Am 18. April schockte die LVZ ihre Leser mit der Schlagzeile „Im Süden kommt die Bahn oft später“. Man glaubte im Haus am Peterssteinweg tatsächlich, die 2014/2015 völlig umgebaute KarLi sei der Grund für die immensen Verspätungen gerade im Südabschnitt der Linie 10. Einen Teil dieser Fehlinterpretation haben wir ja schon gleich postwendend diskutiert und korrigiert. Aber was steckt wirklich hinter der bunten „Heatmap“, die die LVB gemalt hatten? Wir haben nachgefragt.
Denn manchmal steckt das Wichtigste eben doch in Informationen, die die so emsig recherchierende Tageszeitung nicht geliefert hat. Im Gegenteil: Sie hatte dem Leser auch noch eine Fehlinterpretation untergejubelt. Sie schrieb: „Ein Beispiel: die stark frequentierte Linie 10 von Wahren nach Lößnig. 800 Abfahrten zwischen dem 15. und 26. Januar, jeweils von Montag bis Freitag tagsüber, sind in eine solche Heatmap eingeflossen und wurden dort in stündlichen Zeitfenstern von 6 bis 20 Uhr erfasst.“
Eine wichtige Information enthielt der Artikel den Lesern vor: Die bunte Karte mit den in Grün, Gelb und Rot eingemalten Verspätungen zeigte eben nicht nur die Bahnen mit ihren Verspätungen „von Wahren nach Lößnig“.
Man habe sich richtig Arbeit gemacht im Hause LVB, bestätigt man uns dort. Denn die Karte zeigt nicht nur die Fahrten von Wahren noch Lößnig – sondern auch umgekehrt: alle Fahrten, alle Richtungen. Und für jede Haltestelle alle Verspätungen. Oder alle pünktlichen Abfahrten. Man kann ja auch nicht übersehen, dass die Bahnen ganz früh und ganz spät fast alle pünktlich fahren.
Und vor allem, dass sie auch zwischen Wahren und Wilhelm-Liebknecht-Platz fast alle pünktlich fahren. Was ja ganz eindeutig ein altes Märchen widerlegt, das auch im Stadtrat immer wieder aufgewärmt wird: Die Straßenbahnen würden dort unter den seit 2012 angelegten Radwegen und der Verschiebung des Kfz-Verkehrs auf die Gleise leiden und immense Verspätungen einfahren.
Gerade hier tun sie es nicht. Auch weil die Stadt insbesondere an der Lützowstraße gegengesteuert und 100 Meter Parkstreifen wieder aufgehoben hat. Die Kraftfahrzeuge standen nicht deshalb der einfahrenden Straßenbahn im Weg, weil der Radfahrsteifen zu breit war, sondern weil die geparkten Fahrzeuge am Straßenrand ausgerechnet vor der Kreuzung Georg-Schumann-Straße/Lützowstraße den Verkehrsraum völlig sinnfrei einengten.
Seit diese Stellplätze wieder entfernt wurden, gibt es hier nur noch selten Rückstau, der auch die Straßenbahn ausbremst.
Alle Werte also zeigen, dass man den ÖPNV nun gerade nicht als Argument gegen die Umgestaltung der Georg-Schumann-Straße verwenden kann.
Und was ist mit der umgebauten Karl-Liebknecht-Straße (KarLi)?
Immerhin war ja mindestens ein Stadtrat wieder auf die Argumentationsschiene der LVZ hereingefallen.
Die Interpretation der Verspätungs-Karte verändert sich natürlich ein wenig, wenn man weiß, dass beide Fahrtrichtungen eingeflossen sind.
Dass der Innenstadtring als Nadelöhr eine entscheidende Rolle spielt, hatten wir ja schon herausgearbeitet. Aber er ist nicht nur in Nord-Süd-Richtung ein Nadelöhr, sondern auch umgekehrt. Gerade am Hauptbahnhof können Straßenbahnen oft nicht in die Haltestelle einfahren, weil das Ein- und Aussteigen in den vorherfahrenden Bahnen noch nicht beendet ist.
Und oft kommen sie auch nicht aus der Haltestelle heraus, weil die Bahn davor ihre Türen nicht schließen kann. Gerade am Hauptbahnhof sind Druck und Stress der Fahrgäste groß und – das betonen die LVB – natürlich auch ihre schiere Zahl. Wenn immer mehr Menschen mit der Tram zur Arbeit oder zur Ausbildung fahren, dann entstehen gerade an diesem einsamen Umsteigepunkt gewaltiges Gedränge und Geschiebe.
