Es ist eins der in und um Leipzig üblichen Hase-und-Igel-Spiele: Der MDV verkündet saftige Fahrpreissteigerungen für Leipzig, der Stadtrat schüttelt den Kopf und fragt, ob das sein muss, erfährt aber nie warum, denn der Igel sitzt irgendwo im Landkreis und behauptet: Wenn der Hase mehr zahlen muss, krieg ich Geld vom Hasen. Und niemand ist nirgends verantwortlich. Obwohl die Preiserhöhung selbst in der Höhe nicht begründbar ist. Die SPD beantragt jetzt eine Senkung der Erhöhung ab 2019.
Eine Senkung der Steigerungshöhe. Erst einmal. Denn dass die LVB gar nicht jedes Jahr satte 3,5 Prozent mehr brauchen, scheint ein internes Papier zu belegen, das die SPD-Fraktion auf Anfrage bekommen hat. Denn ihre Wünsche zur Tarifsteigerung melden ja die LVB an den Mitteldeutschen Verkehrsverbund (MDV). Und der schreibt das einfach in sein Papier und macht es praktisch zum Gesetz. Denn wenn die Kommunalparlamente nicht zustimmen, bekommen sie – siehe oben – eine saftige Rechnung.
Selbst dann, wenn alle Zahlen der LVB zeigen, dass sie nicht nur deutliche Steigerungen bei den Fahrgästen haben, sondern auch bei den Ticketeinnahmen. Die stiegen nämlich von 70 Millionen Euro im Jahr 2009 auf mittlerweile 90 Millionen Euro im Jahr 2016. Die Zahlen für 2017 liegen noch nicht vor, dürften aber locker bei 95 Millionen Euro liegen.
Parallel aber hat Leipzig seine Bezuschussung von 52 Millionen Euro im Jahr 2009 auf 45 Millionen Euro ab 2012 abgesenkt – also eigentlich die steigenden Kosten einfach auf die Fahrgäste abgewälzt.
So zerstört man Vertrauen und bremst vor allem genau das aus, was der Stadtrat eigentlich beschlossen hat: die Stärkung des Umweltverbundes.
Ein Thema, das die SPD-Fraktion im Stadtrat schon mit einem Antrag zur Stärkung der Investitionstätigkeit und zur Qualitätssicherung bzw. -steigerung der Leipziger Verkehrsbetriebe aufgegriffen hat. Jetzt legt sie mit einem weiteren Antrag zur Begrenzung der jährlichen Fahrpreissteigerungen auf maximal 2 Prozent nach.
Seit Ende März 2018 liege die von der SPD-Fraktion geforderte Ermittlung der finanziellen Auswirkungen von geringeren Preissteigerungen für die LVB vor, teilt die Fraktion mit. Mit ihrem Antrag möchte die SPD-Fraktion jetzt den Oberbürgermeister beauftragen, in den zuständigen Gremien zu veranlassen, dass keiner Wirtschaftsplanung der LVB GmbH zugestimmt wird, die eine Fahrpreissteigerung von über zwei Prozent vorsieht.
Die Gremien: Das sind einmal der Aufsichtsrat der LVB und zum anderen ist es die Gesellschafterversammlung des MDV. Ein zumindest undurchschaubares Konstrukt, an dem sich Leipziger Ratsfraktionen die Zähne ausbeißen, weil ihnen damit die Steuerungsmöglichkeit über das eigene Verkehrsunternehmen fast komplett aus der Hand genommen ist.
„Nicht erst die Diskussion der Mobilitätsszenarien 2030 macht deutlich, dass ein attraktiver ÖPNV auch vom Preis abhängt. Mit den jährlichen Fahrpreiserhöhungen von 3,5 Prozent erreichen wir jedoch nicht, dass das Auto häufiger stehen gelassen wird“, stellt Christopher Zenker, SPD-Faktionsvorsitzender, fest.
