Jahr für Jahr steigen die Fahrpreise für den Leipziger ÖPNV um über 3 Prozent. Ein Automatismus, den auch Oberbürgermeister Burkhard Jung nicht mehr wirklich zumutbar findet, wie er am Donnerstag, 28. Juni, zur Bilanzpressekonferenz der LVV erklärte. Denn eigentlich stehen die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) recht gut da. Mit über 8 Millionen mehr Fahrgästen konnten sie ihre Fahrgastzahlen 2017 wiederholt steigern.

„Dieses Wachstum liegt weit über Bundestrend und Stadtwachstum und ist vor allem auf den starken Anstieg der Anzahl der Stammkunden zurückzuführen“, betont die LVV. Die Angebotsverbesserungen, wie zum Beispiel beim Abend-, Nacht- sowie Wochenendfrühverkehr, würden gut angenommen und führten nachhaltig zu gestiegenen Verkehrserlösen. Die Attraktivität des Leistungsangebotes sowie die Steigerung der Anzahl der Fahrgäste werden mit einer Modernisierung des Fuhrparks nachhaltig gefördert.

Tatsächlich stiegen die Fahrgastzahlen von 148 auf 156 Millionen. Die „S-Bahn-Tunnel-Delle“ habe man also erfolgreich wieder ausgeglichen, betonte Michael M. Theis, der Vorstandssprecher der LVV.

Stimmt: den 15-minütigen Takt am Abend und an den Wochenenden, der 2017 auf wichtigen Strecken eingeführt wurde, hätte man glatt vergessen. So erhöht sich die Attraktivität des Angebots, ohne dass extra neue Strecken in Betrieb genommen werden.

Was das Gedränge im Berufsverkehr nicht ändert. Das ist auch den LVB bewusst, betont der Technische Geschäftsführer der LVB, Roland Juhrs. Aber das bekommt man tatsächlich nur in den Griff, wenn man den Innenstadtring für die Straßenbahnen durchlässiger mache. Er muss umgebaut werden. Daran arbeite die Stadt. Mehrere Varianten sind in Überlegung. Erste kleine Schritte, die erst einmal kein großes Geld kosten, sind in Vorbereitung: Die Möblierung auf den Bahnsteigen der Haltestelle Hauptbahnhof wird deutlich zurückgebaut. „Damit mehr Bewegungsfreiheit für die Fahrgäste da ist“, sagt Juhrs.

Und der versprochene mittlere Übergang von der Haltestelle zum Hauptbahnhof kommt.

Alles andere muss warten, bis die Stadt mit ihren Untersuchungen zur Entlastung des Innenstadtrings fertig ist. Und bis der neue Nahverkehrsplan endlich vom Stadtrat beschlossen ist. Burkhard Jung versprach zwar am Donnerstag, dass der Nahverkehrsplan noch 2018 vom Stadtrat beschlossen werden soll. Aber bislang liegt er noch nicht einmal den Ratsfraktionen vor. Wenn er erst nach der Sommerpause diskutiert wird, ist der Dezember als Beschlussmonat mehr als sportlich.

Und in diesem Nahverkehrsplan legt der Stadtrat dann die Rahmensetzung für die LVB für die nächsten Jahre fest. Und es stehen einige Dinge drin, die für den Ausbau des ÖPNV wichtig sind, verrät Juhrs. Darf aber über die Zuarbeiten der LVB zum Plan noch nichts Genaueres sagen.

Und noch konkreter wird es, wenn die sechs Mobilitätsszenarien im Stadtrat zur Debatte stehen. Und auch Michael Theis geht davon aus, dass das dafür sorgen wird, dass sich die Investitionen der L-Gruppe bzw. ihrer Tochter LVB in den nächsten zwölf Jahren noch einmal deutlich erhöhen. Und auch Burkhard Jung betont, dass auch neue Strecken in Planung sind. Was dann für die LVB ein geschätztes Investitions-Budget von 1,56 Milliarden Euro für die nächsten zwölf Jahre bedeutet.

