öffentlichen Personennahverkehr“ sind bislang reine Träumerei. Ein LVB-Testprojekt für einen autonom fahrenden Bus soll ja erst in diesem Jahr beginnen. Und das auf einer recht überschaubaren Strecke im Leipziger Norden und nicht im dichten Innenstadtverkehr.
Oder wie wäre es mit der Maßnahme B33 „Pflanzung von 1.000 zusätzlichen Straßenbäumen pro Jahr unter Berücksichtigung der Luftschadstoffbelastung und Grünvernetzung“, die auch schon im Luftreinhalteplan 2009 stand und zehn Jahre lang einfach nicht ausreichend finanziert wurde? Und das geht so weiter. Mit harten Bandagen mussten die Stadtratsfraktionen dafür kämpfen, dass wenigstens die Hälfte der benötigten Summe im Doppelhaushalt 2019/2020 auftaucht. Das waren dann 1,5 Millionen Euro. Richtig ernst meint Leipzigs Verwaltung ihren Luftreinhalteplan nämlich nicht. Unter B33 kann man nachlesen: Eigentlich werden 3,375 Millionen Euro gebraucht, um jedes Jahr 1.000 zusätzliche Straßenbäume zu bekommen.
So kann man das ganze Papier durchgehen. Die Stadt flüchtet sich in die schnell umsetzbaren billigen Maßnahmen, arbeitet aber nicht ansatzweise konsequent daran, die wirklich wirksamen Maßnahmen auch zu finanzieren und umzusetzen.
Der Offene Brief der Initiative „Mobilität Leipzig 700plus“.
Ökolöwe kritisiert verspäteten Luftreinhalteplan
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