Augenscheinlich passiert so viel gleichzeitig, dass manche Fraktionen im Leipziger Stadtrat die Befürchtung haben, die Verwaltung könnte wichtige Gelegenheiten verpassen. Zum Beispiel, um Fördermittel für ein wirklich intelligentes Verkehrsleitsystem abzugreifen, damit der Verkehr in Leipzig endlich flotter fließt. Und für sauberere Busse. Die SPD- und CDU-Fraktion hatten jetzt so etwas beantragt. Sehr zur Verblüffung des Planungsdezernats.
„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, notwendige Vorkehrungen zu treffen, dass die Stadt die im aktuellen Dieselgipfel ausgehandelten Fördermöglichkeiten für die Kommunen nutzen kann“, hatten die Fraktionen von CDU und SPD gemeinsam beantragt. „Diese Fördermittel sollen u. a. für folgende Vorhaben genutzt werden:
– Weiterentwicklung des digitalen Verkehrsleitsystems, um dadurch eine Verkürzung und Optimierung von Fahrzeiten für MIV, Wirtschaftsverkehr und ÖPNV mit dem Ziel einer Minimierung der Schadstoffbelastung in Leipzig zu erreichen;
– Beschleunigung der Umrüstung der Busse der LVB sowie der Dieselfahrzeuge der Stadt Leipzig und ihrer Eigenbetriebe auf höhere Abgasnormen sowie der Anschaffung von elektrisch betriebenen Bussen.“
Es ging um das große Sonderpaket, welches das BMVI im vergangenen Jahr noch ausgereicht hatte, als klar war, dass die ewige Aussitzerei des Diesel-Skandals und der Luftschadstoff-Probleme in den Großstädten nicht gutgehen werden. Augenscheinlich sind deutsche Regierungen so: Sie kriegen mit langfristigen Projekten eher nichts auf die Reihe – und versuchen das Dilemma dann im letzten Augenblick mit viel Geld zu lösen.
In diesem Fall stecken etliche Maßnahmen drin, mit denen die Kommunen schon seit Jahren bei Bundes- und Landesregierungen auf der Matte stehen und um Gelder betteln. Und keine bekommen haben, weil deutsche Minister eben erst reagieren, wenn ihnen die Hose brennt. Auch in den Nahverkehrsplänen und Luftreinhalteplänen der Städte stehen solche Dinge seit Jahren – und im eigenen Haushalt fehlt das Geld.
Und nun endlich gab’s mal Geld dafür. Und Leipzig hat sofort reagiert.
„Mit Datum vom 24.11.2017 wurde beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur seitens der Stadt Leipzig ein Antrag auf Gewährung einer Bundeszuwendung zur Erstellung eines Masterplanes für die Gestaltung nachhaltiger und emissionsfreier Mobilität im Rahmen der Fördermaßnahme ‚Automatisierung und Vernetzung im Straßenverkehr‘ gestellt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 20.12.2017 positiv bewilligt“, teilt das Planungsdezernat jetzt mit.
Und lehnt den Antrag von CDU und SPD folgerichtig ab. Denn was man schon gemacht hat, muss man ja nicht erst beschließen.
Der Masterplan enthält unter anderem das Arbeitspaket 1 „Verkehrsorganisatorische Maßnahmen an Hotspots/Verknüpfung Leitsysteme MIV/ÖPNV“.
„In diesem Arbeitspaket wird das digitale Verkehrsleitsystem weiterentwickelt werden, um eine Verkürzung und Optimierung von Fahrzeiten für MIV, Wirtschaftsverkehr und ÖPNV zu erreichen“, erklärt das Planungsdezernat zu diesem Förderposten.
Der Masterplan enthalte weiterhin das Arbeitspaket 4 „Abgasoptimierte Busflotte/kommunaler Fuhrpark“.
„Um den Schadstoffausstoß der Busflotte der LVB weiter zu minimieren, wird derzeit eine technologische Machbarkeitsstudie zum Einsatz von vollelektrischen Bussen im gesamten Liniennetz durchgeführt. Aufbauend auf dieser Studie wird im Rahmen des Arbeitspaketes 4 ein Konzept zur Umsetzung der Erweiterung der E-Bus-Flotte und eine Beschaffungsstrategie erarbeitet“, so das Planungsdezernat.
Augenblicklich testen die LVB ja erst einmal den Einsatz eines Elektrobusses auf der Linie 89. Man sieht ihn recht selten. Aber wenn der Test klappt und auch serienreife E-Busse auf dem Markt sind, wollen die LVB zugreifen.