Also über 100 Millionen Euro pro Jahr. Nur zum Vergleich: Das Jahr 2017 hatten die LVB mit 74 Millionen Euro an Investitionen geplant. Aber geschafft hat man nur 48 Millionen Euro. Da stecken die neuen Straßenbahnen mit drin. Und einige sanierte Streckenabschnitte. Aber 25 Millionen Euro konnte man dann doch nicht platzieren. Was auch in Teilen mit dem riesigen Investitionsstau der Stadt selbst zu tun hat. Denn neue Gleise können die LVB meist erst legen, wenn die Stadt eine große Straßenumbaumaßnahme beginnt.

Dafür rollt der Einkauf der modernen XL-Straßenbahnen: 41 haben die LVB ja bestellt, ein Programm, das bis 2020 abgewickelt werden soll. Und über weitere 20 Bahnen verhandle man noch, sagte Michael Theis. Und wenn man mit diesem Straßenbahnbeschaffungsprogramm fertig ist, folge gleich das nächste, sagt Juhrs. Denn von 2023 bis 2030 werden die nächsten Straßenbahntypen ersetzt. Das sind diesmal die in den 1990er Jahren gekauften NGT8-Wagen von Siemens, die durch deutlich größere Fahrzeuge ersetzt werden sollen.

Damit könne man auch so manches Zusatzfahrzeug im Spitzenbetrieb einsparen, sagt Juhrs. Denn die neuen Wagen sollen endlich die seit Jahren gewünschte Fahrzeugbreite von 2,40 Meter erreichen. Dafür musste in den letzten Jahren der Gleisabstand im ganzen Leipziger Netz systematisch erhöht werden. Denn dass Leipzigs Straßenbahnen nicht so viele Fahrgäste wegschaffen, hat mit der schmalen Wagenbreite zu tun. Auf den schmalen Sitzen finden übergewichtige Leipziger kaum Platz.

Die neuen Fahrzeuge sollen dann auf den Strecken eingesetzt werden, wo der Gleisabstand schon durchgängig aufgeweitet wurde. Endgültig umgebaut soll das Leipziger Gleisnetz erst 2030 sein.

Dass die Leipziger inzwischen fast 74 Prozent des Fahrbetriebs über die Fahrpreise bezahlen, haben wir ja schon berichtet.

Aber zu Recht hat Burkhard Jung die Gremien aufgefordert, darüber nachzudenken, wie die Preisgestaltung der LVB künftig so gestaltet werden kann, dass die Preiserhöhung gedämpft werden kann.

Denn andererseits stimmt auch: Leipzig gehört längst zu den teureren Verkehrsunternehmen in Deutschland. Was eben auch bedeutet, dass die Fahrgasteinnahmen nicht unbedingt auch weiter steigen, wenn man die Preisspirale immer weiterdreht. Von 2015 zu 2016 stiegen die Fahrgasteinnahmen schon von 85,2 auf 90,8 Millionen Euro, 2017 hat man dann das Ziel, 95,6 Millionen Euro zu erzielen, mit 94,3 Millionen Euro verfehlt. Und zwar trotz der deutlichen Fahrgaststeigerung. Es gibt also sehr wohl Grenzen, bis zu denen man Preise ausreizen kann – aber wenn man weitergeht, macht man ein System für einige Fahrgäste wieder unattraktiv. Sie steigen wieder aus.

Ergänzung, 3. Juli 2018:  Aus Sicht der LVB erklärt sich die Diskrepanz aus der Tatsache, dass die Fahrgastzahlen gerade im Bereich jener Nutzer stiegen, die über deutlich ermäßigte Abonnements verfügen, insbesondere die Schüler-Mobil-Card. Damit stiegen dann die Fahrgasteinnahmen nicht so stark wie die Fahrgastzahlen.

Noch hat das System Luft, um noch weitere Fahrgäste aufzunehmen, meint Theis.

Aber man hat ja auch die Diskussionen um den Leipziger Modal Split im Ohr. Und wenn die LVB den dort beabsichtigten Anteil von 20 Prozent oder gar mehr erreichen wollen, wird es ohne die zumindest schematisch skizzierten zusätzlichen Investitionen von 100 Millionen Euro im Jahr nicht gehen.

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