Als der Mitteldeutsche Verkehrsverbund (MDV) am 26. März wieder saftige Fahrpreissteigerungen im Leipziger ÖPNV ankündigte, fiel auch die SPD-Fraktion aus allen Wolken. Zu frisch waren die heftigen Diskussionen zur letzen saftigen Preiserhöhung. Und auf einen wichtigen SPD-Antrag lag immer noch keine Antwort der Stadtverwaltung vor.
Denn kaum eine Stadtratsfraktion ist – zumindest nach den Verlautbarungen – noch bereit, die jährlichen deftigen Preiszuschläge zu akzeptieren. Seit fünf Jahren geht das schon so. Eigentlich stand ein Tarifmoratorium schon 2013 auf dem Plan. Aber damals gelang es OBM Burkhard Jung, einen Showdown zu vermeiden, indem er das Projekt „Alternative Finanzierungswege“ auflegte. Er wollte den MDV beauftragen, alternative Finanzierungsmöglichkeiten für den ÖPNV in Leipzig zu suchen. Vielleicht würde ja mit Sondereinnahmen die Preissteigerung vermeidbar sein.
Aber als dann ein Jahr später die ersten Vorschläge durchsickerten, war schon zu ahnen, dass das nicht funktionieren würde.
Aber statt jetzt wirklich zu einer ernsthaften Diskussion der Finanzierung des ÖPNV zurückzukehren, wurde das Thema weitere vier Jahre ausgesessen, jedes Mal mit mehr Stadträten, die ihren Unmut über diesen blinden Automatismus äußerten.
2017 machte dann die SPD-Fraktion den Kompromissvorschlag, endlich einmal zu prüfen, welche Folgen ein Tarifmoratorium für die Stadt wirklich hätte. Denn alle Anträge zu so einem Moratorium waren immer mit dem Argument abgeschmettert worden, Leipzig würde dann die Einnahmeausfälle auch für die anderen Mitglieder im MDV mit übernehmen müssen.
Ein faules Argument, denn seit Jahren unterscheiden sich die Steigerungsraten im Verbund beträchtlich – gerade in den Landkreisen wurden meist nur Steigerungen um 2 Prozent beschlossen, in der auch an Fahrgästen deutlich wachsenden Stadt Leipzig aber wurde mit 3 bis 4 Prozent jedes Mal kräftig zugelangt.
Irgendetwas in diesem System ist faul.
Nur kann der Stadtrat nichts machen, wenn er weder vom MDV noch vom Oberbürgermeister erfährt, wo wirklich die Stellschrauben sind. Die Finanzierung von MDV und LVB ist für die eigentlich fürs Geld Verantwortlichen eine „Black Box“.
Deswegen bekam der SPD-Änderungsantrag dann auch eine Mehrheit im Stadtrat.
„In der Ratsversammlung am 7. September 2017 wurden die Beschlusspunkte 2 und 3 des Antrags ‚Tarifmoratorium (VI-A-4173-NF-04)‘ positiv votiert. Insbesondere im Beschlusspunkt 2, der auf einen Änderungsantrag unserer Fraktion zurückgeht, wurde die Stadtverwaltung beauftragt, die Auswirkungen eines Tarifmoratoriums auf die mittelfristige Wirtschaftsplanung der LVB und der Leipziger Gruppe sowie etwaige Folgen für den Haushalt der Stadt zu untersuchen und die Ergebnisse bis 31. März 2018 dem Stadtrat vorzulegen.
Ferner sollte dabei auch untersucht werden, welche Auswirkungen auf Wirtschaftsplanungen und städtischen Haushalt entstehen, wenn künftige Fahrpreiserhöhungen auf maximal zwei Prozent begrenzt würden, was der durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate der letzten 20 Jahre entsprechen würde.W
Eigentlich nur zu logisch. Und die Fahrpreisentwicklung in den Landkreisen bestätigt es auch, dass man mit 2 Prozent Steigerung durchaus zurechtkommt.