„Für eine zukünftige emissionsarme Gestaltung des kommunalen Fuhrparks wird eine Analyse des kommunalen Fuhrparks hinsichtlich der stärkeren Elektrifizierung bzw. Einordnung alternativer Antriebstechnologien erfolgen“, betont das Planungsdezernat. „Damit wird die Beschleunigung der Umrüstung der Busse der LVB sowie der Dieselfahrzeuge der Stadt Leipzig auf höhere Abgasnormen sowie die Anschaffung von elektrisch betriebenen Bussen vorbereitet.“
Womit man zwei wichtige Punkte auch aus dem aktuell wieder vorliegenden Luftreinhalteplan untersetzt hat: Die flüssigere Steuerung des Verkehrs durch intelligente Leitsysteme. Und den nächsten Schritt bei der Anschaffung abgasärmerer LVB-Busse.
Was das Planungsdezernat dann dazu bewegt, den Antrag als abgehakt abzulehnen: „Soweit es darum geht, die notwendigen konzeptionellen Vorkehrungen zu treffen, um die im aktuellen Dieselgipfel ausgehandelten Fördermöglichkeiten für die Kommunen zu nutzen, ist dies bereits Verwaltungshandeln.“
Auch im neuen Luftreinhalteplan wird der ÖPNV das Zögern und Zaudern nicht los
Auch im neuen Luftreinhalteplan wird der ÖPNV das Zögern und Zaudern nicht los
Es gibt 9 Kommentare
Es sind übrigens nicht 400.000 Euro, sondern 530.000 Euro. “Mit dem Geld soll ein Plan zur Reduzierung der hohen Stickstoffdioxidbelastung erstellt werden, wie die Stadt Leipzig am Donnerstag mitteilte. Er soll bis Sommer 2018 unter anderem Maßnahmen für bessere Verkehrsleitsysteme, Park-and-Ride-Angebote sowie Lademöglichkeiten für E-Fahrzeuge enthalten.”
https://www.welt.de/regionales/sachsen/article171823405/Leipzig-erhaelt-530-000-Euro-Foerderprogramm-Saubere-Luft.html
@Christian
HIer noch ein Link zum “Sofortprogramm saubere Luft” https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Themen/Saubere-Luft/_node.html
@Christian
Die Stadt bekommt einen neuen Verkehrsrechner. Der die Lenkung des Verkehrs besser machen soll als der alte. Ich gehe davon aus, dass das Geld weitestgehend in diesen Rechner fließt und dann tatsächlich nur die Verkehrslenkung mit Induktionsschleifen etc. pp. optimiert wird. Vielleicht gibts noch große Tafeln, auf denen aktuelle Informationen stehen. Viel mehr kommt bei 400.000 Euro sicherlich nicht raus – und mehr Geld bekommt Leipzig erstmal nicht. Die Stadt könnte sich höchstens noch um Fördermittel für Hybridbusse kümmern. Da hat der Bund angekündigt, 80% der Mehrkosten gegenüber herkömmlichen Dieselbussen zu übernehmen.
@alexander
Ja, das ist mir klar. Ich versuchte ja zu übermitteln, dass Grüne Wellen (und auch Induktionsschleifen) ja nun keine neuen Erfindungen sind und bisher ja schon zum Einsatz gekommen.
Unter diesem beschworenen Hype muss doch bitte auch etwas Neues sein, was ich aber noch nicht sehe!?
Unter “Optimierung für den MIV oder Wirtschaftsverkehr” kann ja wohl nicht eine Drosselung verkauft werden, die man bisher auch schon machen konnte.
Frühestens ab Autobahnauffahrten sehe ich Leitsysteme, die aber nur sehr selten aktiv sind und für das tägliche innerstädtische Verkehrschaos keinen Vorteil bringen.
In Leipzig kann nur eine massive Förderung des ÖPNV Linderung bringen, da der Verkehrsraum ja eher kleiner, statt größer wird.
@christian
Verkehrsleitsysteme funktionieren über die im Boden eingelassenen Detektoren und der Anpassung der Ampelsteuerung. Hinter dem viele “Geschwarfel” steckt auch die Pförtnerung der Ampel. D.h. die Drosselung des Verkehrsflusses.
Verkehrsleitung kann auch die Bevorrechtigung der Straßenbahn und Busse bedeuten.
Traurig, dass es erst Eskalationen bedarf, um bemerkenswerte Finanzmittel (allerdings steuer-finanziert!) für Projekte zu erhalten.
