Als die LVZ jüngst (am 18. April) aus dem Verspätungsdilemma der LVB eine „Die KarLi ist eine Planungs-Katastrophe“-Geschichte machte, tauchte am Rande natürlich wieder die Frage auf: Sind die Straßenbahnen der LVB nicht viel zu langsam? War da nicht jüngst wieder so ein Spaß-Ranking, bei dem die „langsamste Straßenbahn Deutschlands“ gekürt wurde? Die Rote Laterne bekam ja dann irgendwie Bielefeld verpasst.
Leipzig kam in diesem Spaß-Ranking von „Netzsieger“ gar nicht erst vor. Reine Straßenbahnnetze habe man gar nicht erst berücksichtigt, heißt es dort. Bielefeld rutschte nur ins Ranking, weil es seine Straßenbahnen Stadtbahn nennt. Vier Linien fahren dort auf 56 Kilometer Gleisnetz mit durchschnittlich 23,2 Kilometer in der Stunde.
Die Bielefelder schüttelten über das Ranking nur den Kopf, denn dort weiß man sehr genau, dass Stadtbahnen bzw. Straßenbahnen (was im Grunde dasselbe ist) sich im Durchschnittstempo nur unterscheiden, wenn unterschiedlich viele Haltestellen auf der Strecke sind.
Wer auf vielen Streckenabschnitten, auf denen kilometerweit keine Haltestellen sind, richtig durchbrettern kann (und moderne Straßenbahnen schaffen locker ihre 80 km/h), der schafft auch – wie in Duisburg – 33,5 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit.
Die Ranking-Macher sind auch nicht wirklich mit der Stoppuhr mitgefahren, sondern haben sich einfach die Fahrpläne aus dem Netz gezogen und dann für U-Bahnen und Stadtbahnen ihr Ranking gemacht.
Leipzig wäre irgendwann auch mal so schnell geworden, hätte sich das Denken der 1990er Jahre durchgesetzt. Damals hatten Stadt und LVB tatsächlich vor, die verfügbaren Fördermittel des Bundes zur Beschleunigung der Bahnen komplett abzurufen und alle Hauptlinien zu Stadtbahnen umzubauen.
Zu besichtigen ist das Ergebnis z. B. auf der Delitzscher Straße (Linie 16) oder auf der Prager Straße (Linie 15): Die Gleise sind vom restlichen Verkehr komplett separiert, die Haltestellenabstände relativ groß. Die Bahnen können brettern – aber die Laufweite der Anwohner bis zur Haltestelle ist ziemlich groß. Die LVB verschenken also Fahrgastpotenzial.
Schon in den frühen 2000er Jahren nahm man deshalb Abstand von den Stadtbahn-Plänen und begann wieder Straßenbahn zu denken. Denn die funktioniert viel besser, wenn sie in dicht bewohnten Ortsteilen öfter hält. Deswegen haben die LVB – auch im Neubauprojekt Peterssteinweg/KarLi neue zusätzliche Haltestellen eingerichtet – in diesem Fall an der Münzgasse. Die neuen Haltestellen an der Härtelstraße und der Springerstraße sind weitere Beispiele für die Verdichtung.
Aber sie sind nicht die Hauptursache dafür, dass Leipzigs Straßenbahnen im Schnitt immer langsamer vorankommen. Die LVZ zitierte ja extra den LVB-Planer Holger Flache: „Wir merken, dass wir über die Jahre immer langsamer werden. Wenn wir nicht gegensteuern, geht das so weiter.“
Von 20,5 km/h im Jahr 2012 verringerte sich die Durchschnittsgeschwindigkeit immer weiter bis auf 19,8 km/h im Jahr 2017.
Hauptursachen sind das Nadelöhr Innenstadtring und die massive Überlastung des Systems im Berufsverkehr. Da sind so viele Fahrgäste unterwegs, dass die Bahnen den Andrang oft kaum schaffen. Das Ein- und Aussteigen dauert immer länger, die Bahnen stauen sich gerade im Hauptbahnhofumfeld. Diverse Langsamfahrstrecken im Netz und diverse vom Kfz-Verkehr verstopfte Kreuzungen kommen hinzu.
Nur die Erklärung, dass die umgebaute „KarLi“ an den Verspätungen schuld sein soll, ist schlichtweg falsch.
Ein Thema, das auch Alexander John beschäftigt.
Als Mitstreiter des ADFC kennt er sich auch mit den Problemen der anderen Verkehrsarten aus, denn Radfahrer sind ja diejenigen, die am stärksten spüren, wie verdichtet der Leipziger Straßenraum mittlerweile ist und wie das auf alle Verkehrsarten wirkt – wirklich auf alle.