Und wenn man das weiß, ändert sich auch die Interpretation der Verspätungen auf dem Südast der Linie 10. Und der ist viel länger als nur die KarLi. Gerade im Berufsverkehr hat die Linie 10 auf dem kompletten Abschnitt vom Hauptbahnhof bis nach Lößnig satte Verspätungen von 4, 6 und mehr Minuten. Es geht übrigens jeden Morgen pünktlich 7 Uhr los.
Denn dann sind die Straßenbahnen das Haupttransportmittel der Schüler in die Schulen entlang der Strecke. Ab der Haltstelle Moritzhof in Lößnig beginnen dann die Verspätungen. Und weitere Stationen, an denen sich die Bahn Verspätungen einfängt, sind das Connewitzer Kreuz und die HTWK. An der HTWK kommen ja dann auch noch die Studierenden dazu.
Zusätzlich auch zu all den Berufstätigen, die in der Innenstadt arbeiten. Und zu den vielen Müttern und Vätern, die froh sind, dass sie mit dem Kinderwagen nur zwei, drei Stationen fahren müssen. Da haben sie mit dem Kita-Platz nämlich noch Glück gehabt im dicht bewohnten und geburtenfreudigen Süden. Erst recht, wenn sie mit dem Wagen noch in die Bahn hineinkommen.
Und genauso sehen es auch die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB). Eigentlich sind sie sogar froh, dass sich ihre Prognose, die dem Umbau von 2014/2015 zugrunde lag, bestätigt hat: Die Nutzerzahlen im Leipziger Süden sind deutlich gewachsen. Wozu auch die neue Haltesstelle an der Münzgasse beigetragen hat. Die Straßenbahn ist als Transportmittel beliebt. Aber es macht sich bemerkbar, dass die LVB noch nicht genug große Straßenbahnen (XL und XXL) zur Verfügung haben, die der gestiegenen Nachfrage gerecht werden können und vor allem ein schnelleres Ein- und Aussteigen ermöglichen.
Je kleiner und voller die Bahn ist (und hier sind auch im Berufsverkehr viele NGT 8 und Leoliner unterwegs), umso länger dauert das Ein- und Aussteigen an den Haltestellen. Und zwar gerade dort, wo auf einmal viele Menschen rein oder raus wollen. Man bekommt die Verspätungen gerade auf dem Südast also erst in den Griff, wenn man die Linie 10 komplett mit großen Fahrzeugen fährt.
Die „Hitzemappe“ erzählt also eigentlich von einem Publikumserfolg der LVB. Trotz übervoller Bahnen und Gedränge an den Haltestellen. Sie erzählt aber auch von den Grenzen, an denen das System Straßenbahn in Zeiten des Berufsverkehrs schon angekommen ist. Nicht nur auf der Linie 10.
Warum die Leipziger Straßenbahn tatsächlich immer langsamer wird
Warum die Leipziger Straßenbahn tatsächlich immer langsamer wird
Es gibt 2 Kommentare
@Mathias
Größere Bahnen werden hier auf der Linie 10 nach den Sommerferien eingesetzt und dann wird sich die Situation erstmal wieder etwas entspannen.
Die LVB-Planer sind auch schon länger dabei eine weitere Linie für die KarLi zu planen. Aktuell sind die Fahrgastzahlen dafür allerdings noch zu gering und es fehlt noch am Rollmaterial (Straßenbahnen). Die 3. Linie in der KarLi könnte aber ab 2023 kommen. Übrigens auch in der Schumi ist das eine Vision. Es würde dann zwischen Wahren und Connewitz Kreuz alle 3 – 4 Minuten eine Bahn fahren.
Zunächst kommt ab 2019/20 bzw. 2020/21 die Verstärkerlinie 7E zwischen Leutzsch und Paunsdorf-Nord.
Nein, wie konnte denn das passieren? Die Leute fahren Straßenbahn. Ich frage mich immer nur, wie das weiter gehen soll. Ein paar größere Bahnen werden bei weitem nicht reichen. Doch hat man immer das Gefühl, daß damit Tellerrand der LVB-Planer endgültig erreicht ist.