„Im Gegenteil, die Preissteigerungen weit über der Inflationsrate führen dazu, dass der private Pkw häufiger statt weniger genutzt wird. Wenn uns jedoch die Stärkung des Umweltverbundes mit ÖPNV, Rad- und Fußverkehr mittels Attraktivitätssteigerungen und Anreizen nicht gelingt, wird in dieser Stadt bald niemand mehr vorankommen. Wir benötigen daher, auch im Interesse derjenigen, die auf das Auto angewiesen sind, einen attraktiven und bezahlbaren ÖPNV.“
Dumm nur, dass das demokratisch legitimierte Gremium Stadtrat keinen Einfluss hat und auf den guten Willen des OBM angewiesen ist. Es sieht ganz so aus, als lebten wir in einer Art outgesourcter Demokratie – nicht nur bei der Steuerung des ÖPNV. Nicht die Verantwortungsträger sind verpflichtet, den Kommunalparlamenten ihre Vorschläge zu begründen – die Parlamente müssen ihre Oberbürgermeister bitten, ein bisschen Einfluss zu nehmen. Das ist eigentlich schon gelebter Feudalismus.
Das kann nicht funktionieren.
Erst recht nicht, wenn Stadt, Land und Bund sich ihre Haushalte auf Kosten der ÖPNV-Investitionen „gesundsparen“. Auch wenn es kein Gesundsparen ist, sondern ein Kranksparen. Die Bürger merken es ja in einem Angebot, das nicht ansatzweise die Ergebnisse ihrer Arbeit widerspiegelt. Dass Deutschland so einen gewaltigen Exportüberschuss hat, hat genau damit zu tun: Einem Dauersparen bei dringend notwendigen Investitionen.
„Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben, dass Fahrpreise künftig überhaupt nicht mehr erhöht werden, weil z. B. die Kosten im Personal- und Energiebereich bei der LVB auch regelmäßig steigen. Wir wollen jedoch, dass die Kostensteigerungen nicht alleine durch die Kunden der LVB getragen werden, sondern auch durch die Stadt Leipzig und die Leipziger Gruppe“, stellt Heiko Oßwald, beteiligungspolitischer Sprecher der SPD Fraktion, fest.
„Wir fordern daher eine Begrenzung der Tarifsteigerungen auf maximal zwei Prozent, also etwa auf Höhe der allgemeinen Inflationsrate. Dass dies machbar ist, zeigt die Fahrpreisentwicklung bei anderen Unternehmen im Mitteldeutschen Verkehrsverbund, wo sich die Fahrpreise regelmäßig auch nur um etwa zwei Prozent erhöht haben.“
Und Christopher Zenker appelliert an die Politik in Bund und Land, die sich auf Kosten der Kommunen schöne Steuersenkungen und Haushaltsüberschüsse „erwirtschaften“: „Der Bund und die Länder dürfen die Kommunen bei der Verkehrswende nicht alleine lassen. Es ist eben nicht mit Softwareupdates und Umrüstungen bei Dieselfahrzeugen getan. Vielmehr müssen Bund und Länder die Kommunen in die Lage versetzen, einen attraktiven, günstigen und leistungsstarken ÖPNV anbieten zu können. Denn jeder Kilometer, der mit dem ÖPNV statt mit dem Pkw zurückgelegt wird, verbessert die Luftqualität, trägt zur Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub und Stickoxide bei und vermindert CO2-Emissionen.“
Entwicklung der LVB-Kennzahlen 2009 bis 2016.
SPD wird in Sachen Leipziger Fahrpreismoratorium auf den Mai vertröstet
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Senkung der Erhöhung. Schon dieses schiefe Wortkonstrukt zeigt, wie krank diese outgesourcte Demokratie ist, und die SPD sourct auf allen Ebenen fleißig mit: 2 Prozent mehr, mehr, mehr, mehr…
Die wissen alle, was eigentlich nötig wäre, tun aber nix als uns wortreich erklären, warum es nicht gehen soll.