Aber dass die Stadt über ein halbes Jahr für die Prüfung braucht, spricht ebenso Bände. Denn das bedeutet, dass in den Vorjahren stets aus Unkenntnis der zugrunde liegenden Zahlen argumentiert wurde. Denn wenn die Zahlen vorliegen würden, hätte auch das Prüfergebnis früher vorliegen können.
Als dann der MDV die neuen Preiszuschläge verkündete, wurde die SPD-Fraktion also putzmunter und fragte nach.
„Ist die Prüfung der Auswirkungen des Tarifmoratoriums sowie einer Festlegung von Preiserhöhungen auf max. 2 Prozent jährlich bereits abgeschlossen? Wenn nein: Wann ist damit zu rechnen, dass die Untersuchungsergebnisse dem Stadtrat vorgelegt werden? Werden die Prüfergebnisse, sofern sie der Stadt und der L-Gruppe schon bekannt sind, bereits in die Wirtschaftsplanung für 2019 eingearbeitet?“
Das Dezernat Stadtentwicklung und Bau teilt nun kurz und knapp mit: „Die Prüfungen sind nahezu abgeschlossen. Es ist nach gegenwärtigem Stand geplant, über die wesentlichen Ergebnisse und deren Grundlagen zunächst im kommenden Verwaltungsausschuss, am 02.05.2017, im Beisein der Geschäftsführungen von MDV, LVV und LVB (ab 01.05. zugleich LVV), vorab zu informieren. Die Ergebnisse liegen somit noch vor den finalen Verfahren zur Wirtschaftsplanung der L-Gruppe und der Vorlage des HH-Planentwurfes der Stadt vor.“
Die Antwort macht deutlich, dass durchaus eine Menge Leute mitreden bei der Entscheidungsfindung zu den Leipziger Fahrpreisen. Und dass der Weg tatsächlich über die Grundfinanzierung der LVB durch die LVV läuft, die seit Jahren eingefroren ist. Der Verwaltungsausschuss wird am 2. Mai also zumindest eine Ahnung davon bekommen, an welchen finanziellen Stellschrauben gedreht werden muss, wenn man die Fahrpreisexplosion in Leipzig entweder stoppen oder dämpfen will.
Und wenn das Gremium es ernst meint, könnten die Finanzentscheidungen dazu dann zeitnah sowohl in der Stadtholding LVV als auch im Stadtrat fallen. Und wenn die Verwaltung schon den Haushaltsplan 2019/2020 benennt, heißt das natürlich auch, dass auch die Stadt ihre Zuschüsse an die LVB erhöht. Die liegen aktuell bei rund 5 Millionen Euro, von denen zum Beispiel das Sozialticket und der Kauf neuer Straßenbahnen mitfinanziert werden. Weitere 45 Millionen kommen von der LVV.
Peinlich wäre dann freilich, wenn der Stadtrat dann dennoch den 3,5 Prozent Preissteigerung ab August zustimmen sollte. Die Diskussion darum dürfte den Mai bestimmen.
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Amüsant, erschreckend aber vermutlich knallhartes Kalkül!
Der Termin für die Anfrage vom September 2017 wird gemütlich überschritten.
Bevor die Antwort dem Fragesteller übermittelt wird, beraten erst einmal andere darüber.
(Da kommen mir ganz böse Gedanken, die hoffentlich nicht realistisch sind…)
Weiterhin muss aber auch festgestellt werden:
Ein Inflationsausgleich würde nur den Ist-Zustand halbwegs absichern.
Da Leipzig wächst und der Bedarf an ökologischem Verkehr, muss es auch ein Wachstum im ÖPNV, und damit auch der dafür verfügbaren finanziellen Mittel geben.
Nachdem das immerhin kostenlose Feuerwerk “fahrscheinloser ÖPNV” recht schnell verpufft ist, verliert sich das Thema wieder im lokalen Klein-Klein, wo keiner weiß, wie man dem Wachstum vernünftig Herr werden kann. Da handelnde Visionäre in der kommunalen und Bundespolitik noch nicht gesichtet wurden, dürfte sich die Problematik noch Jahre hinziehen und eher vom Rea- als Agieren geprägt sein.