Jedoch runzele ich bei diesem hochtrabenden Geschwafel sehr die Stirn. “Digitales Verkehrsleitsystem”, “Verkehrsorganisatorische Maßnahmen an Hotspots/Verknüpfung Leitsysteme MIV/ÖPNV”, “Optimierung von Fahrzeiten für MIV, Wirtschaftsverkehr und ÖPNV” – da hat sicher eine SHK eine Woche dran gesessen, um blumige Worte für etwas zu finden, was ich im Alltag noch nie gesehen bzw. gespürt habe.
Oder sitzt unser OBM tatsächlich heimlich am Schreibtisch und steuert mittels Mausklick und Prognosen, wann ich mit einem Verkehrsmittel fahre, das Verkehrsgeschehen?
Was könnte er denn steuern? Ich wüsste nicht, wo man mit neuer Verkehrslogistik unsere Verkehrsträger noch toller und elementarer beeinflussen könnte. Die ‘grüne Welle’ muss ja nun schon seit Jahrzehnten als Argument herhalten. Ein intelligentes Verkehrssystem für den MIV in Leipzig ist mir unbekannt. Was auch sollte man ändern können – unser Straßenraum ist begrenzt und ausgereizt. Hier würde ich gern mehr erfahren.
Statt naiver Ideen für eine elektrische Busflotte (außer O-Bus – das wär ja tatsächlich sinnvoll) wäre auch ich für eine Verbesserung der Luftqualität über Hardwarenachrüstungen. Effizient und wirkungsvoll. Den “ganzheitlichen Bus” betrachtend auch nachhaltig!
Dass erst eine Analyse vom hauseigenen Planungsdezernat erfolgen muss, um mitreden zu können, verwundert. Was macht das dafür zuständige Dezernat das ganze Jahr?
Aber es ist schon paradox: Manche Fahrzeuge müssen Abgase bis zum Blümchenduft reinigen, während daneben alte Fahrzeuge mit rußendem Auspuff tuckern dürfen. Hier muss etwas getan werden. Zweierlei Maß!
Es ist richtig, dass das Ordnungsamt das nicht kann, aber die Straßenverkehrsbehörde. Diese kann Einschränkungen nach §45 StVO vornehmen. Hier heißt es in (1): “(1) Die Straßenverkehrsbehörden können die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten.” Bspw. könnte sie im Nebenstraßennetz eine Lastbeschränkung anordnen. Nach dieser wäre dann die Einfahrt für die Oldtimerbusse (ohne Sondergenehmigung) nicht mehr erlaubt. Sowohl in der Menckestraße als auch in Schleußig ließe sich das mit dem Untergrund begründen und der Enge der Straße, weshalb es dort zu Sicherheitsdefiziten kommt bzw. eine ordnungsgemäße Abwicklung des Verkehrs nicht gewährleistet ist.
In (1b) “Die Straßenverkehrsbehörden treffen auch die notwendigen Anordnungen” steht in Satz 5 übrigens: “5. zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen oder zur Unterstützung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung.” Da ginge schon was. Nur so lange der Straßenverkehrsbehörde kein Widerspruch vorliegt, werden sie nicht tätig werden. Den Widerspruch kann man als Privatperson schreiben und muss die persönliche Betroffenheit kundtun. https://www.stvo.de/strassenverkehrsordnung/123-45-verkehrszeichen-und-verkehrseinrichtungen
#Sebastian: Leipzig könne da gar nichts machen, teilte uns 2014 Helmut Loris mit. Stinker haben in Deutschland Narrenfreiheit.
Der Artikel:
http://www.l-iz.de/politik/leipzig/2014/04/Oldtimer-in-Leipzigs-Umweltzone-54961
Der ADAC hat im Übrigen mal testweise einen Bus mit einer Abgasaufbereitungsanlage (oder wie auch immer die Bezeichnung war, irgendwas zum Nachrüsten mit dem Ad-Blue Zusatzharnstoff) ausgerüstet. Das Resultat waren irgendwas um die 95% weniger Stickoxide.
Ich hab das neue Heft nicht vor mir liegen, aber selbst wenn es nur 80% weniger sind, wäre die Nachrüstung mit < 5000 Euro pro Bus sicherlich billiger, als eine ganze Elektroflotte.
Außerdem bitte die Stadtrundfahrt-Doppeldecker stillegen. Ich bin letztens hinter einem hergefahren. Ohne Lüftung auf "Innenluft" zu stellen erstickt man ja.