„Der Geschwindigkeitseinbruch bei den LVB hängt zwar auch mit dem starken Zuwachs an Fahrgästen zusammen. Das größere Problem ist allerdings der miserable Gleiszustand“, stellt er fest. Etliche Langsamfahrstrecken liegen übrigens genau auf dem City-Ring. Die Bahnen können oft einfach die Ampel-Zeitfenster nicht nutzen, weil streckenweise Tempo 10 oder gar Tempo 5 verhängt sind. Dann wird – trotz freier Strecke – geschlichen.
„Nicht ganz außer Acht darf man die zusätzlichen Haltestellen lassen. Die Münzgasse ist zwar zeitneutral eingerichtet worden, aber die Haltestellen Springerstraße, Härtelstraße, Am Viadukt etc. waren nicht ganz zeitneutral“, betont Alexander John. Er sagt aber auch: „Grundsätzlich ist eine Reisegeschwindigkeit über alle Linien mit 19,8 km/h in einer deutschen Großstadt eher durchschnittlich. In Berlin ist die Straßenbahn im Mittel mit 19,3 km/h unterwegs, in Dresden beträgt die Reisegeschwindigkeit 20,2 km/h.“
Und eine wichtige Rolle spielt nun einmal der Gleiszustand.
„Da man in Frankreich die Straßenbahnsysteme vollständig neu aufgebaut hat und dort sehr intensiv auf Separierung und teils auch Entfernung des Kfz-Verkehrs aus dem gesamten Straßenraum gesetzt hat, ist man dort etwas schneller als in Deutschland“, stellt Alexander John fest. „Bordeaux hat das schnellste Straßenbahnsystem mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 21 km/h – sagt Wikipedia. In Besançon liegt die Reisegeschwindigkeit bei 20 km/h.“
Und es geht auch noch langsamer, wenn das Geld für die Gleisinstandhaltung fehlt: „In Sofia beträgt die Reisegeschwindigkeit übrigens nur 15,2 km/h.“
Zwei akute sensible Stellen auf dem Innenstadtring nehmen die LVB jetzt übrigens nacheinander in Angriff. Hier sind sie:
Bauvorhaben Dittrichring/Martin-Luther-Ring
Vom 28. Mai bis Mitte Juli lassen die Stadt, die Leipziger Verkehrsbetriebe und die Wasserwerke Straßen-, Gleis- und Leitungsarbeiten auf dem Martin-Luther- und Dittrichring zwischen Lotterstraße und Thomaskirchhof ausführen. Gleichzeitig stehen weitere Straßen- und Leitungsarbeiten im Bereich des Thomaskirchhofes bis Oktober 2018 an.
Die drei Bauherren informieren über das komplexe Vorhaben am Dienstag, dem 24. April, 10 Uhr, im Sitzungssaal des Neuen Rathauses (Martin-Luther-Ring 4, Raum 258).
Erneuerung Gleiskurve Tröndlinring/Pfaffendorfer Straße
Die Gleiskurve der Linie 12 vom Tröndlinring in die Pfaffendorfer Straße wird ab Montag, 23. April, bis zum 14. Mai erneuert. Während der Bauzeit kommt es zu Einschränkungen für den Straßenbahn- und Autoverkehr. Die Straßenbahnlinie 12 verkehrt dabei bis zum 14. Mai mit Umleitung über Michaelisstraße. Für den Kfz-Verkehr sind auf dem Tröndlinring in Höhe Pfaffendorfer Straße die Fahrspuren in Richtung Jahnallee und Goerdelerring gesperrt. Das Abbiegen nach rechts in die Pfaffendorfer Straße bleibt möglich. Vor dem Hauptbahnhof, in der Gerberstraße sowie Am Hallischen Tor sind erste Fahrbahneinengungen notwendig. Achtung Staugefahr! Bitte umfahren Sie das Gebiet wenn möglich weiträumig. Bereits seit mehreren Tagen weisen großflächige Hinweisschilder auf die Umleitung hin.
Die Umleitung von Nordosten nach Westen führt ab Brandenburger Straße über Am Gotischen Bad, Rackwitzer Straße, Berliner Straße, Uferstraße, Emil-Fuchs-Straße, Zöllnerweg, Leutzscher Allee, Am Sportforum und Jahnallee. Von Osten bzw. Nordosten nach Süden führt eine Umleitung über Brandenburger Straße bzw. B2, Dresdner Straße und Augustusplatz.
In der Pfaffendorfer Straße stehen stadteinwärts nur noch zwei Fahrspuren im Kreuzungsbereich zur Verfügung. Vom Goerdelerring kommend ist die Fahrt geradeaus in die Pfaffendorfer Straße nicht möglich. Eine Umleitung für die Süd-Nord-Verbindung führt über Tröndlinring und Gerberstraße. Zudem ist eine Umfahrung der Baustelle über Wilhelm-Leuschner- und Augustusplatz zu empfehlen.
Warum Autofahrer-Zeitungen überhaupt nicht mehr begreifen, was im Leipziger ÖPNV passiert
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