Wie erhöht man den Druck? Man schreibt ein Datum rein. Denn eigentlich wartet Leipzig schon viel zu lange auf die versprochene Radnetzplanung. Denn beauftragt damit, eine solche für die Stadt zu erstellen, wurde die Verwaltung schon 2012, als der Stadtrat den aktuellen Radverkehrsentwicklungsplan beschloss. Spätestens 2015 sollte sie vorliegen.
Und nicht nur die Linksfraktion vermisste diese Vorlage im Lauf der Jahre immer mehr. Im Dezember stellte sie deshalb ihren Antrag, die Stadt sollte die versprochene Radnetzplanung endlich vorlegen. In der Ratsversammlung am 18. April erklärte Linke-Stadtrat Mathias Weber, warum man die Geduld verloren hat und jetzt endlich etwas sehen will.
Denn die Verkehrsentwicklung der Stadt ist ja nicht stehengeblieben. Schon gar nicht die bei den Radfahrern: Es werden immer mehr. Und es gehe schon lange nicht mehr darum, vielleicht noch ein Stück Radweg mitzubauen, wenn man denn mal eine Straße saniert.
Die Radnetzplanung hat mehrere Ursachen: Zum einen soll sie planmäßig das innerstädtische Radwegenetz in die überregionalen Radwegeverbindungen einpassen, also auch touristische und überregionale Verbindungen stärken. Und das Radwegehauptnetz soll so zielgerichtet ausgebaut werden, dass es wirklich in der Lage ist, steigende Zahlen von Radfahrern sicher durch die Stadt zu führen.
Keine Verkehrsart hat in den vergangenen 20 Jahren so zugelegt wie das Radfahren. Aber die notwendige Netzplanung fehlt.
Video aus dem Stadtrat Leipzig, 18.04.2018, Quelle: Livestream Stadt Leipzig
Zwar gab es dann noch einige Bedenken anderer Fraktionen, was den jetzt entfalteten Druck betrifft. Immerhin hatte die Linksfraktion den Antrag in einer Neufassung noch mit einem Datum versehen: Bis zum 31. August sollte der Plan nun vorgelegt werden.
Was auch Daniel von der Heide aus der Grünen-Fraktion unterstützte, denn in der Verwaltung lägen, so meinte er, schon einige Vorarbeiten schriftlich vor. Es wäre also höchste Zeit, die verwaltungsinternen Papiere an den Stadtrat weiterzugeben.
Aber warum jetzt diese Eile, fragte dann FDP-Stadtrat Sven Morlok. Müsse sich die Radnetzplanung jetzt nicht einordnen in die gerade parallel geführten Diskussionen um den neuen Nahverkehrsplan und die sechs Mobilitätsszenarien der Stadt? Unter denen sei ja auch ein eigenständiges Fahrradstadt-Szenario.
Aber gerade das dürfe man nicht in einen Topf schmeißen, konterte von der Heide. Gerade weil es bei der Radnetzplanung um die Festlegung von Routen gehe, für die die – eigentlich eher kärglichen – Fördergelder des Freistaats gezielt eingesetzt werden sollten. Aber das müsse jetzt in den Doppelhaushalt 2019/2020 eingeplant werden, sonst habe man wieder zwei Jahre verloren.
Zu bedenken gab dann noch FDP-Stadtrat René Hobusch, dass der zitierte Radverkehrsentwicklungsplan ja eigentlich für Ärger gesorgt habe, weil der Stadtrat damals gleich noch einen (neuen) Modal Split beschlossen hatte, der dann so auch 2014 in den neuen Stadtentwicklungsplan (STEP) Verkehr übernommen wurde. Unter anderem sollten sich danach die Verkehrsanteile von ÖPNV und Rad beide deutlich über 20 Prozent entwickeln, der Anteil des motorisierten Individualverkehrs hingegen von 40 auf 30 Prozent sinken.
Was im Prinzip eine einzige Fraktion im Stadtrat seither zur Grundlage nimmt, jedes neue Planungspapier zum Verkehr zu beschießen, stets mit der Behauptung, solche Zielvorgaben seien mit schikanösen Maßnahmen gegen Autofahrer verbunden.
Dass es die ganze Zeit darum geht, endlich bessere Bedingungen für ÖPNV und Radverkehr zu schaffen, scheint diese Partei nicht zu interessieren. Wobei am Mittwoch auffiel, dass sich keiner der Streiter für die heilige Autosache zu Wort meldete. Vielleicht hatte man sich im Kampf gegen die Straßenausbaubeiträge zu sehr verausgabt.
Mit Achim Haas trat ein besonnener CDU-Stadtrat ans Mikro und fragte, welches Zieldatum für die Radnetzplanung denn nun wirklich Sinn machte? Immerhin stand neben dem von den Linken beantragten Termin 31. August auch noch der 31. Dezember 2018 im Raum.
Die zuständige Baubürgermeisterin Dorothee Dubrau musste also ans Mikro und auch erst einmal erklären, warum es schon wieder zu einer Verzögerung bei dieser wichtigen Planung gekommen ist.
Und siehe da: Der wichtigste Mann war landflüchtig geworden. Leipzigs Radverkehrsbeauftragter hat die Stadt verlassen, der Posten ist verwaist, das Projekt hängt unfertig in der Luft. Bis Ende Juni, so hofft Dorothee Dubrau, könne man den Posten wieder besetzen. Die neue Person müsse sich freilich auch erst einarbeiten. Der 31. August sei eigentlich nicht zu schaffen. Sie bitte also um einen späteren Abgabetermin.
Was dann Sven Morlok kurzerhand nutzte, im Namen der Freibeuter-Fraktion den wohl schnellsten Änderungsantrag der laufenden Legislatur ins Verfahren zu bringen. Aus dem 31. August aus dem Antrag der Linksfraktion machte er einen 31. Dezember. OBM Burkhard Jung stellte den Antrag so zur Abstimmung. Ein paar Gegenstimmen und Enthaltungen gab es, aber – man staune – die große Mehrheit des Stadtrats stimmte zu, sodass Leipzig jetzt möglicherweise bis zum 31. Dezember endlich die versprochene Radnetzplanung bekommt.
Die auch nicht überflüssig wird, wenn dann noch die anderen Entscheidungen zum Nahverkehrsplan und zu den Mobilitätsszenarien fallen, denn angepasst werden kann das Radnetz immer. Aber in seiner Grundstruktur muss es überhaupt erst einmal bestehen, damit Gelder beantragt werden können.
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